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Moses und Aron

Oper in drei Akten
Text und Musik von Arnold Schönberg


In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 40' (keine Pause)

Premiere an der Sächsische Staatsoper Dresden am 29. September 2018
(rezensierte Vorstellung: 3. Oktober 2018)


Homepage

Sächsische Staatsoper Dresden
(Homepage)
Die Wahrheit des Unsichtbaren

Von Roberto Becker / Fotos © Ludwig Olah

Mit Arnold Schönbergs (1874-1951) unvollendeter Oper Moses und Aron die Saison zu eröffnen, ist nicht ganz ohne Risiko. Aber es ist, wie im Falle der Semperoper, auch ein Bekenntnis. Peter Theiler tritt damit seinen Posten als neuer Intendant an. Die eher verwaltete Zeit ist zu Ende, programmatischer Ehrgeiz wird das Profil dieses wichtigen deutschen Opernhauses künftig bestimmen. Das ist die Botschaft. Dazu gehört auch die Entscheidung Calixto Bieito nach Dresden zu holen. Allerdings sind die Zeiten schon länger vorbei, in denen der Name des Katalanen ausreichte, um einen Teil des Publikums auf die Barrikaden zu treiben. Dass Schönbergs unvollendet gebliebene Oper, deren DDR-Erstaufführung 1975 übrigens Harry Kupfer in Dresden inszenierte, eine philosophisch ziemlich hochtrabenden Debattenoper ist, die ohne vordergründige Handlungsbilder auskommt und im Tanz ums Goldene Kalb kulminiert, das ist auch für Bieito in Dresden das Problem bei der szenischen Umsetzung.

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Dabei bleibt der Gegenstand der Debatte, die Moses und Aron über die Unsichtbarkeit Gottes ausfechten, nicht ohne Auswirkung auf die ästhetische Form der Bühnendarstellung. Ausstatterin Rebecca Ringst beschränkt sich auf einen Bühnen-Guckkasten, dessen Rückwand abklappen kann und dessen weiße Wände als Projektionsflächen dienen können. Die Kostüme von Ingo Krügler verorten die Menschen mit ihrer Alltagskleidung im Hier und Jetzt. Moses sind die prinzipiellen, weltanschaulich orientierenden Gedanken zugeordnet. In dieser alttestamentarischen Konstellation suchen die vom Pharao in unterdrückten Juden nach einer Orientierung für den langen Weg, der sie durch die Wüste aus dem ägyptischen Joch führen soll. Zunächst aber zu einem Selbstverständnis, was für Moses heißt: zu einem eigenen Gottesbegriff. Sein Bruder Aron ist der von den beiden, der die Massen lenken und beschwichtigen muss, als Moses sie allein lässt, um in der Einsamkeit Zwiesprache mit seinem Gott zu halten und zu den Gesetzen zu finden, die Orientierung für alle sein sollen. Aron stellt sich so wie ein moderner Politiker auf die Fähigkeiten der Massen ein, verrät zwar nicht die Prinzipien seines Bruders, versucht ihnen aber eine Form zu geben, die die Massen verstehen.

Das Werk dreht sich nicht nur aus einer religionskritischen Perspektive um die Wirkung von Indoktrination oder, anders ausgedrückt, um die Suche nach geistiger Orientierung. Es reflektiert auf subtile Weise, wie so etwas prinzipiell, als auch heute, funktioniert.

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Der berühmte biblische Tanz ums Goldene Kalb ist sprichwörtlich. Übersetzt kann das in etwa heißen, dass es das Oberflächliche, Sichtbare und Glitzernde, das was als "Idee" oder als Surrogat einer Idee nicht hinterfragt werden muss, was von selbst ins Auge springt, eben leichter hat als der mühevoll errungene Gedanke. Und genau dieses in durchmedialisierten Zeiten durchaus moderne und nachvollziehbare Wahrnehmungsphänomen zeigt Bieito als einen digitalisierten Exzess, bei dem die Manipulierbarkeit der Massen auf begabte Redner mit demagogischen Fähigkeiten trifft. Was ja gegenwärtig nicht nur, aber auch ein Dresdner Problem ist, das man vor der Tür der Semperoper studieren kann. Bei Bieito ist die ästhetische Form für die ausführliche Szene, in der sich die Menschen nicht mit Moses Vorgaben auseinandersetzen, sondern ihre alten Götter zurückbekommen, als eine Mischung aus Exzess und dessen Wahrnehmung statt.

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Die Prozession als Schatten an der Wand

Es gibt kein Goldenes Kalb, dafür aber eine Art digitaler Orgie, die als kollektiver Rausch um zwei goldene Statuen eskaliert und sogar ein rituelles Menschenopfer einschließt, für dessen Illustration sich Bieito dann doch mal für einen Moment auf die Drastik zurückgreift, für die er einst berühmt wurde. In der Hauptsache aber werden in dieser zentralen Szene die Wände der Bühne von binäre Ziffernfolge, E-Mail-Adressen und ähnlichem geflutet, während die Menschen 3D-Brillen verpasst bekommen. Die Projektionen zeigen, was sie dort sehen. Bilder von harmlosen Vergnügungen eskalieren zu groß gepixelten Porno- bzw. Gewaltvideos und ergreifen sozusagen den Chor.

Diesmal ist der exzellente, hauseigene Opernchor deutlich aufgerüstet: durch den Vocalconsort Berlin, den Sinfoniechor Dresden und den Kinderchor der Sächsischen Staatsoper Dresden verstärkt. Jörn Hinnerk Andresen, David Cavelius und Claudia Sebastian-Bertsch teilen sich die Einstudierung des anspruchsvollen Gesangsparts, zu dem die Herausforderung, eine Orgie zu spielen, hinzukommt. Am Ende wird eine Lore voller Steine über dem Bühnenkaste ausgekippt. Auch ein Bild für das Verzweifeln am fehlenden Wort, in das Moses am Ende verfällt.

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Sir John Tomlinson fügt seinem darstellerischen Charisma einen Sprechgesang hinzu, der seinen Moses insgesamt überzeugend (neben dem Chor und als seinen Widerpart) ins Zentrum der Aufführung stellt. Für den Aron setzt Lance Ryan seinen kraftvollen Tenor voll ein, und überzeugt damit mehr als bei seinen letzten Wagnerauftritten in Bayreuth. Christa Mayer ist auch mit ihrem kurzen Auftritt als Kranke wie immer ein vokaler Genuss. Alle übrigen Solopartien sind sorgfältig auf dem Niveau des Hauses besetzt. Die Sächsische Staatskapelle Dresden lässt sich unter Leitung von Alan Gilbert auf Schönberg rückhaltlos und professionell ein.


FAZIT

Ein Spielzeitauftakt mit einer Bieito Inszenierung von Schönbergs Moses und Aron steht in Dresden ein Schlusspunkt mit einer Rückkehr Peter Konwitschnys nach Dresden mit Meyerbeers Hugenotten gegenüber. Ambitionierter als Peter Theiler kann man seine erste Spielzeit kaum einrahmen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alan Gilbert

Inszenierung
Calixto Bieito

Bühne
Rebecca Ringst

Kostüme
Ingo Krügler

Licht
Michael Bauer

Video
Sarah Derendinger

Chor
Jörn Hinnerk Andresen

Dramaturgie
Johann Casimir Eule



Sächsischer Staatsopernchor Dresden

Sinfoniechor Dresden -
Extrachor der Semperoper Dresden

Kinderchor der
Sächsischen Staatsoper Dresden

Vocalconsort Berlin

Sächsische Staatskapelle Dresden


Solisten

Moses
John Tomlinson

Aron
Lance Ryan

Ein junges Mädchen
Tahnee Niboro

Eine Kranke
Christa Mayer

Ein junger Mann/ Ein nackter Jüngling
Simeon Esper

Ein anderer Mann/ Ephraimit
Matthias Henneberg

Ein Priester
Magnus Piontek

Ein Jüngling
Beomjin Kim

1. Solostimme
Katerina von Bennigsen

2. Solostimme
Stepanka Pucalkova

3. Solostimme
Michal Doron

4. Solostimme
Aaron Pegram

5. Solostimme
Jiří Rajniš

6. Solostimme
Tilmann Rönnebeck

1. Nackte Jungfrau
Tania Lorenzo

2. Nackte Jungfrau
Tahnee Niboro

3. Nackte Jungfrau
Grace Durham

4. Nackte Jungfrau
Constance Heller

1. Ältester
Werner Harke

2. Ältester
Alexander Födisch

3. Ältester
Reinhold Schreyer-Morlock



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Sächsische Staatsoper Dresden
(Homepage)



Da capo al Fine

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