- -

Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Platée

Ballet bouffon in einem Prolog und drei Akten
Text von Adrien-Joseph Le Valois d'Orville
Musik von Jean Philippe Rameau


In französischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere an der Sächsische Staatsoper Dresden am 6. April 2019
(rezensierte Vorstellung: 11. April 2019)


Homepage

Sächsische Staatsoper Dresden
(Homepage)
Klingt nach Barock, sieht aus wie Baröckchen…

Von Joachim Lange / Fotos © Ludwig Olah

Wenn schon die Erstaufführung einer Barockoper, die es in Dresden noch nie gab, dann wenigsten mit Glamourfaktor. So könnte die Entscheidung für Rolando Villazón als Regisseur für diesen Dreiakter mit der hübschen Bezeichnung Ballet bouffon zustande gekommen sein. Der temperamentvolle Mexikaner zehrt vom Ruhm seiner erfolgreichen Jahre als Tenor. Damals fiel sein Name in einem Atemzug mit Anna Netrebko. Dann kriselte seine Stimme und er schuf sich klugerweise ein zweites Standbein als Regisseur. Ein wirklich durchschlagender Erfolg war ihm dabei bislang nicht vergönnt - seine Fledermaus an der Deutschen Oper in Berlin kam ziemlich ins Trudeln und auch seine Wassernymphe Platée findet jetzt an der Semperoper nicht wirklich festen Grund unter ihren Füßen …

Vergrößerung in
neuem Fenster

Die Sächsische Staatskapelle und Christian Thielemann sind gerade mit den Meistersingern bei den Osterfestspielen in Salzburg. Das Wagner-Orchester par excellence hat auch in diesem Ausnahme (bzw. Auswärts-)zustand personell noch so viel Luft, um mit den daheim verbliebenen Musikern mit Jean Philippe Rameaus (1683-1764) Platée das ersten Mal ein Werk auf die Bühne zu bringen, mit dem der Händelzeitgenosse Mitte des 18. Jahrhunderts den Hofstaat des Königs in Versailles zu amüsieren hatte. Es ist die mit ausgiebigen Ballettmusiken gespickte Geschichte einer ziemlich hässlichen Nymphe, mit der sich die Götter einen bösen Scherz erlauben. Jupiter will Platée zum Schein heiraten und sich dabei von seiner eifersüchtigen Gattin Junon erwischen lassen. Der Clou der Geschichte besteht darin, dass dieses Unterfangen allein schon wegen der Hässlichkeit der Nymphe so abwegig ist, dass Junon von ihrer Eifersucht "geheilt" wird. Die tiefe Verletzung der Nymphe wird bei den Göttern als Kollateralschaden verbucht, den man von ihrer olympischen Warte aus vernachlässigen kann.

Vergrößerung in
neuem Fenster

Harald Thor hat eine Art futuristische Stadtlandschaft auf einen Prospekt hinter einen Schulhof gesetzt. Unter einer schrägen Betondecke mit Löchern. Aus denen können Stangen (wie Blitze) oder diverse Götter einschweben. Der Hof kann aber auch im Handumdrehen zum Jahrmarkt mutieren. Bei Villazón wird aus der gefakten Hochzeit ein Fall von Schulhof-Mobbing, der in einem angedeuteten Amoklauf mündet. Oder münden könnte, wenn er denn die Erwachsenen- und nicht die Sesamstraßen-Version der Geschichte auf die Bühne gezappelt hätte. Nimmt man die überdrehte Dynamik der Muppets auf Speed, mit denen sich Platée tröstet und der ADS-Kids auf dem Schulhof am Anfang noch hin, nerven das Dauergewusel und die roten Villazon-Clowns-Nasen im zweiten Teil zunehmend. Sie stehlen sogar der fantastischen - auch allein hinreichend ulkigen und für ihre Koloraturen zurecht mit Szenenapplaus bedachten Inga Kalna als La Folie die Show.

Vergrößerung in neuem Fenster

Wenn Platée weder das Dixi-Klo für Männer noch das für Frauen benutzen darf, dann ist die Inszenierung auf dem Tiefpunkt einer ausgewalzten Variante des missglückten AKK-Faschingswitzes übers Gendern angekommen. Nimmt man aber die Übersetzung von Platées Hässlichkeit in den sympathischen Jungen, der halt gerne Rock trägt und die Haare grün färbt, ernst, dann versteht sich die Schlusspointe (heutzutage) nicht mehr von selbst. Dieser Jupiter, der als junger ausgeflippter Typ Glitzerklamotten und weißblondierte Frisuren liebt und diese/r Platée im Rock passen rein äußerlich jedenfalls nicht weniger gut zusammen als die etwas vornehm reife Göttin und ihr flippig smarter jüngerer Gatte. So von selbst, wie sie alle tun, versteht sich das Lachen Junons am Ende hier jedenfalls nicht.

Vergrößerung in
neuem Fenster

Villazón fällt zur barocken Groteske mit Hintersinn vor allem Baröckchen ein. Mit dem Gebot, sich in jedem Falle zu bewegen. Auch wenn sie dabei hoffnungslos vom Wege abkommen - mit ihrem Gesang halten sie Kurs. Und wie! Ob Andreas Wolf als kraftvoll markiger, aber auch flippiger Jupiter oder Ute Selbig als seine nur kurz aber effektvoll auftauchende Gattin Junon. Mark Milhofer glänzt als wendiger Mercure und Thespis ebenso wie der sonore Sebastian Wartig als Momus und der Bariton Giorgio Caoduro als Cithéron und Satyr. Philippe Talbot schließlich sichert Platée mit seinem wohltimbrierten und beweglichen Tenor die Sympathien des Publikums. Zusammen mit dem von Cornelius Volke einstudierten Chor tröstet der vokale Einsatz der Protagonisten über die von Philippe Giraudeau choreografierte Überdosis Aktionismus über weite Strecken hinweg.

Im Graben tut die Staatskapelle unter Leitung von Paul Agnew so, als wäre sie ein Barockorchester. Beredt und geschmeidig und vor allem in den mitreißenden Ballettmusiken mit einem Esprit, der zündet. Und im speziellen Fall auch über die Szene hinwegtröstet.


FAZIT

Rolando Villazón hat die Inszenierung zwar vergeigt, aber musikalisch ist diese erstmals in Dresden zu erlebende Platée ein Glanzstück geworden.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Paul Agnew

Inszenierung
Rolando Villazón

Bühne
Harald Thor

Kostüme
Susanne Hubrich

Licht
Davy Cunningham

Choreographie
Philippe Giraudeau

Chor
Cornelius Volke

Dramaturgie
Kai Weßler



Sächsischer Staatsopernchor Dresden

Sächsische Staatskapelle Dresden


Solisten

Platée
Philippe Talbot

Cithéron / Satyr
Giorgio Caoduro

Jupiter
Andreas Wolf

Junon
Ute Selbig

Thespis / Mercure
Mark Milhofer

Momus
Sebastian Wartig

Thalie / Clarine
Iulia Maria Dan

La Folie
Inga Kalna

Amour
Tania Lorenzo

Erste Mänade
Katharina Flade

Zweite Mänade
Hyunduk Na



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Sächsische Staatsoper Dresden
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2019 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -