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Der Mann mit dem Lachen

Musical nach dem Roman L'homme qui rit von Victor Hugo
Buch von Tilmann von Blomberg
Liedtexte von Alexander Kuchinka
Musik von Frank Nimsgern


In deutscher Sprache, keine Übertitel

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Auftragswerk der Staatsoperette Dresden
Uraufführung an der Staatsoperette Dresden am 27. April 2019
(rezensierte Aufführung: 30. April 2019)


Homepage

Staatsoperette Dresden
(Homepage)
Sein oder nicht sein?

Von Joachim Lange / Fotos von Stephan Floß

Der scheidende Intendant der Staatsoperette Dresden, Wolfgang Schaller, setzt bei seinem Spielplan nicht nur auf Operette, bestimmte Opern und auf bewährte Musicals, sondern hat für seine letzte Spielzeit sogar ein neues in Auftrag gegeben, das jetzt seine Uraufführung erlebte. Der Mann mit dem Lachen geht auf Victor Hugos monumentalen historischen Roman L'homme qui rit zurück. Buch und Dialoge hat Tilmann von Blomberg (der schon den Text für die 2017 an der Staatsoperette uraufgeführte, bitterbösen Nachbarschaftssatire Zzaun! geschrieben hat) adaptiert. Alexander Kuchinka hat die Gesangstexte beigesteuert. Komponist Frank Nimsgern war einst Band Leader von Chaka Khan und hat neben Showmusiken für den Friedrichstadtpalast und Tatort-Soundtracks mit POE oder Der Ring Musicalerfahrung und vermag es, barocke Anklänge, moderne Grooves ebenso wie Folkloristisches oder Rockiges versiert unter den genretypischen Sound zu mischen.

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Die Königin und die Intrigantin

Der Titel des neuen Musicals klingt irgendwie nach Mann mit der Eisernen Maske. Der Inhalt ist nur komplizierter. Dafür gibt es der Außenseiter-Held im Stück den Royalisten am Ende so richtig: Ich bin das Volk singt Gwynplaine, der Titelheld, der von den Zeitgenossen als Monster oder Freak wahrgenommen wird, weil man ihm als Kind ein ewiges Lachen ins Gesicht operiert hat. Dennoch kommt er durchweg als Sympathikus rüber. Der ist auch nicht stärker entstellt als manch ein Stammkunde der Tatoo-Studios von heute…

Dieser Gwynplaines ist ein von Amt und Erbe in Elend und Armut verbannter englischer Lord. Er war vom richtig fiesen Finsterling im Stück, Barkilphedro, an Kinderhändler verkauft worden. Der hatte schon seinen Vater aus politischen Rachemotiven ermordet. Zum jungen Mann herangewachsen, will der ihn jetzt (Zeit der Handlung: 1705) als Peer (als Sohn des verstorbenen Lords Clancharlie steht ihm ein Platz im Oberhaus zu) reaktivieren und zum Schein mit der eigenen Geliebten verheiraten. Diese attraktive Herzogin Josiane ist die Schwester der Königin und Treuhänderin von Gwynplaines Vermögen! Alles nur, damit die beiden an sein Land und Geld kommen.

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Der Bösewicht Barkilpherdro und der arglose Gwynplaine

Das Oben und Unten ist klar verteilt. Die urige Königin Anne Stuart (als Sprechrolle: Angelika Mann) und ihr arroganter Adel hier - das (Gaukler-)Volk dort. Der Held wechselt für kurze Zeit den Stand und lernt die dekadente Oberschicht im Schnellkurs von innen kennen. Der als Gaukler auf dem Jahrmarkt groß gewordene Gwynplaine ist natürlich in der Lage, von jetzt auf gleich, von Gaukler auf Lord umzuschalten. Rüschen ans Adelshemd, Perücke auf den Kopf, schwarze Binde vor den entstellen Mund - fertig ist der Lord. Man hat's halt im Blut. Dazu gibts auch noch die obligate Liebesgeschichte für genregemäße Ausflüge in die Herz-Schmerz-Sphären.

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Gwynplaine vor dem Oberhaus

Es gibt kein Goldenes Kalb, dafür aber eine Art digitaler Orgie, die als kollektiver Rausch um zwei goldene Natürlich muss ein Bühnenplot raffen, verkürzen, die Dinge auf den Punkt bringen. Aber muss es wirklich so hanebüchen sein? Wenn Gwynplaine vor Königin und Oberhaus am eine Rede hält, die quasi ein Revolutionsmanifest ist, sich dabei in einen Ich-bin-das-Volk- Rausch steigert und hinter ihm alles, was die Weltgeschichte so an Revolutionen zu bieten hat, im Video-Schnelldurchlauf zu sehen ist, läuft das Fass mit der Kitschgefahr dann doch über. Das liegt vor allem am Text. In seinem Eifer einer eigentlich spannenden Geschichte aus alten Zeiten, die allemal für Mantel- und Degen Filme und Musicals taugen, beizukommen, rutscht der allzu oft in eine banale Gute-Zeiten-Schlechte-Zeiten-Rhetorik ab, kollidiert das verbale Reim-dich-oder-ich-schlag-dich mit dem Charme von Allonge-Perücke oder Reifrock.

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Der revolutionäre Elan reisst Gwynplaine mit

Jannik Harneit überzeugt als jener Gwynplaine, der im Zeitraffer aufsteigt, den Lords die Leviten liest und dann zu seiner Liebe aus Kindertagen, der blinden Dea (Olivia Delauré), zurückkehrt, um zusammen mit ihrem Ziehvater (Elmar Andree) am Ende in einem Äppelkahn ins freiere Holland zu entfliehen (u.a. weil da der Käse besser ist). Christian Grygas nutzt als Bösewicht Barkilphedro seine besonderen Profilierungschancen ebenso wie Anke Fiedler als seine Geliebte Herzogin Josiane.

Dirigent Peter Christian Feigel bewährt sich im Graben als Spezialist für das Genre, vermisst die musikalische Meterware routiniert und sorgt dafür, dass die immer mal wieder eingeschobenen Anspielungen auf Purcell oder Händel und deren Bläserglanz, oder auch Charleston-Rythmem für die Admiralität auffallen. Gegen die szenische Verpackung von Regisseur Andreas Gergen, Sam Madwar (Bühne), Uta Loher und Conny Lüders (Kostüme) und die Choreografie von Simon Eichenberger ist nichts einzuwenden. Die Bühnenoptik hat das richtige Maß an Historie. Das Tempo der Verwandlungen und das Ambiente stimmen. Ob bei den Gauklern, der Königin oder im Oberhaus.


FAZIT

Die Staatsoperette Dresden hat ihrem Kerngeschäft gemäß ein neues Musical in Auftrag gegeben. Die Richtung von Stoffauswahl und szenischer Verpackung entsprechen den üblichen Musical-Standards, ohne nach oben auszuscheren. Manchmal biedert sich der Text etwas zu sehr einer gewollten Vergegenwärtigung an. Beim Publikum waren die ersten Aufführungen ein Erfolg.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Peter Christian Feigel

Inszenierung
Andreas Gergen

Bühne
Sam Madwar

Kostüme
Uta Loher
Conny Lüders

Choreographie
Simon Eichenberger

Chor
Thomas Runge

Sound-Design
Martin Wingerath
Clemens Wannemacher



Chor und Orchester der
Staatsoperette Dresden


Solisten

Gwynplaine
Jannik Harneit

Dea
Olivia Delauré

Ursus
Elmar Andree

Barkilphedro
Christian Grygas

Herzogin Josiane
Anke Fiedler

Hardquanone
Bryan Rothfuss

Anne, Königin von England
Angelika Mann

Sarah Churchill
Anne Schaab

Gernardus
Markus Liske

Aelfred
Jürgen Mai



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Staatsoperette (Homepage)



Da capo al Fine

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