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Musiktheater
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Aida

Opera in vier Akten
Libretto von Antonio Ghislanzoni, nach einem Szenario von Pascha François Auguste Ferdinand Mariette
Musik von
Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 55' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 5. Oktober 2018




Theater Dortmund
(Homepage)
Tod auf dem Nil

Von Thomas Molke / Fotos von Björn Hickmann

Sinnstiftender könne man dieses Wochenende nicht verbringen als mit den Veranstaltungen der Oper Dortmund. Das sind große Worte, mit denen der neue Intendant der Dortmunder Oper, Heribert Germeshausen, das Publikum zur Eröffnungspremiere im Opernhaus begrüßt. In der Tat hat er sich für das Eröffnungswochenende auch einiges vorgenommen: zwei große Opernpremieren, ein musikalisches Projekt in der Dortmunder Innenstadt mit zahlreichen Beteiligten und eine Operngala, die einen Bogen vom Barock bis zum Broadway spannt. Da bleibt wirklich nicht viel Zeit für andere Dinge, wenn man das komplette Angebot wahrnehmen will. Den Anfang macht Giuseppe Verdis Aida, ein Bühnenwerk, das sich musikalisch durch große Massentauglichkeit auszeichnet. In der Regel verbindet man dieses Werk neben dem legendären Triumphmarsch, der unter anderem auch als Fangesang in den Fußballstadien zu hören ist, vor allem mit mal mehr, mal weniger klassischen Freilichtinszenierungen in der Arena di Verona. Bringt man das Werk in einem Opernhaus zur Aufführung, muss sich jeder Regisseur zwangsläufig die Frage stellen, ob der monumentale Charakter der Oper beibehalten oder bewusst dagegen inszeniert werden soll, um andere Schichten des Stückes aufzudecken. Von daher ist es natürlich einerseits sehr spannend, einen solchen Brocken an den Anfang einer Spielzeit unter neuer Leitung zu stellen, birgt andererseits aber auch ein gewisses Risiko.

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Aida (Elena O'Connor) und ihr Vater Amonasro (Mandla Mndebele, Mitte) als Gefangene des Königs von Ägypten (Denis Velev, vorne rechts, dahinter Shavleg Armasi als Oberpriester Ramfis und der Opernchor als ägyptisches Volk)

Das Regie-Team um Jacopo Spirei ist sich wohl nicht so ganz schlüssig, welchen Weg es gehen will, und so wird weder der kammerspielartige Charakter des Stückes in den Figurenkonstellationen durch eine deutlich erkennbare Personenregie herausgearbeitet, noch auf großen Pomp in den Massenszenen gesetzt. Die Inszenierung droht, in eine gewisse Beliebigkeit abzudriften. Das äußert sich beispielsweise in den Kostümen, für die Sarah Rolke verantwortlich zeichnet und die einen Mix aus Moderne und golden glitzernder Kostümparty darstellen. Während man bei den ägyptischen Befehlshabern in ihren dunkelblauen Anzügen und dem Militär mit Maschinengewehren den Eindruck gewinnt, dass die Geschichte in der heutigen Zeit angesiedelt sein soll, scheinen die glitzernden Roben der Damen mit dem teilweise aufwendigen Kopfschmuck eher in die Vergangenheit zu weisen, ohne dabei eine klare Struktur erkennen zu lassen. Teilweise spiegeln die goldenen Kleider mit den schwarzen Perücken den Glanz des alten Ägypten wider, teilweise erinnern die Kostüme dabei an die Goldenen Zwanziger. Die äthiopischen Sklaven heben sich in langen orangefarbigen Sackgewändern deutlich vom Rest ab. Warum die männlichen Sklaven im zweiten Akt von den sehr selbstbewusst auftretenden Ägypterinnen als Lustknaben vernascht werden, und die Sklavinnen im ersten Akt bei den Kriegsrufen der Ägypter von den Befehlshabern misshandelt werden, erschließt sich nicht wirklich.

Der ägyptische König tritt als Rockstar in goldenem Glitzer-Outfit auf und lässt sich von seinen weiblichen Untertanen mit großem Hype feiern. Autorität strahlt er dabei eigentlich nicht aus. Auch wirkt er optisch viel zu jung, um bereits eine erwachsene Tochter zu haben, mit der es Rolke kostümtechnisch nicht gerade gut meint. So wird Hyona Kim als Amneris in größtenteils recht unvorteilhafte Roben gezwängt. Vielleicht soll sie das für Radamès noch unattraktiver im Vergleich zur relativ schlicht gekleideten Sklavin Aida machen.

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Aida (Elena O'Connor) und ihr Vater Amonasro (Mandla Mndebele, rechts) versuchen, Radamès (Hector Sandoval, Mitte) zum Verrat der Heimat zu überreden. Dabei werden sie von Amneris (Hyona Kim, im Hintergrund) belauscht.

Der Vorhang öffnet sich in Form eines schwarzen Dreiecks, was einerseits ermöglichen soll, einzelne Figuren beim Öffnen und Schließen des Vorhangs zu isolieren und hervorzuheben, andererseits in der Form an eine Pyramide erinnert, was für Ägypten ja nicht ganz unpassend ist. Nikolaus Webern konzipiert die Bühne zunächst als einen schmalen, nach hinten abgeschlossenen Raum mit höhenverstellbarer Decke, so dass gerade zu Beginn auch eine gewisse Enge erzeugt werden kann, um die Not der Figuren zu unterstreichen. Der Königspalast ist mit einem länglichen Tisch und schwarzen Stühlen modern und relativ schlicht gehalten, während Amneris' Zimmer im zweiten Akt etwas opulenter ausgestattet wird. Für den Aufmarsch der siegreichen Ägypter öffnet sich dann die Bühne nach hinten. Hohe, recht schlicht wirkende Wände werden gedreht und erzeugen mit einer spiegelnden Oberfläche eine ungemeine Tiefe, die zwischen Pomp und Abstraktion changiert. Nach der Pause ist die Bühne zum Teil geflutet. Soll das der Nil sein, durch den die Figuren im dritten Akt dann permanent waten müssen? Die schräg angeordneten hohen Stellwände gewähren einen kleinen Einblick in den dahinter liegenden Tempel und lassen die Figuren bewusst klein und verloren erscheinen. Wenn Radamès zum Tod verurteilt wird, befindet sich ein quadratisches Podest im Wasser, das für das unterirdische Grab stehen soll. Aus dem Schnürboden werden Plexiglaswände herabgelassen, die Radamès und Aida allmählich auf diesem Block einschließen und dabei interessante Lichtspiele durch das sich reflektierende Wasser werfen.

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Amneris (Hyona Kim) will Radamès (Hector Sandoval) retten, doch er ist nicht bereit, Aida aufzugeben.

Die Inszenierung des Triumphmarsches birgt immer gewisse Schwierigkeiten, wenn man nicht auf großen Pomp mit opulenten Kostümen und Pferden oder Elefanten setzt. Auch der von Fabio Mancini stimmgewaltig einstudierte Opernchor weiß in dieser Szene nicht allzu viel mit sich anzufangen. Alkoholisierte Frauen müssen etwas peinlich berührte Priester in roten und weißen Gewändern dazu animieren zu tanzen. Der König zeichnet schwarz gewandete Statistinnen für den Verlust ihrer Ehemänner mit einem Orden aus und rekrutiert direkt deren zum Kampf bereiten Kinder. Ist es Absicht, dass kurz darauf die gleichen Statistinnen mit ihren Kindern als äthiopische Gefangene in grauen Lumpen vorgeführt werden? Bei den Solisten fehlt zum großen Teil eine deutliche Personenführung von Seiten der Regie, oder sie wird von ihnen nicht umgesetzt. Jedenfalls enden einzelne Szenen häufig im Rampensingen, und auch untereinander hat man das Gefühl, dass nicht wirklich miteinander gespielt wird. Hector Sandoval gefällt sich als Feldherr Radamès häufig in extrovertierten Posen und findet erst ganz zum Schluss mit der von ihm geliebten Aida im Tod zu einem Moment der Innigkeit. Seinen Tenor führt er dabei sehr diszipliniert und ohne zu Forcieren. In den hohen Tönen am Ende von "Celeste Aida" muss er allerdings in die Kopfstimme ausweichen. Gleiches gilt für das Duett mit Hyona Kim als Amneris im vierten Akt.

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Vereint im Tod: Aida (Elena O'Connor) und Radamès (Hector Sandoval)

Kim begeistert als Pharaonentochter mit sattem Mezzo und durchschlagenden dramatischen Höhen. Leider bleibt sie szenisch zu Beginn des vierten Aktes, wenn sie um das Schicksal ihres Geliebten bangt, etwas blass und weiß bei großartigem Gesang szenisch nicht so recht etwas mit sich anzufangen. Absolut verschenkt wird szenisch auch der Schluss, bei dem sie mit sanften "Pace"-Rufen das Duett der beiden Liebenden untermalt. Hier tritt sie einfach ins Wasser neben den Block, auf dem sich Radamès und Aida befinden, und wirkt recht emotionslos, so dass ihre Rufe nicht unter die Haut gehen. Elena O'Connor stattet die Titelpartie mit einem flexiblen Sopran aus, der sowohl in den dunklen Passagen großes Volumen besitzt, als auch in den Höhen zu strahlen vermag. So avancieren sowohl ihre Arie im ersten Akt, "Ritorna vincitor", in der die innere Zerrissenheit zwischen ihrer Liebe zum feindlichen Feldherrn und der Trauer um ihr bekämpftes Vaterland zum Ausdruck kommt, als auch ihre große Arie "O patria mia" im dritten Akt, wenn sie noch einmal von Äthiopien träumt, das sie nun nie mehr wiedersehen wird, zu musikalischen Glanzpunkten des Abends. Im Schlussduett mit Sandoval haucht sie bewegend in klaren Höhen ihr Leben aus. Shavleg Armasi punktet als Oberpriester Ramfis mit profundem Bass. Mandla Mndebele gibt als Amonasro mit kräftigem Bariton, der vor allem im großen Duett mit seiner Tochter im dritten Akt zur Geltung kommt, wenn er seine Tochter beschwört, Radamès zum Verrat am eigenen Volk zu bewegen, einen viel versprechenden Einstand in Dortmund. Gleiches gilt für Denis Velev als König von Ägypten, der der Figur zumindest stimmlich mit dunklem Bass die nötige Autorität verleiht.

Gabriel Feltz lotet mit den Dortmunder Philharmonikern die zarten Seiten der Partitur filigran aus und punktet vor allem bei der Ouvertüre, die bei Freilichtaufführungen ohne technische Verstärkung ihren Glanz häufig nicht voll entfalten kann. Die Abstimmung zwischen Orchester und Solisten ist an einzelnen Stellen allerdings noch ein bisschen ausbaufähig. Gerade im Duett zwischen Radamès und Amneris im vierten Akt gewinnt man den Eindruck, dass die Sänger und das Orchester in den Tempi nicht exakt übereinander liegen. Durch die bombastischen Stellen führt Feltz das Orchester mit sicherer Hand, was sich vor allem bei den berühmten Trompeten des Triumphmarsches auszeichnet, die so positioniert sind, dass der Klang sehr raumfüllend gestaltet wird. So gibt es für das Orchester, den Chor und die Solisten einhelligen Jubel. Beim Regie-Team mischen sich einige Unmutsbekundungen in den Applaus. Da hätte man sich wohl eine klarere Struktur gewünscht.

FAZIT

Szenisch ist diese Aida zwar nicht der ganz große Wurf, allerdings auch kein Ärgernis. Musikalisch kann der Auftakt der neuen Spielzeit als gelungen betrachtet werden.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
*Gabriel Feltz /
Philipp Armbruster

Regie
Jacopo Spirei

Bühne
Nikolaus Webern

Kostüme
Sarah Rolke

Chor
Fabio Mancini

Licht
Florian Franzen

Dramaturgie
Merle Fahrholz
Laura Knoll

 

Dortmunder Philharmoniker

Opernchor Theater Dortmund

Statisterie Theater Dortmund

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Aida, eine äthiopische Sklavin
Kelebogile Besong /
*Elena O'Connor

Radamès, Feldherr
Hector Sandoval

Amneris, Königstochter
Hyona Kim

Ramfis, Oberpriester
*Shavleg Armasi /
Karl-Heinz Lehner

Amonasro, König von Äthiopien und Aidas Vater
Mandla Mndebele

Il Re, der König von Ägypten
Denis Velev

Una Sacerdotessa, eine Oberpriesterin
*Natascha Valentin /
Vera Fischer

Un Messagero, ein Bote
Fritz Steinbacher

 


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