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Dalibor

Oper in drei Akten
Text von
Josef Wenzig und Ervín Špindler, deutsche Übertragung von Kurt Honolka
Musik von Bedřich Smetana

in deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Frankfurt am 24. Februar 2019



Oper Frankfurt
(Homepage)
Die Macht der Kameras

Von Thomas Molke / Fotos von Monika Rittershaus

Bedřich Smetana ist in Deutschland vor allem für seine sinfonische Dichtung Die Moldau und die komische Oper Die verkaufte Braut bekannt. Dabei soll er selbst diese Oper nur als Gelegenheitswerk betrachtet haben und sehr verzweifelt darüber gewesen sein, dass seine dritte Oper Dalibor, die er selbst für sein bestes Werk hielt, nicht ansatzweise den Erfolg der verkauften Braut erreichen konnte. Als Nationaloper gedacht wurde das Werk am 16. Mai 1868 anlässlich der Grundsteinlegung des Nationaltheaters im Neustädter Theater Prag uraufgeführt, brachte seinem Komponisten allerdings von Anfang an reichlich Kritik ein. Wegen des deutschen Librettos bezichtigte man ihn der Deutschtümelei, und auch die Übersetzung ins Tschechische konnte ihn vor dem Vorwurf des "untschechischen Wagnerismus" nicht bewahren. Einer zweiten Fassung, die Smetana zwei Jahre später folgen ließ, war ebenfalls kein großer Erfolg beschert. Erst viele Jahre nach Smetanas Tod konnte sich das Werk zumindest auf den tschechischen Bühnen allmählich etablieren. In Deutschland führt es weiterhin ein Schattendasein. Da ist es schon überraschend, dass in dieser Spielzeit mit Augsburg und Frankfurt direkt zwei Bühnen dieses Stück auf den Spielplan gestellt haben.

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Dalibor (Aleš Briscein, Mitte) wird im Studio 19 der Prozess gemacht (links als Klägerin: Milada (Izabela Matuła), rechts in Gelb: Kanzler Budivoj (Simon Bailey)).

Die Handlung führt zurück ins 15. Jahrhundert zur Zeit des Königs Vladislav Jagellonský. Der Ritter Dalibor von Kozojedy, der für seine Gerechtigkeit und Barmherzigkeit bekannt war, unterstützte die tschechischen Bauern in ihrer Revolte gegen den grausamen Gutsherren Adam Ploshovský von Drahonice. Die übrigen Lehnsherren der Gegend beschwerten sich beim König, so dass Dalibor ins Gefängnis geworfen wurde, wo er die übrigen Häftlinge und an seiner Zelle vorbeigehende Passanten mit seinem eindringlichen Geigenspiel fasziniert haben soll. Zahlreiche Bittgesuche, vor allem von jungen Frauen und Mädchen, nützten aber nichts, und Dalibor wurde 1498 hingerichtet. In der Oper ist es nicht Dalibor, der die Menschen durch sein begnadetes Geigenspiel begeistert, sondern sein Freund Zdeněk, der bereits vor Beginn der Oper vom Grafen Ploškovic getötet worden ist, weshalb Dalibor Rache am Grafen für den Tod des Freundes genommen hat. Die Oper beginnt mit der Gerichtsverhandlung, in der die Schwester des Grafen, Milada, als Klägerin auf Dalibor trifft und sich sofort in ihn verliebt. Da er ins Gefängnis geworfen wird, schließt sie sich den Rebellen, die von Dalibors Ziehtochter Jitka und ihrem Freund Vítek angeführt werden, an, um Dalibor zu befreien. Milada verkleidet sich als Junge und schleicht sich als Diener beim Gefängniswärter Beneš ein. So gelingt es ihr, Dalibor nicht nur die Geige des Freundes sondern auch noch Werkzeug in die Zelle zu schmuggeln, um ihm den Ausbruch zu ermöglichen. Die beiden gestehen einander ihre Liebe und verbringen eine gemeinsame Nacht. Ihr Verrat fliegt allerdings auf. Bei der Revolte wird Milada auf der Flucht tödlich verwundet. Dalibor stellt sich seinen Feinden und opfert sich.

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Eingeschlossen von Kameras und Scheinwerfern: Dalibor (Aleš Briscein) in seiner Zelle

Das Regie-Team um Florentine Klepper verlegt die Geschichte aus dem 15. Jahrhundert in eine nicht näher definierte Gegenwart, in der eine totalitäre Überwachung mit Kameras eine erschreckende Transparenz liefert. Der König tritt als schmieriger Fernsehmoderator in blauem Glitzeranzug auf, um den Prozess vor laufenden Kameras in einer TV-Sendung zu führen. Als Geschworene fungieren Zuschauer im Publikum, die wie geklont aussehen und von den Machern der Sendung zu den entsprechenden gewünschten Reaktionen animiert werden. Über Televoting läuft nicht nur eine Abstimmung darüber, ob Dalibor nun schuldig oder nicht schuldig gesprochen wird, sondern es erscheinen auch noch wie im "richtigen digitalen Leben" entsprechende Hashtags mit mehr oder weniger sinnvollen Kommentaren. Jitka hat sich in den "Sender 19" als Kamerafrau eingeschlichen, um den Prozess zu filmen und Dalibors Anhänger über das Geschehen zu informieren. Der Sender wird wie eine eiserne Wand vor den Rebellen abgeschirmt, so dass zunächst keine Möglichkeit besteht, den Sender zu stürmen. Nur Milada gelingt es, sich als Junge bei dem Gefängniswärter Beneš einzuschleichen. Um zum Gefangenen Dalibor vorgelassen zu werden, muss sie ihn allerdings mit einer Flasche außer Gefecht setzen.

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König Vladislav (Gordon Bintner, links) muss sich dem Druck der Öffentlichkeit beugen.

Die Zelle, in der sich Dalibor befindet, besteht aus Kameras und Scheinwerfern, die den Gefangenen einrahmen. Die drei Scheinwerfer dienen als Folterinstrumente, da sie ihm keinen Moment der Ruhe und Dunkelheit gönnen. Die Kameras zeichnen jede seiner Bewegungen auf, so dass nichts unbeobachtet bleibt. In dieses Gefängnis dringt nun Milada ein. Anstelle der Geige überreicht sie ihm allerdings Kopfhörer, mit denen er bereits im ersten Akt aufgetreten ist. Auch die Geige ist folglich nicht real sondern nur digital vorhanden. Inmitten der Kameras finden Milada und Dalibor zu einem bewegenden Moment der Zweisamkeit, da Milada vorher zumindest die Scheinwerfer ausgestellt hat. Trotzdem werden die beide natürlich über einen Bildschirm entdeckt. Nun gerät alles aus dem Ruder. Der König, der sich eigentlich Dalibors Hinrichtung widersetzen will und dem Druck des Systems nachgeben muss, wird bei der folgenden Revolte kurzerhand vom Kanzler Budivoj getötet, wobei Budivoj den Mord Jitkas Freund Vítek in die Schuhe schiebt. Die vermummte Polizei streckt mit Schlagstöcken schließlich auch noch den Kanzler nieder, und am Ende weiß man eigentlich gar nicht mehr, wer jetzt eigentlich als Sieger aus dem Gemetzel hervorgeht. Dalibor lässt sich zur Hinrichtung bringen, während Milada leblos an der Bühnenrampe liegt.

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Befreiung ohne Happy End: Dalibor (Aleš Briscein) und Milada (Izabela Matuła)

Wirft die Inszenierung einige Fragen auf, lässt die musikalische Gestaltung des Abends keine Wünsche offen. Izabela Matuła gibt als Milada in Frankfurt ein umjubeltes Debüt. Mit großem dramatischen Sopran gestaltet sie die Partie, der jungen Frau, die stimmlich und darstellerisch eine Mischung aus Wagners Elsa und Beethovens Leonore darstellt. Im Gegensatz zu Leonore ist ihr allerdings kein glückliches Ende vergönnt. Aleš Briscein begeistert in der Titelpartie mit strahlendem Tenor und sauber ausgesungenen Höhen. Mit Matuła findet er in dem großen Duett des zweiten Aktes zu einer betörenden Innigkeit. Seine große Arie im zweiten Akt, wenn er vor Miladas Auftreten mit seinem Schicksal hadert, erinnert stark an Beethovens Florestan. Gordon Bintner stattet den König Vladislav mit markantem Bariton aus und gestaltet die Figur darstellerisch als schmierigen Entertainer. Thomas Faulkner punktet als Gefängniswärter Beneš mit gewaltigem Bass. Simon Bailey kehrt als Kanzler Budivoj nach Frankfurt zurück und überzeugt mit kräftigem Bass. Angela Vallone und Theo Lebow runden als Jitka und Vítek das Ensemble großartig ab. Auch der von Tilman Michael einstudierte Chor begeistert stimmlich durch homogenen Klang. Stefan Soltesz lotet mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester Smetanas Partitur, die mit ihren romantischen Anklängen an die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts etwas antiquiert klingt, differenziert aus, so dass es für die musikalische Gestaltung des Abends einhelligen Beifall gibt. Nur das Regie-Team muss einige Unmutsbekundungen über sich ergehen lassen.

FAZIT

Smetanas Einstellung, dass Dalibor seine beste Oper sein und die verkaufte Braut um Klassen übertreffen soll, lässt sich nach dieser Produktion nicht teilen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Soltesz

Inszenierung
Florentine Klepper

Bühnenbild
Boris Kudliča

Kostüme
Adriane Westerbarkey

Licht
Jan Hartmann

Video
Anna Henckel-Donnersmarck
Kai Ehlers

Chor
Tilman Michael

Dramaturgie
Norbert Abels

 

Frankfurter Opern- und
Museumsorchester

Chor der Oper Frankfurt

Statisterie der Oper Frankfurt


Solisten

Dalibor
Aleš Briscein

Milada
Izabela Matuła

Vladislav
Gordon Bintner

Budivoj
Simon Bailey

Beneš
Thomas Faulkner

Vítek
Theo Lebow

Jitka
Angela Vallone

Live-Kamera
Lena Reidt
Max Wacha

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







Da capo al Fine

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