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Musiktheater
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Big Fish

Musical in zwei Akten
Buch von John August nach einem Roman von Daniel Wallace und dem Columbia Motion Picture
Deutsch von Nico Rabenald
Musik und Songtexte von Andrew Lippa

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 55' (eine Pause)

Kooperation mit der Bayerischen Theaterakademie August Everding und der Hochschule für Musik und Theater München mit dem Studiengang Musical

Premiere im Großen Haus im MiR am 9. März 2019
(rezensierte Aufführung: 06.04.2019)

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Musiktheater im Revier
(Homepage)

Sei der Held deiner Geschichte

Von Thomas Molke / Fotos:© Karl und Monika Forster

Der Roman Big Fish: A Novel of Mythic Proportions des US-amerikanischen Schriftstellers über das berührende Verhältnis zwischen einem Vater und seinem Sohn begeisterte John August so sehr, dass dieser sich bereits die Filmrechte sicherte, bevor der Roman 1998 veröffentlich wurde. 2003 brachte August dann mit Kult-Regisseur Tim Burton das moderne Märchen als Kinofilm heraus. Doch August wollte noch mehr und so suchte er einen Komponisten, um den Stoff in ein Bühnen-Musical umzuwandeln. Gemeinsam mit dem Produzenten Bruce Cohen fand er Andrew Lippa, der durch seine Kompositionen für die Neufassungen von You're a Good Man, Charlie Brown und The Addams Family bekannt geworden war. Lippa gab der Musik mehr als nur eine begleitende Funktion und ordnete den einzelnen fantastischen Geschichten unterschiedliche Musikstile zu, während die Realitätsebene durch gefühlvolle Broadway-Balladen geprägt wurde. Am 2. April 2013 feierte das Musical Big Fish in Chicago eine erfolgreiche Uraufführung, so dass es ab 5. September zum Broadway nach New York übersiedelte. Dort musste es allerdings zunächst eine Niederlage einstecken, bevor es nach einer Überarbeitung auch international am Londoner West End und in Australien Erfolge feiern konnte. Auch die Theaterakademie August Everding und die Hochschule für Musik und Theater München mit dem Studiengang Musical war auf dieses Werk aufmerksam geworden, und so entstand auf Initiative von Andreas Gergen, der bereits Lippas The Addams Family in Deutschland herausgebracht hatte, eine deutsche Fassung, die am 10. November 2016 am Prinzregententheater München ihre europäische Erstaufführung feierte. Nun ist diese Produktion am Musiktheater im Revier zu erleben.

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Edward (Benjamin Oeser) erzählt seinem Sohn Will (Franz Aigner) fantastische Geschichten (links: Sandra (Theresa Christahl)).

Erzählt wird die Geschichte des Handelsvertreters Edward Bloom und seines Sohns Will. Da Edward beruflich viel unterwegs ist, kennt Will ihn hauptsächlich aus den Geschichten, die der Vater ihm abends vor dem Einschlafen erzählt. Darin geht es in der Regel um große Abenteuer, die Edward angeblich als junger Mann erlebt hat. Er präsentiert sich gewissermaßen als "Big Fish", als Held von fantastischen Geschichten. So sei er als junger Mann einer bezaubernden Nixe am Fluss begegnet, die keiner außer ihm verstanden habe. Außerdem habe er seine Heimatstadt Ashton vor dem Riesen Karl befreit und von einer Hexe im Wald erfahren, wie er einmal sterben werde. Je älter Will wird, desto mehr ärgern ihn die Märchen seines Vaters, da er ihnen immer weniger Glauben schenkt. Als es auf Wills Hochzeitsfeier zu einem Eklat zwischen Vater und Sohn kommt, bricht Will endgültig mit seinem Vater. Kurz darauf erfährt er allerdings, dass Edward unheilbar krank ist. Gemeinsam mit seiner Frau Josephine kehrt Will nach Alabama zurück und bemüht sich um eine Aussöhnung. Dabei versucht er, in den Geschichten die Wahrheit über seinen Vater herauszufinden. Nachdem er zunächst aufgrund eines Kaufvertrags vermutet, dass sein Vater ein Doppelleben geführt und ein Verhältnis zu einer gewissen Jenny Hill in Ashton unterhalten habe, findet er später heraus, dass Edward Ashton und sie lediglich vor dem Untergang bewahrt habe, indem er den Bürgern Geld für eine Umsiedlung vermittelt hat. Dass Edward diese Geschichte seinem Sohn niemals erzählt hat, liegt an dem Kuss, mit dem er sich von Jenny verabschiedet hat. Dies sei zwar kein Ehebruch gewesen, aber für Edward, der seine Frau Sandra über alles liebt, schien es nie heldenhaft genug, um es seinem Sohn zu erzählen. Allmählich beginnt Will, seinen Vater besser zu verstehen und steigt am Sterbebett seines Vaters auf dessen fantastische Geschichten ein. Gemeinsam unternehmen sie darin eine Flucht aus dem Krankenhaus und gelangen an den Fluss zu der Nixe, wo auch die anderen Charaktere der Geschichte von Edward rührend Abschied nehmen. Nach Edwards Tod setzt Will bei seinem Sohn die fantastischen Geschichten fort.

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Die Hexe (Anke Sieloff) gewährt Edward (Benjamin Oeser) in ihrer Zauberkugel einen Blick in die Zukunft.

Das Regieteam um Andreas Gergen findet eine geniale Umsetzung, um die unterschiedlichen Zeitebenen ineinander überfließen zu lassen. Bei Edward reichen eine Brille und eine Schirmmütze, um ihn blitzschnell von einem jungen Mann in einen alten von der Krankheit gezeichneten Vater zu verwandeln. Sam Madwar hat die Bühne in mehrere Ebenen geteilt und arbeitet mit eindrucksvollen Projektionen. In einer Art Holzwand löst sich die Mitte in Form eines Hauses und wird in den Schnürboden emporgezogen, so dass der Raum an Tiefe gewinnt und sich blitzschnell von einem Feld in ein Haus oder einen Zirkus verwandeln kann. Als Requisiten reichen größtenteils Holzkisten, in denen Will und Josephine unter anderem auch die Wahrheit über Edwards Vergangenheit suchen. Besonders eindrucksvoll ist der Riese Karl gestaltet, der hinter der Wand an Schnüren auftritt und mit seiner Größe die ganze Bühne ausfüllt. Dieser steht natürlich in starkem Kontrast zu dem Zirkusdirektor Amos, der von dem kleinwüchsigen Rüdiger Frank dargestellt wird. Besondere Komik hat die Szene, in der Frank in einer Art Aufzug im Bühnenhintergrund in die Höhe gefahren wird, um mit dem Riesen auf Augenhöhe über dessen Engagement im Zirkus zu verhandeln. Durch die Projektionen und das variable Bühnenbild sind blitzschnelle Szenenwechsel und Zeitsprünge zwischen den unterschiedlichen Ebenen möglich. Die Kostüme von Ulli Kremer fangen in großer Opulenz das Märchenhafte in Edwards fantastischen Geschichten ein. So schwimmt die Nixe quasi im leicht herabgelassenen Orchestergraben, die Hexe entfacht mit großem Gefolge einen unheimlichen Hexensabbat, und auch die Zirkuswelt ist sehr farbenfroh gehalten. Einen großen Kontrast dazu bildet die eher nüchtern gehaltene reale Welt.

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Zirkusdirektor Amos (Rüdiger Frank, rechts) verhandelt mit dem Riesen Karl (Oliver Aigner, links) auf Augenhöhe.

Musikalisch präsentiert der Abend ein breites Spektrum, das von der klassischen Musical-Nummer bis zu flottem Swing und Country reicht. Im Ohr bleibt vor allem Edwards Credo "Sei der Held deiner Geschichte", was am Ende von Will dann doch aufgegriffen wird. Benjamin Oeser, der die Partie des Edward bereits bei der deutschen Erstaufführung in München interpretiert hat, begeistert durch große Wandlungsfähigkeit vom jungen Edward zum alten von schwerer Krankheit gezeichneten Mann, bleibt dabei aber immer das "große Kind", das voller Überzeugung seine Geschichten an seinen Sohn weitergeben will. Franz Aigner deutet als junger Will glaubhaft an, wie er bereits als Kind an dem Wahrheitsgehalt der Geschichten seines Vaters zu zweifeln beginnt. Sehr deutlich wird es bei dem Abenteuer, bei dem Edward General Patterson vor einem Attentat bewahrt hat und somit gewissermaßen den Krieg zu einem Ende gebracht hat. Mit großartigem Spielwitz setzt Oeser diese unglaubliche Geschichte um, wird sogar selbst dabei vom giftigen Pfeil getroffen und erfindet kurzerhand eine unglaubwürdige Ausrede, wieso er nicht an dem Gift gestorben ist. Nur auf die Rückfrage seines jungen Sohns, in welchem Krieg dieses Ereignis denn stattgefunden haben soll, weiß er keine Antwort. Dennis Hupka setzt das mittlerweile sehr gestörtes Verhältnis zu seinem Vater glaubhaft um und liefert sich mit Oeser bewegende Duelle. Großartig spielt er Wills langsam wachsendes Verständnis für die Geschichten seines Vaters aus. Die Versöhnung am Krankenbett und der gemeinsame Ausflug zum Fluss gehen dann unter die Haut.

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Will (Dennis Hupka) ist auf der Suche nach der Wahrheit.

Theresa Christahl gestaltet die Partie von Edwards Frau Sandra mit großer Wärme. Die tiefe Zuneigung zwischen den beiden ist jederzeit spürbar. Musikalisch begeistert sie bei der ersten Begegnung mit Edward im Zirkus als Alabama Lamm und setzt auch als Miss America im Krieg leicht soulige Akzente. Auch ihr gelingt ein glaubhafter Wechsel von einer jungen zu einer älteren Frau. Sina Jacka überzeugt als Wills empathische Ehefrau Josephine, die wesentlich mehr Verständnis für Edwards Geschichten hat als ihr Mann und ihn schließlich dazu bringt, dem Wahrheitsgehalt in den Geschichten auf den Grund zu gehen. Anke Sieloff begeistert als Hexe, die Edward einen Blick in ihre Zauberkugel gewährt durch großes Temperament und entschwindet danach wie von Zauberhand in den Schnürboden. Als Jenny Hill gibt sie sich zunächst als verliebte junge Frau, die sehr enttäuscht darüber ist, dass Edward in die Welt hinauszieht und nicht bei ihr bleibt. Besonders bewegend gestaltet sie die Begegnung mit Will, wenn sie ihm die wahre Geschichte über Edward erzählt. Rüdiger Frank gibt den Zirkusdirektor Amos, der sich nachts bei Vollmond in einen Werwolf verwandelt, wunderbar schrill, und Oliver Aigner verleiht dem Riesen Karl mit dunkler Stimme enorme Würde. Von dem übrigen Ensemble ist noch Sebastian Schiller zu erwähnen, der als etwas tumber Don Price seine Verlobte Sandra an Edward verliert und sich auch der Hexe im Wald gegenüber sehr ungehobelt benimmt. Das restliche Ensemble verleiht der Geschichte enormes Tempo und begeistert in großartigen Tanz-Choreographien von Danny Costello. Die Band ist hinter der Bühne platziert und sorgt unter der Leitung von Heribert Feckler für einen flotten Musical-Sound, der keine Wünsche offen lässt. So gibt es am Ende großen und verdienten Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Big Fish verzaubert in dieser Inszenierung als modernes Märchen Jung und Alt und kann es durchaus mit den kommerziellen Musical-Produktionen in der Gegend aufnehmen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Heribert Feckler

Inszenierung
Andreas Gergen

Choreographie
Danny Costello

Bühne und  Projektionen
Sam Madwar

Kostüme
Ulli Kremer

Licht
Andreas Guzmer

Dramaturgie
Stephan Steinmetz

 

Band
Drums
Oliver Kerstan

Bass
Gero Gellert

Keyboard
Thomas Meyer
Paul Tunyogi-Csapo

Gitarre, Banjo
Klaus Bittner

Horn
Isabelle van de Wiele

Flöte, Klarinette, Saxophon
Gabriel Perez

Trompete, Flügelhorn
Olaf Krüger

Statisterie des MiR

 

Solisten

*rezensierte Aufführung

Edward
Benjamin Oeser

Will
Dennis Hupka

Junger Will
*Franz Aigner /
Edgar Brinkmann /
Joris Hill

Sandra / Alabama Lamm
Theresa Christahl

Josephine
Sina Jacka

Hexe / Jenny Hill
Anke Sieloff

Der Riese Karl
Oliver Aigner

Zirkusdirektor Amos
Rüdiger Frank

Don Price / General Patterson / Ensemble
Sebastian Schiller

Nixe / Artistin
Birgit Mühlram

Dr. Bennett / Richter / Fischer / Bürgermeister / Ensemble
Adrian Kroneberger

Zacky Price / Pfadfinder / Ensemble
Timothy Roller

Alabama Lamm / Ensemble
Lisandra Bardél

Alabama Lamm / Schäferin / Ensemble
Joyce Diedrich

Bauernmädchen / Ensemble
Karina Kettenis

Friseuse / Ensemble
Florentine Kühne

Mädchen mit Katze / Cheerleader / Ensemble
Romina Markmann

Ensemble / Dancecaptain
Julia Waldmeyer

Schullehrer / Pfadfinder / Ensemble
Fin Holzwart

Red Fang / Waffennarr / Ensemble
Kevin Schmid

Farmpächter / Ensemble
Stefan Gregor Schmitz

 


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