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Musiktheater
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Hulda

Oper in drei Akten, Prolog und Epilog
Libretto von Charles Grandmougin nach Björnsterne Björnsons Drama Halte-Hulda (1858)
Musik
von César Franck

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Großen Haus am 16. Februar 2019
(rezensierte Aufführung: 28.02.2019)

 

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Theater Freiburg
(Homepage)

Von Aktionismus und Politpropaganda erdrückt

Von Christoph Wurzel / Fotos von Tanja Dorendorf

César Franck als Opernkomponist? Ja, tatsächlich finden sich im Gesamtwerk des 1822 in Lüttich geborenen Komponisten vier Bühnenwerke, von denen allerdings zwei nur Fragment geblieben und die anderen beiden  zu Lebzeiten Francks nie aufgeführt wurden. Immerhin erlebte die zwischen 1879 und 1885 entstandene Hulda wenige Jahre nach dem Tod des Komponisten in Monte Carlo, wenn auch stark gestutzt, ihre szenische Uraufführung, verschwand dann aber nach wenigen erfolglosen Aufführungen wieder in der Versenkung. So kann die Freiburger Unternehmung, dieses Werk nach 125 Jahren wieder aufzuführen (und nun nahezu vollständig), als veritable Ausgrabung bezeichnet werden. Zu verdanken ist dies dem Freiburger GMD Fabrice Ballon, der dem Publikum damit eine musikalische Überraschung aller erster Güte beschert hat. Denn Francks Oper ist voll von großartiger Musik, voller Spannung und hochdramatischer Kraft. Große Chortableaus, ausgedehnte Arien und Duette und eine eminent wirkungsvolle Instrumentation zeigen einen mit allen Wassern der Grand opéra gewaschenen Komponisten, der sich vor vielen seiner Zeitgenossen des spätromantischen Opernschaffens nicht zu verstecken braucht.

Es mögen Thema und Inhalt der Oper gewesen sein, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf Ablehnung stießen. Denn das Libretto erzählt von einer unbeugsamen jungen Frau, die sich nicht in ihr aufgezwungenes Schicksal als weibliche Kriegsbeute fügt, sondern nach Rache für ihr Los trachtet.

Die Oper beruht auf einem Schauspiel des norwegischen Nobelpreisträgers Björnsterne Björnson, das in einer archaischen Zeit von Stammeskriegen in Skandinavien spielt. Huldas Familie wird von einer anderen Sippe, den Aslaks,  überfallen und  umgebracht, nur die junge Frau wird mitgeschleppt und mit einem Angehörigen der Aslaks zwangsverheiratet. Fortan wird Hulda einzig von Rachegedanken angetrieben. Verliebt in den jungen Eiolf projiziert sie in ihn ihren Retter und Rächer, doch Eiolf wendet sich wieder seiner früheren Geliebten Swanhilde zu. Das schützt ihn nicht davor, von den Aslaks ermordet zu werden. Verzweifelt stürzt sich Hulda im dramatischen Finale von den Klippen ins Meer.

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Racheschwüre: Hulda (Morenike Fadayomi) ruft die Ahnen an.

Eine Geschichte also voll brutaler Gewalt, aber auch starker Liebesgefühle, in der  César Franck für die Protagonisten je eigene musikalische Farben gefunden hat. Düstere Schicksalsmotive durchziehen das lange Vorspiel, charakterisieren Huldas musikalische Ausdruckswelt und kehren im Epilog zurück, wenn ihr Lebensdrama kulminiert. In Morenike Fadayomi findet diese Operngestalt eine überragende Sängerdarstellerin. Die Sopranistin gibt sich  ihrer Figur nicht nur mit grenzenlosem darstellerischen Engagement hin, sie bietet auch vokal eindrucksvoll für deren extreme Emotionen eine weitgespannte Ausdruckspalette auf.

Zwei großartige schwelgerische Liebesduette gehören zu den musikalischen Höhepunkten der Oper. Im 2. Akt  der lyrisch schwärmerische Liebesschwur Huldas und Eiolfs und im 3. Akt die emotional aufgewühlte Aussöhnungsszene Eiolfs mit Swanhilde, die von Irina Jae Eun Park mit dunkel timbriertem Sopran mit nachhaltigem Eindruck gesungen wird. Mit ihr wie auch dem Tenor Joshua Kohl als heldisch glänzendem Eiolf kann Freiburg zwei starke Sängerpersönlichkeiten aus dem eigenen Ensemble aufbieten. Auch Anja Jung in einer kurzen Szene als Huldas fürsorgende Mutter und Jin Soek Lee als finsteres Haupt der Aslak-Sippe stechen aus dem im übrigen tadellosen Ensemble heraus.

Fabrice Ballon bringt Francks Musik in allen Facetten zu beeindruckender Wirkung. Da werden alle Instrumentalfarben ausgekostet, starke Steigerungen führen zu dramatisch aufgewühlten Höhepunkten und der Klang bleibt dabei stets transparent und vom Orchester technisch souverän gestaltet. In allen Momenten merkt man, mit welcher Emphase sich die musikalisch Beteiligten diesem Werk geradezu verschrieben haben.

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Verwüstung, Chaos, Tod: Hulda spielt in Freiburg im vom Bürgerkrieg geschüttelten Kongo. (Ensemble; vorn:  Morenike Fadayomi als Hulda)

Doch leider behält in dieser Produktion oftmals die Musik nicht die Oberhand. In der Regie von Tilman Knabe dominiert auf weiten Strecken bis zur Schmerzgrenze anschwellender Bühnenlärm. Mit knatternden Maschinengewehrsalven, chaotischen Überfällen samt Verwüstung der Bühnenlandschaft und heftigen Prügeleien schreckt Knabe das Publikum, von dem dann auch ein Teil nach der Pause auf weitere Anwesenheit verzichtet. Der Regisseur, dessen Markenzeichen es ist, seine Operninszenierungen eindeutig und konsequent in politischen Problembereichen zu verorten, hat die unbestritten von heftigen Aggressionen durchzogene Geschichte in einem der brutalsten Kriegsgebiete der Gegenwart angesiedelt, im Kongo.

Die Begründung dafür sieht Knabe einerseits in dem historischen Fakt der ziemlich grausamen Kolonialherrschaft Belgiens in dieser Region Afrikas, die zur Entstehungszeit der Oper begann. Dass allerdings der Wallone Franck seine Oper in diesem Zusammenhang gesehen hat, dafür fehlen dem Regieteam zugegebenermaßen die Beweise. Zum zweiten verbindet Knabe mit seinem Regiekonzept eine vehemente Anklage gegen die zunehmende Unterwerfung Afrikas durch den globalisierten Kapitalismus der Gegenwart, z.B. wenn zum Vorspiel zum 3. Akt nach der Pause eine Szene gezeigt wird, in der die Ausbeutung der kongolesischen Erzminen mit einer chinesischen Wirtschaftsdelegation vertraglich besiegelt wird.  Hineingemengt werden zudem kriegerische Auseinandersetzungen divergierender Warlords mit UN-Blauhelmtruppen. Auf Zwischenvorhängen reichert Knabe seine politische Botschaft noch mit antikolonialistischen Textausschnitten von Jean-Paul Sartre und Frantz Fanon an. Aus Hulda wird dann schnell eine Kämpferin für die Befreiung der Afrikaner von weißer Vorherrschaft, wenn sie sich im Laufe ihres Kampfes ein T-Shirt "Proud to be black" überstreift.

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Ausbeutung als Folge der Globalisierung: Asiok (Joshua Kohl) und Swanhilde (Irina Jae Eun Park)

Trotz aller an einen Actionfilm grenzenden Realistik wird allerdings nicht immer schlüssig, wie nun im Einzelnen die Zusammenhänge sind, aber das Auge wird zumindest von der rotierenden Opernbühne enorm beschäftigt. Die Männer raufen, saufen, morden, vergewaltigen nahezu am laufenden Band und auch darüberhinaus wird bei jeder Gelegenheit Sex simuliert. Auch ein richtiges Truppenbordell darf da nicht fehlen. Doch gelingen auch ruhigere, psychologisch sensibler ausgestaltete Szenen wie  zu Beginn der Oper, wenn die Bühne eine friedliche Dorfidylle zeigt und ein Fernchor aus dem Hintergrund Atmosphäre schafft. Vor allem gestattet Knabes Personenführung in den beiden Liebesduetten den Akteuren psychologisch stimmige Rollendarstellungen. In den Gestalten von Huldas Ahnen als afrikanische Totemfiguren setzt er einen symbolischen Akzent und schließlich hat der Regisseur zur Handlung eine Tochter Huldas hinzu erfunden, die nach Überfall, Plünderung des Dorfes und Huldas Tod deren Aufzeichnungen in einem Tagebuch als Dokument all diesen Unrechts für die  Nachwelt retten kann.

Dennoch - bei aller gut gemeinten Aktualisierung droht die Oper hier in einem Bilder-Tsunami unterzugehen. Und wenn sogar noch ein drohender Holocaust an der afrikanischen Bevölkerung beschworen wird, wird die politische Botschaft zur überzogenen Propaganda. Mit seinen an Agitprop grenzenden Mitteln erscheint Knabes Verständnis von Regietheater heute doch recht angestaubt. Inzwischen sind auf vielen Bühnen intelligente und kreative Auseinandersetzungen mit Opern aller Epochen zu sehen, die dem Publikum eher Anstöße zur Auseinandersetzung geben, statt ihm apodiktisch Thesen vorzusetzen.

FAZIT

Francks Hulda verdiente eine weitere, differenzierte Bühnenumsetzung. Musikalisch ist die Oper es allemal wert. Zweifellos hat das Theater Freiburg sich in dieser Hinsicht um deren Wiederentdeckung verdient gemacht.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Fabrice Bollon

Regie
Tilman Knabe

Bühne
Kaspar Zwimpfer

Kostüme
Eva Mareike Uhlig

Licht
Dorothee Hoff

Bewegungscoach
Peter Pruchniewitz

Chorleitung
Norbert Kleinschmidt

Dramaturgie
Heiko Voss

 

Statisterie des
Theater Freiburg

Opern- und Extrachor
des Theater Freiburg
sowie Studierende
der Hochschule für Musik
Freiburg

Philharmonisches
Orchester Freiburg


Solisten

Hulda
Morenike Fadayomi

Swanhilde
Irina Jae Eun Park

Mutter Huldas
Anja Jung

Gudrun
Katerina Hebelková

Thordis
Katharina Ruckgaber

Eiolf
Joshua Kohl

Gudleik
Juan Orozco

Aslak
Jin Soek Lee

Erik
Roberto Gionfreddo

Eynar
Junbum Lee

Thrond
Seonghwan Koo

Gunnard
Stefan Fiehn

Halgerde
Karen Job

Herold
Mateo Penaloza Cecconi

Tochter Huldas
Mary-Faye Agyemang
(stumme Rolle)

Die Ältesten
Sabine Schmidt
Bodo Warneking

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Freiburg
(Homepage)





Da capo al Fine

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