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Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat

Musical in zwei Akten
Gesangstexte von Tim Rice
Musik von Andrew Lloyd Webber

in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 50' (eine Pause)

Ein Projekt der jungen Oper Dortmund mit dem Märkischen Gymnasium Iserlohn und der Musikschule Dortmund

Premiere im Opernhaus Dortmund am 10. Juli 2019




Theater Dortmund
(Homepage)
Versöhnung gegen Ausgrenzung

Von Thomas Molke / Fotos von Björn Hickmann (© Stage Picture)

Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat zählt zu den Frühwerken des britischen Erfolgskomponisten Andrew Lloyd Webber. Ursprünglich handelte es sich um eine musikalische biblische Erzählung von nur etwa 25 Minuten Dauer, die vom Kirchenchor der Colet Court School in London am 1. März 1968 ihre Welturaufführung erlebte. Die Resonanz war so positiv, dass bereits ein Jahr später eine Aufnahme veröffentlicht wurde. Nach dem großen Erfolg mit Jesus Christ Superstar 1970 beschloss Webber, das Stück zu einer abendfüllenden Bühnenversion auszuweiten, die beim Edinburgh Festival am 21. August 1972 als Teil von Bible One: Two Looks at the Book of Genesis durch die Young Vic Company zur Aufführung gelangte. Ein Jahr später folgte die Premiere der West-End-Produktion im Albery Theatre. Den absoluten Durchbruch erlebte das Werk dann mit dem Popstar Andy Gibb in der Broadway-Version 1982. Im weiteren Verlauf entwickelte sich das Stück zu einem beliebten Kinder-Musical, das an Schulen in aller Welt zur Aufführung kam. 1991 schuf Webber eine überarbeitete Fassung, die als Tourneeproduktion in Europa und den USA gezeigt wurde. Wegen des umfangreichen Einsatzes des Kinderchors ist das Stück aber immer noch bei Schul- und Amateurtheatern beliebt, so dass die Oper Dortmund zum Ende der Spielzeit nun erneut in Zusammenarbeit mit dem Märkischen Gymnasium Iserlohn und dem Opernclub Tortugas die alttestamentarische Geschichte an zwei Tagen auf die große Bühne des Opernhauses bringt. Begleitet wird das Projekt von der Band Orange Groove, die bereits im letzten Jahr bei Linie 1 zum Einsatz kam (siehe auch unsere Rezension), und einem eigens gegründeten Projektorchester.

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Der junge Joseph (Jonathan Pannek) wird von seinen Mitschülern ausgegrenzt.

Die biblische Geschichte von Joseph, der von seinen Brüdern verkauft wird und als Berater beim ägyptischen Pharao landet, wo er Karriere macht und als erfolgreicher Mann erneut auf seine Brüder trifft, die sich Hilfe suchend an Ägypten gewendet haben, wird in der Inszenierung von Alexander Becker in eine Mobbing-Geschichte an einer Schule eingebettet. Nachdem ein Lehrer den Schülerinnen und Schülern in einem Klassenzimmer eine Kurzfassung der Joseph-Geschichte als Zeichentrickfilm gezeigt hat, sieht man einen Schüler (Jonathan Pannek), der von dem Rest der Klasse ausgegrenzt und gequält wird. Eine Lehrerin (Lisa Pauli) versucht, den Jungen vor den Übergriffen der Klassenkameraden zu schützen, hat zunächst dabei allerdings keinen allzu großen Erfolg. Folglich schlüpft sie in die Rolle der Erzählerin und steigt mit dem Prolog in die eigentliche Musical-Handlung ein. Der junge Joseph singt vor der Bühne vor einer herabgelassenen Leinwand, auf der sein Gesicht in Großaufnahme zu sehen ist, Josephs berühmten Song "Any Dream Will Do". Die Mimik des Jungen zeigt in der Großaufnahme die große Anspannung, der der Junge durch die ständigen Anfeindungen seiner Mitschülerinnen und Mitschüler ausgesetzt ist. Ein rothaariges Mädchen übernimmt hier eine führende Rolle und jagt den Jungen mit den anderen Schülerinnen und Schülern von der Bühne.

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Joseph (Lennart Pannek, rechts) gewinnt beim Pharao (Felix Kriewald, links) großes Ansehen (in der Mitte: Erzählerin (Lisa Pauli)).

Nachdem der Junge von der Bühne gelaufen ist, beginnt die eigentliche Geschichte. Joseph tritt nun als erwachsener junger Mann auf und präsentiert sich seinen Brüdern gegenüber als Jakobs Lieblingssohn sehr überheblich. Da verwundert es nicht, dass sie ihm keine Sympathie entgegenbringen. Die elf Brüder wirken in den knallbunten Kostümen von Annika Haller wie eine verruchte Gang, die einen Schulhof unsicher macht und vom Lehrpersonal schwer im Zaum gehalten werden kann. Der "Technicolor Dreamcoat", den Joseph als Geschenk seines Vaters erhält, ist eine farbige Lederjacke, die an einen Rockstar erinnert. Dass die Brüder darauf neidisch sein sollen, erschließt sich nicht ganz, da sie selbst ja ebenfalls sehr auffällig gekleidet sind. Mit diversen Drogen machen sie den Bruder high, ziehen ihn bis auf die Unterhose aus und verschachern ihn anschließend an zwei Ismaeliten, die ihn nach Ägypten bringen, wo er zunächst beim Großgrundbesitzer Potiphar landet. Ob man Lennart Pannek als Joseph die ganze Zeit wirklich halbnackt über die Bühne laufen lassen muss, um zu motivieren, dass sich Potiphars Frau in ihn verguckt, ist Ansichtssache. Auf diese Weise wirkt er, bis er vom Pharao im zweiten Akt schließlich in einen goldenen Anzug gekleidet wird, sehr verletzlich. Mit dunkler Sonnenbrille präsentiert er sich den Brüdern gegenüber anschließend aber sehr cool und nimmt so Rache für das damals erlittene Unrecht.

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Joseph (Lennart Pannek, links) gibt sich seinen Brüdern (Ensemble, rechts) zu erkennen und verzeiht ihnen.

In der Mitte des Stückes wird die biblische Ebene verlassen, und die Inszenierung kehrt in den Schulalltag zurück. Die Lehrerin / Erzählerin versucht, den jungen Joseph und seine Mitschüler durch die biblische Geschichte zum Umdenken zu bewegen. Doch zunächst sind ihre Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt. Das rothaarige Mädchen scheint einen kleinen Moment einzulenken und schenkt dem Jungen ein Lächeln, bevor sie ihn erneut attackiert. Umso unvermittelter folgt dann das Ende. Als Joseph sich mit seinen Brüdern ausgesöhnt hat und erneut das berühmte "Any Dream Will Do" anstimmt, sieht man den Jungen allein an der Bühnenrampe. Das rothaarige Mädchen tritt von links auf und blutet aus der Nase. Wie in Trance geht sie auf den Jungen zu und nimmt ihn ganz unvermittelt in den Arm. Zunächst schreckt der Junge ängstlich zurück. Doch dann erwidert er die Umarmung und wischt ihr zärtlich das Blut aus dem Gesicht. Gemeinsam verlassen sie die Bühne und kehren in den Klassenraum zurück. Erneut sieht man in einer Videoprojektion den jungen Joseph, jetzt mit einem entspannten Lächeln, während ihn scheinbar Farbbeutel als Anspielung auf "Technicolor" treffen.

Musikalisch begeistert das Stück durch eine Vielzahl von Parodien und Hommagen an bekannte Musiker und Musikstile der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Da ist zunächst "One More Angel in Heaven" zu nennen, in dem Josephs Brüder Jakob im Stil eines Country-Songs über den Verlust seines Lieblingssohns hinwegzutrösten versuchen. Dabei wird die Ironie von den elf Sängern wunderbar transportiert. Gleiches gilt für das großartige "Those Canaan Days" im zweiten Akt, in dem die Brüder als Parodie auf ein französisches Chanson der guten alten Zeit nachtrauern. Überzeugend gelingt Felix Kriewald als Pharao die Elvis-Presley-Imitation, auch wenn er nicht als Elvis-Double auftritt, sondern ganz klassisch als Pharao kostümiert ist. Mit dunkler Stimme fängt er den rockigen Sound im "Song of the King" wunderbar ein und bringt das Publikum zum Jubeln. Einen weiteren musikalischen Höhepunkt stellt der Song "Benjamin Calypso" dar, der als Anspielung auf Harry Belafonte zu sehen ist. Hier setzen sich die Brüder für ihren Bruder Benjamin ein, der von Joseph beschuldigt wird, einen goldenen Krug gestohlen zu haben. Auch hier zeigen die Brüder große Spielfreude und stimmliche Flexibilität. Dass Joseph und der Junge von den beiden Brüdern Lennart Pannek und Jonathan Pannek dargestellt werden, verbindet die beiden Erzählebenen der Inszenierung auch optisch sehr gut. Lennart Pannek macht als Joseph stimmlich und darstellerisch eine gute Figur. Jonathan Pannek stellt als junger Joseph den gemobbten Schüler glaubhaft dar.

Lisa Pauli wird der anspruchsvollen Rolle der Erzählerin stimmlich ebenfalls gerecht. Der Opernclub Tortugas und der Chor des Märkischen Gymnasiums Iserlohn überzeugen durch homogenen Klang und große Spielfreude. Christoph JK Müller rundet mit der Band Orange Groove und dem eigens gegründeten Projektorchester durch einen flotten Klang aus dem Orchestergraben die Aufführung adäquat ab, so dass es für alle Beteiligten großen Jubel gibt und in einem Megamix am Ende noch einmal die einzelnen Songs aufgegriffen werden.

FAZIT

Mit Produktionen dieser Art dürfte man die Begeisterung junger Menschen für das Theater wecken. Schade, dass dieses Stück nur insgesamt dreimal aufgeführt wird.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christoph JK Müller

Regie
Alexander Becker

Ausstattung
Annika Haller

Choreographie
Jutta Maas

Video
David Martinek

Licht
Stefan Schmidt

Chor
Thorsten Menne
Stefan Klute

Dramaturgie und Projektleitung
Heike Buderus

 

Orange Groove (Musikschule Dortmund)

Projekt-Orchester Joseph

Opernclub Tortugas

Chor des MGI

 

Solisten

Erzählerin
Lisa Pauli

Joseph
Lennart Pannek

Junger Joseph
Jonathan Pannek

Jacob / Potiphar
Thomas Holznienkemper

Mrs Potiphar
Sabine Flora

Pharao
Felix Kriewald

Judah
Marlon Otto

Simeon
Dominik Wessolly

Naphtali
Massimo Buonerba

Zebulon
Mirko Allermann

Dan
Felix Kriewald

Ruben
Eteeyen Ita

Benjamin
Jacob Ambrosius

Gad / Butler
Mattis Markmann

Levi
Malte Beran Kosan

Ascher / Bäcker
Christopher Brotzki

Issachar
Florian Dohn

Diverse
Christian Harnisch /
Bjarne Gedrath

 


Weitere
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Theater Dortmund
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Da capo al Fine

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