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Musiktheater
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MusiCircus

Klangprojekt von der Dortmunder Innenstadt bis ins Opernfoyer
nach einer Idee von John Cage

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (keine Pause)

Barock bis Broadway

Willkommenskonzert zur Spielzeiteröffnung 2018/19 im Anschluss an MusiCircus

Aufführungsdauer: ca. 1h 45' (keine Pause)

Aufführung im Opernhaus Dortmund am 6. Oktober 2018




Theater Dortmund
(Homepage)
Musikstadt Dortmund

Von Thomas Molke / Fotos: © Anke Sundermeier (Stage Picture)

Einen Tag nach der Premiere mit Verdis Aida geht das Eröffnungswochenende unter der Leitung des neuen Opernintendanten Heribert Germeshausen mit einem Projekt der besonderen Art weiter, dass nicht nur rund 800 Mitwirkende aus über 50 Ensembles in und um Dortmund mit einbezieht, sondern auch in und für die Dortmunder Innenstadt konzipiert ist. Ohne Eintritt kann nämlich jeder vom Westenhellweg über den Friedensplatz durch den Stadtgarten bis zum Opernvorplatz und ins Opernfoyer die ganze musikalische Vielfalt der Stadt erleben. Umgesetzt hat dieses Projekt die Musikkünstlerin Sigune von Osten, die mittlerweile zum fünften Mal einen MusiCircus gestaltet. Die Idee stammt von dem amerikanischen Komponisten John Cage. Leute werden aus den verschiedensten künstlerischen Richtungen eingeladen, zur gleichen Zeit am gleichen Ort zu spielen. Dabei arbeiten alle beteiligten Ensembles mit ihrem eigenen Repertoire, das zu einem riesigen Klangspektakel zusammengesetzt wird. Für Puristen ist das natürlich nichts, da man kaum einen Beitrag "ungestört" hören kann, sondern aus allen Richtungen weitere Geräusche erklingen. Dass dieses Konzept in Dortmund aufgeht, ist nicht zuletzt dem hervorragenden Wetter zu verdanken, das sich an diesem Tag noch einmal richtig spätsommerlich zeigt und damit auch ein Faktor ist, genügend interessiertes Publikum zu mobilisieren, zumal in der Fußballstadt Dortmund parallel der BVB ein Heimspiel gegen Augsburg zu bestreiten hat. Letzteres ist auch der Grund, wieso sich von Osten bei ihrem MusiCircus auf nur fünf Spielstätten beschränken musste.

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"Ballett der Straßenreiniger" auf dem Friedensplatz

Einen kleinen Kritikpunkt verdient die mangelnde Information. Während bei der Ankündigung im Internet von einem Beginn auf dem Friedensplatz um 16.00 Uhr gesprochen wird, erfährt man aus dem Programmflyer, den man in der Regel aber erst während der Veranstaltung erhält, dass der "erste Satz" - von Osten nennt ihn "Intrada breve" - bereits am Westenhellweg um diese Zeit beginnt und es am Friedensplatz erst um 16.30 Uhr weitergeht. Auf dem an einem Samstagnachmittag sehr belebten Westenhellweg bedarf es auch einiger Mühe, die Brass Connection zu finden, die um 16.00 Uhr zwischen St. Petri-Kirche und Saturn den Startschuss gibt. Im Gewimmel der Straße geht dieser Beginn nahezu unter. Auch der Weg zum Friedensplatz wird nur unzureichend motiviert. Die meisten Passanten, die wahrscheinlich nur zufällig vorbeigekommen sind, werden somit nicht eingefangen, die Veranstaltung weiter zum Friedensplatz zu begleiten. Hier hätte man sich eine deutlichere musikalische Begleitung zum nächsten Veranstaltungsort gewünscht. Von dort an läuft es aber sehr rund. Auf dem Friedensplatz haben sich in unterschiedlichen Bereichen zahlreiche Ensembles versammelt, die um 16.30 Uhr den "zweiten Satz", "Furioso", beginnen. Hier setzen sich vor allem die zahlreichen Trommler-Gruppen und das Calypsonic Steel Orchestra durch und übertönen andere Ensembles. Der sehr motivierende SING-MIT-Projektchor der Theater- und Konzertfreunde Dortmund zieht da leider den Kürzeren, obwohl er weit entfernt von den Trommlern steht. Von vier Seiten "treten" Fahrzeuge der THW "auf" und erzeugen mit ihren Martinshörnern einen riesigen Lärm. Um den Obelisken in der Mitte der Säule fahren Straßenreinigungsfahrzeuge im Kreis und vollführen eine Art Ballett. Straßenreiniger fegen den Platz und machen in bestimmten Abständen mit ihren Besen Klopfgeräusche. In der Mitte sieht man von Osten, die die ganzen scheinbar willkürlichen Klänge koordiniert.

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Klassik auf dem Opernvorplatz

Weiter geht es dann durch den Stadtgarten im "dritten Satz", dem "Allegro alla marcia". Hier präsentieren sich vor allem Folklore-Tanzgruppen und kleinere Chöre. Eine weitere Trommler-Gruppe führt dann den Weg an zum Opernvorplatz, wo der "vierte Satz" - von Osten nennt ihn "Grandioso" - stattfindet. Hier wird auch für das leibliche Wohl der Besucher gesorgt. Zunächst übertönen erneut die Trommler die anderen musikalischen Darbietungen. So ist es beispielsweise sehr schwer den Händel-Klängen eines Orchesters zu lauschen. Erst nachdem die Trommler aufgehört haben, kann man sich auf einzelne interessante Darbietungen, wie beispielsweise das Spiel der zwei Piano Boys an einem Klavier, konzentrieren. Der SING-MIT-Projektchor der Theater- und Konzertfreunde Dortmund macht dann unter dem Vordach der Oper seinem Namen noch einmal alle Ehre und lädt die Zuhörer zum Mitsingen auf ihrer "Italien-Reise" ein. Da entsteht bei den "Capri-Fischern" oder dem "Chianti-Wein" schon ein echtes Gemeinschaftsgefühl. Vom Opernvorplatz geht es dann ins Opernfoyer zum "letzten Satz", dem "Dolce diminuendo". Das ganze Foyer ist mit zahlreichen Ensembles bevölkert, die überall ihr Repertoire in einem bestimmten zeitlichen Ablauf präsentieren. Da kann man das Akkordeon-Orchester Recklinghausen e. V. neben dem Querflötenensemble "Traverso molto" der Musikschule Dortmund, dem Bezirkszupforchester Dortmund, dem Jazz Ensemble der Glen Buschmann Jazz Akademie Dortmund und zahlreichen anderen Ensembles und einzelnen Musikern hören. Auch für das Kinderballett Barbara Richter ist eine kleine Bühne im Foyer aufgebaut. Man mag von diesen zahlreichen Eindrücken ein wenig erschlagen werden, aber dennoch spürt man ein Gefühl der Verbundenheit in diesem verwirrenden Klangkosmos. Dortmund ist eben nicht nur Fußball-, sondern auch Musikstadt.

Vom MusiCircus geht es nahtlos in das Willkommenskonzert im Saal über, das den Titel Barock bis Broadway trägt. Intendant Germeshausen nutzt diesen Abend, um dem Publikum im Bühnenbild der Aida die Teile des Ensembles vorzustellen, die noch nicht einen Tag zuvor in der Premiere zu erleben waren. Dabei führt er souverän und wortgewandt durch den kurzweiligen Abend und rührt mit dem Programm auch kräftig die Werbetrommel für das, was in der kommenden Spielzeit in Dortmund noch auf dem Spielplan steht. Philipp Armbruster eröffnet mit den Dortmunder Philharmonikern den Abend sehr schmissig mit der Ouvertüre aus Leonard Bernsteins Oper Candide. Später ertönen dann noch Ausschnitte aus Bernsteins West Side Story, die bereits einen Vorgeschmack auf die am 24. November 2018 stattfindende Premiere geben. Neben den Moderationen sucht Germeshausen auch das Gespräch zu Sigune von Osten, um den von ihr erfolgreich umgesetzten MusiCircus Revue passieren zu lassen, plaudert mit dem argentinischen Bariton und neuen Ensemblemitglied Matias Tosi über dessen Wunsch, Fußballspieler zu werden, bevor er sich entschied, den Weg des Opernsängers einzuschlagen, und fragt Publikumsliebling Morgan Moody, der zu den wenigen Ensemble-Mitgliedern gehört, die Germeshausen aus dem Team von Jens-Daniel Herzog übernommen hat, nach dem "Rezept für seinen Erfolg auf der Bühne".

Als Gast ist an diesem Abend der Tenor Mirko Roschkowski eingeladen, der als gebürtiger Dortmunder noch nie in der Dortmunder Oper auf der Bühne gestanden hat. Germeshausen verspricht, dass Roschkowski in der nächsten Spielzeit für eine Partie engagiert werde, verrät allerdings noch nicht, worum es sich dabei handelt. Sollte es die Partie des Hoffmann aus Offenbachs Les conte d'Hoffmann sein? An diesem Abend präsentiert Roschkowski die berühmte "Légende de Kleinzach" stimmlich und darstellerisch nämlich so glänzend, dass das Publikum in frenetischen Jubel ausbricht und eine Zugabe fordert. Die erfolgt dann am Ende mit der berühmten Tenor-Arie "Freunde, das Leben ist lebenswert" aus Lehárs selten gespielter Oper Giuditta.

Auch den neuen Ensemble-Mitgliedern gelingt an diesem Abend ein guter Einstand. Die junge Mezzosopranistin Aytaj Shikhalizada aus Aserbaidschan, die ab Sonntag als Rosina in Rossini Il barbiere di Siviglia zu erleben sein wird, präsentiert wie bereits im Rahmen der Cityring-Konzerte vor einem Monat auf dem Friedensplatz die berühmte Arie der Rosina "Una voce poco fa", die man meistens in der Sopranfassung kennt und die zum gängigen Repertoire zahlreicher Koloratursopranistinnen gehört. Mittlerweile geht man aber dazu über, diese Partie in der Fassung für einen Mezzosopran singen zu lassen, für den Rossini die Rolle auch ursprünglich komponiert hat. Shikhalizada macht mit beweglichen Läufen deutlich, dass auch eine dunklere, dabei aber sehr flexible Stimme die Gewitztheit des jungen Mädchens hervorragend zum Ausdruck bringen kann. Dabei begeistert sie nicht nur mit einer samtweichen Mittellage, sondern verfügt auch in den Spitzentönen über enorme Strahlkraft. Große Beweglichkeit in der Stimme präsentiert sie an diesem Abend auch in ihrer ersten Arie aus Händels Pasticcio Oreste. Sunnyboy Dladla gibt mit weichem Tenor in der Arie "Ecco ridente in cielo" einen Vorgeschmack auf seine Interpretation des Grafen in Rossinis Il barbiere di Siviglia.

Die Sopranistin Stéphanie Müther wird in Dortmund ihr Debüt als chinesische Prinzessin Turandot in Puccinis gleichnamiger Oper ab Februar 2019 geben. Einen fulminanten Einstieg gab sie bereits im Rahmen der Cityring-Konzerte vor einem Monat mit der Arie "In questa reggia". Nun präsentiert sie sich mit "Vissi d'arte", der berühmten Arie der Tosca aus Puccinis gleichnamiger Oper, und dem "Vilja-Lied" aus Lehárs Die lustige Witwe und punktet erneut mit kräftigen Spitzentönen und rundem Sopran. Morgan Moody gibt mit seinen Nummern einen Rückblick auf das, was er in Dortmund bereits alles gesungen hat, begeistert mit großem Spielwitz als Leporello in der großen Katalog-Arie aus Mozarts Don Giovanni und stellt seine Vielseitigkeit unter Beweis, wenn er mit "So in Love" erneut in die Rolle des Fred Graham aus Cole Porters Musical Kiss me, Kate schlüpft, in dem er neben Emily Newton als Katharina große Erfolge gefeiert hat. Matias Tosi begeistert mit der Arie des Gérard aus Umberto Giordanos Oper Andrea Chénier, "Nemico della patria", mit ausdrucksstarkem Bariton und punktet beim "Tango uno" durch große Leidenschaft.

Die Dortmunder Philharmoniker präsentieren noch als Nachschlag zur gestrigen Premiere die Ballettmusik aus Verdis Aida, die hinter dem Triumphmarsch steht und in der Dortmunder Inszenierung gestrichen wurde. Zum Abschluss des musikalisch ereignisreichen Tages gibt es zum Triumphmarsch aus Aida auf dem Dach der Oper noch ein großartiges Feuerwerk, dass diese absolut gelungene Doppelveranstaltung gebührend ausklingen lässt.

FAZIT

Heribert Germeshausen unterstreicht mit dem MusiCircus, welche bedeutende Rolle die Musik in der Fußballstadt Dortmund spielt und präsentiert ein gelungenes Willkommenskonzert, das ihm eine herzliche Aufnahme in Dortmund bescheren dürfte.

Programm des Konzertes

Leonard Bernstein: Ouvertüre zu Candide

Georg Friedrich Händel: "Agitato da fiere tempeste" aus Oreste (Aytaj Shikhalizada)

Wolfgang Amadeus Mozart: "Madamina, il catalogo è questo" aus Don Giovanni (Morgan Moody)

Gioachino Rossini: "Ecco ridente il cielo" aus Il barbiere di Siviglia (Sunnyboy Dladla)

Giacomo Puccini: "Vissi d'arte" aus Tosca (Stéphanie Müther)

Giuseppe Verdi: Ballabile aus Aida

Umberto Giordano: "Nemico della patria" aus Andrea Chénier (Matias Tosi)

Gioachino Rossini: "Una voce poco fa" aus Il barbiere di Siviglia (Aytaj Shikhalizada)

Jacques Offenbach: "Légend de Kleinzach" aus Les conte d'Hoffmann (Mirko Roschkowski)

Franz Lehár: "Vilja-Lied" aus Die lustige Witwe (Stéphanie Müther)

Leonard Bernstein: Ausschnitte aus West Side Story

Anonym: "Tango uno" (Matias Tosi)

Cole Porter: "So in Love" (Arr. Matthias Grimminger) aus Kiss me, Kate (Morgan Moody)

Franz Léhar: "Freunde, das Leben ist lebenswert" aus Giuditta (Mirko Roschkowski)

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Philipp Armbruster

Moderation
Heribert Germeshausen

 

Dortmunder Philharmoniker

 

Solisten

Stéphanie Müther
Aytaj Shikhalizada
Sunnyboy Dladla
Morgan Moody
Mirko Roschkowski
Matias Tosi

 

MusiCircus

Künstlerische Leitung
Sigune van Osten

Mitwirkende
Akkordeon-Orchester Recklinghausen e. V.
Barbers' Delight
Bezirkszupforchester Dortmund
Brass Connection
Café Global
Calypsonic Steel Orchestra
Carina Born
Chor Provokal
Dassiragi
der andere chor herdecke
Detlev Noll
Echo vom Zürichhorn
Flaschenklänge
FMIDS - Forum Indonesia
Four and more
Gitarrenensemble der TU Dortmund
Ilva Stumbina-Koehne
Internationale Folklore Tanzgruppe
Jazz Ensemble der Glen Buschmann
Jazz Akademie Dortmund
Kinderballett Barbara Richter
Matthias Loibner
Memi Kartina
Musical- und Tanzklassen der
städtischen Musikschule Hamm
Norbert Brandes
Posaunenchor Aplerbeck
Pung-Mul-Ban
Reha- und Behindertensport
Gemeinschaft Dortmund 51 e. V.
Roland Techet
Saxophonensemble der
Dortmunder Musikschule
Schulorchester der
Gesamtschule Gartenstadt
Sekt und Selters
SING-MIT-Projekt Chor der
Theater- und Konzertfreunde Dortmund
Stringtime
"Tafelchor" der Dortmunder Tafel e. V.
Tanzgruppe "dancebaroque" der
Gesamtschule Gartenstadt
Tanzgruppe "Licanray"
Tanztheaterprojekt der
VHS Dortmund und Freunde
Technisches Hilfswerk
Ortsverband Dortmund
The Piano Boys
Tony Liotta
"Traverso molto" der Musikschule Dortmund
Vokalensemble Bailar
Wu Wei
"Zeybek-Kinder" des
Türkischen Bildungszentrums
u. a.
 

 


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Informationen

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Theater Dortmund
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