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Oper ist öde, Rap ist cool
Von Stefan Schmöe / Fotos von Birgit Hupfeld
Die Idee ist ganz ausgezeichnet: Drei Theater - die Opern in Bonn, Dortmund sowie die Rheinoper Düsseldorf/Duisburg - tun sich zusammen und vergeben Kompositionsaufträge für Opern, die sich an ein junges Publikum wenden. Verlangt sind großformatige Werke mit Orchester, die auf der Hauptbühne gespielt werden (allzu oft fristen sonst die Produktionen für Kinder ein Nischendasein auf Probebühnen oder in Kammermusikversionen). Die fertigen Stücke samt Inszenierungen wandern dann zwischen den Häusern hin und her. Zweimal hat das ausgezeichnet funktioniert, mit der Schneekönigin von Marius Felix Lange nach dem Märchen von Hans Christian Andersen und Wo die wilden Kerle wohnen von Oliver Knussen nach dem Kinderbuch von Maurice Sendak. Die dritte ist Geisterritter nach dem Roman von Cornelia Funke, vertont von James Reynolds. Eigentlich ein Sujet, sollte man denken, das besonders jugendtauglich ist. Und doch ist es die mit Abstand schwächste, sogar eine in Teilen ärgerliche Produktion geworden. In der Schule: Ella (Monika Rydz) und Jon (David Fischer)
Nun ist Geisterritter ein eher schwacher Roman. Kurz zum Inhalt: Der neue Internatsschüler Jon Whitcraft sieht sich einer Schar Geister gegenüber, die ihn wegen einer uralten Familienfehde in den Tod treiben wollen, und die er nur mit Hilfe eines anderen Geistes, nämlich dem von Ritter William Longspee, besiegt - und als Dank sucht er gemeinsam mit seiner neuen Schulfreundin Ella Longspees an falscher Stelle begrabenes Herz und bringt es zum richtigen Ort, auf dass dieser Geisterritter den ewigen Frieden findet. Das Libretto von Christoph Klimke handelt viele Episoden des Romans in Kurzform ab, ohne diese irgendwie zu motivieren - wer die Vorlage nicht kennt, dürfte sich hin und wieder ratlos fragen, warum es diese oder jene Wendung gibt, etwa die Erscheinung eines toten Choristen (bzw. dessen Geistes). Im Roman weckt diese Figur bei Jon Zweifel an der moralischen Integrität des Ritters Longspee, in der Oper ist keine Zeit dafür. Damit aber ist die Figur an sich überflüssig und lediglich verwirrend. Noch schlimmer: Das Libretto behandelt die Welt der Geister wie Mummenschanz. Hier werden die Geister zu kinderfressenden Monstern, die nicht weiter ernst zu nehmen sind. Der Gegensatz zwischen der rationalen Schulwelt und der irrationalen Geister-Traumwelt hätte, gerade auch musikalisch, ein Thema der Oper sein können - das wird verschenkt. Vielmehr scheint sich die Oper über ihr eigenes Sujet lustig zu machen. In der Kathedrale: Jon am Grab des Ritters Longspee
Die Musik von James Reynolds klingt wenig inspiriert und im Wesentlichen illustrierend wie Filmmusik, die Gruseleffekte meist durch das Nebeneinander von sehr hoher und sehr tiefer Lage zeichnend. Sie ist eklektisch zusammengestückelt, ohne eigenen Stil zu entwickeln (wie das anders geht, ist bei Jonathan Doves Labyrinth in Wuppertal zu erleben). Richtig schlimm wird es, wenn Reynolds und Klimke doch noch ein eigenes Thema entdecken, nämlich das Schulleben und die vermeintliche Lebenswirklichkeit von Jugendlichen. Im Roman muss Jon verarbeiten, dass seine Mutter nach dem Tod des Vaters mit einem anderen Mann zusammenlebt, und Jon selbst verliebt sich in die Mitschülerin Ella. Diese zarte Liebesgeschichte wird aufgegriffen, in einem schnulzigen Popsong verarbeitet und parodiert sich damit offen selbst. Dazu gibt es drei Rapper (die Verbindung zum Roman ist derart abstrus konstruiert, dass wir hier auf weitere Erläuterungen verzichten), und die geben vermeintliche Schülerweisheiten wie "Mathe ist öde, Sport ist cool" zum Besten. Und selbst diese Anbiederei an die Zielgruppe reicht noch nicht; der Rap wird als die "echte" Jugendmusik herausgestellt. Schon skurril: Da erklärt eine aufwendige Oper seinem jungen Publikum allen Ernstes, dass es gerade die falsche Musik hört. Geisterritter unter sich: Lord Stourton (vorne) und Longspee
Die Inszenierung von Erik Petersen bewegt sich ganz hübsch zwischen nachgestellter Wirklichkeit und Bilderbuchillusion. Auf die Bühne werden immer wieder per Videoanimation die verlangten Räume angedeutet, mit wenigen Strichen gezeichnet (Bühne und Video: fettFilm). Die Schwächen des Librettos kann und will Petersen aber auch nicht auffangen, eine Interpretation liefern schon gar nicht. So bleibt es den guten Darstellern überlassen, die Geschichte einigermaßen glaubwürdig zu erzählen. Die erste der beiden hier besprochenen Vorstellungen musste zur Pause abgebrochen werden, weil Monika Rydz, Darstellerin der Ella, sich bei einem Sturz auf der Bühne das Handgelenk gebrochen hatte - wobei sie bis zum Abbruch mit schönem lyrischen Sopran famos gesungen und gespielt hatte und mit dem auch stimmlich jungenhaften David Fischer ein absolut glaubwürdiges Paar abgegeben hatte. In der zweiten Vorstellung standen Cornel Frey und Anke Krabbe in diesen Rollen auf der Bühne, beide erfahrene Sängerdarsteller, aber eben deutlich älter - was Anke Krabbe verblüffend gut überspielt, auch sie eine überzeugende Halbstarke, stimmlich sowieso souverän. Cornel Frey sieht schon weniger nach pubertierendem Schüler aus, ist aber ein guter Darsteller - nach einer gewissen Eingewöhnungszeit nimmt man auch ihm die Rolle ab, zumal er seinen wagnererfahrenen Tenor beweglich einsetzt, sicher in der Höhe, aber nicht zu dick aufgetragen. Die kleineren Partien sind ordentlich besetzt, und Cedric Sprick, Valentin Wolleber und Laurenz Fedor Hambrecht rappen ganz eindrucksvoll. Lisa Griffith als Geist von Longspees Gattin Ela singt mit schönem Klang eine Arie mit mittelalterlichen Anklängen. Patrick Francis Chestnut leitet umsichtig die Duisburger Philharmoniker und den Chor der Rheinoper.
Murx mit Gespenstern, den offensichtlich auch Komponist und Librettist nicht weiter ernst nehmen - auch eine engagiert gesungene und gespielte Aufführung kann ein derart schlechtes Stück nicht retten. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne
Kostüme
Licht
Choreographie
Chor
Kinderchor
Solisten* Besetzung der am 7.7. rezensierten Aufführung
Jon Whitcroft
Ella Littlejohn
Zelda Littlejohn
William Longspee
Lord Stourton
Mr. Rifkin
Angus
Stu
Ela Longspee
Aleister Jindrich
Edward Popplewell
Alma Popplewell
Dämonen
Kröte
Jons Mutter
Jons Stiefvater
Schülerin
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