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Musiktheater
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Ein Nussknacker-Traum

Ballett für Kinder und Jugendliche von Benvindo Fonseca nach Motiven von E. T. A. Hoffmann und Alexandre Dumas
Musik von Peter Iljitsch Tschaikowski, Sergei Rachmaninov, Farruca, Ravi Shankar, Mariza und Cesária Évora

Aufführungsdauer: ca. 1h 10' (keine Pause)

Premiere im Kleinen Haus im MiR am 17.November 2018
(rezensierte Aufführung: 18.11.2018)

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Musiktheater im Revier
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Crossover mit Tschaikowski

Von Thomas Molke / Fotos:© Bettina Stoess

Dass sich das Kalenderjahr allmählich dem Ende neigt, erkennt man in den meisten Theatern daran, dass mit speziellen Kinderstücken in der Vorweihnachtszeit vor allem das jugendliche Publikum ins Opern- oder Schauspielhaus gelockt werden soll. Im Musiktheater im Revier steht deshalb nicht nur Der gestiefelte Kater als musikalisches Märchen von Peter Francesco Marino im Kleinen Haus auf dem Spielplan (Premiere ist am 2. Dezember 2018), sondern auch das Ballett im Revier bietet erneut ein Ballett für Kinder und Jugendliche ab acht Jahren an. Nachdem Kevin O'Day vor zwei Jahren mit Das Mädchen mit den Schwefelhölzern nach dem gleichnamigen Märchen von Hans Christian Andersen eine sehr traurige Geschichte vertanzen ließ (siehe auch unsere Rezension), widmet man sich in diesem Jahr einem Ballett-Klassiker, der wie kaum ein anderes Stück mit Weihnachten assoziiert werden dürfte: Der Nussknacker. Da ein gut zweistündiges Stück für die genannte Zielgruppe allerdings als zu lang erscheint, werden Auszüge aus Tschaikowskis Ballett mit traditioneller Musik aus Spanien, Portugal, Indien und Afrika zu einem Nussknacker-Traum kombiniert. Für die Choreographie zeichnet der Portugiese Benvindo Fonseca verantwortlich, der zuletzt hier vor knapp drei Jahren im Rahmen des dreiteiligen Ballettabends Bł vertanzt seine Kreation Dawn of an Announced End zur Musik von Ludwig van Beethoven zur Uraufführung brachte (siehe auch unsere Rezension).

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Gemeinsames Fest der unterschiedlichen Nationen: von links: Prinz (José Urrutia), Ledian Soto, Paul Calderone, Sarah-Lee Chapman, Zuckerfee (Tessa Vanheusden, hinten), Francesca Berruto, Valentin Juteau, Klara (Lucia Solari), Sara Zinna und Mason Manning

Die Grunderzählung bleibt so, wie man sie aus dem Märchen kennt. Die kleine Klara bekommt zu Weihnachten einen Nussknacker geschenkt, der in einem nächtlichen Traum zum Leben erwacht und gemeinsam mit ihr gegen den bösen Mäusekönig und dessen Heer kämpfen muss. Nachdem der Mäusekönig und sein Heer besiegt sind, verwandelt sich der Nussknacker in einen Prinzen und folgt mit Klara den Schneeflocken in das Traumreich der Zuckerfee. Dort treffen sie aber - anders als im Märchen - nicht auf zahlreiche Süßigkeiten sondern auf ganz unterschiedliche Menschen aus anderen Nationen, die versuchen, ihnen im Tanz ihre Welt näher zu bringen. Am Ende finden dann in einer großen Parade die verschiedenen Nationen zueinander. In großen Projektionen werden dabei zahlreiche Kulturen in friedlichem Miteinander eingeblendet, die zum Traum von einer besseren Welt einladen.

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Klara (Francesca Berruto) und der Prinz (Ledian Soto) beim Pas de deux

Fonseca lässt die Choreographie gewissermaßen über den Wolken beginnen. Auf einen weißen Vorhang werden weiße Kumuluswolken projiziert. Der Zuschauer hat das Gefühl, über den Wolken zu schweben oder in sie einzutauchen. Dahinter wird allmählich die kleine Klara sichtbar, die zunächst in dreifacher Gestalt (Sara Zinna, Francesca Berruto und Lucia Solari) mit einem riesigen Nussknacker spielt, der in der nächsten Szene zum Leben erwacht. Warum insgesamt drei Tänzerinnen in die Rolle der Klara schlüpfen, die jeweils auch mit einem anderen Tänzer als Nussknacker beziehungsweise verwandeltem Prinzen die Geschichte durchleben, erschließt sich nicht wirklich. Sollen Klara und der Nussknacker auf diese Weise unterschiedliche Kulturen und Charaktere verkörpern und verbinden? Die anschließend dargestellte Weihnachtsfeier sprüht vor skurriler Komik. Die Tänzerinnen und Tänzer sitzen alle an einem langen Tisch und verbreiten eine teils angespannte, teils lustige Stimmung, wie viele Zuschauer sie sicherlich auch von diversen Familienfeiern kennen. Auch die hektische Vorweihnachtszeit wird gut gespiegelt, wenn die Tänzerinnen und Tänzer hektisch kleine Weihnachtsbäume quer über die Bühne schieben. Musikalisch interessant ist, wie hier Tschaikowskis Klänge leise von anderen Rhythmen untermalt werden und somit in gewisser Weise ein Crossover entsteht.

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Klara (Sara Zinna) und der Nussknacker (Paul Calderone) im Kampf gegen den Mäusekönig (Mason Manning)

Sehr märchenhaft wird der Auftritt des Mäusekönigs und seines Heers in Szene gesetzt. Mason Manning durchbricht als Mäusekönig die Wand und dringt bedrohlich in Klaras heile Welt ein, die der Nussknacker mit großem Einsatz zu schützen versucht. Doch das Heer der Mäuse scheint zunächst übermächtig zu sein. Schließlich gelingt es den beiden dann aber doch, den Mäusekönig zu besiegen. Der Nussknacker verwandelt sich in einen Prinzen und Paul Calderone in Ledian Soto, der nun mit Francesca Berruto nach einem bezaubernden Schnee-Pas de deux in eine andere Traumwelt aufbricht. Das Ensemble wirbelt dabei in weißen Gewändern als Schneeflocken über die Bühne. Musikalisch begegnen in der Traumwelt nun ganz andere Klänge, die die Nationen wesentlich originärer beschreiben, als Tschaikowski dies in seinen Divertissements im zweiten Teil des Balletts tut. Paul Calderone begeistert beim spanischen Tanz in einem feuerroten langen Rock zu "El Niño de Almadena" von Farruca. Im Anschluss präsentieren Sarah-Lee Chapman, Hitomi Kuhara, Lucia Solari, Tessa Vanheusden, Ledian Soto und José Urrutia einen Indischen Tanz zu Musik von Ravi Shankar. Es folgt "Gente da minha terra" von Mariza als beeindruckendes Trio mit Paul Calderone, Mason Manning und Sara Zinna.

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Tessa Vanheusden als Zuckerfee

Einen ganz besonderen Eindruck hinterlässt der afrikanische Tanz von Valentin Juteau. In einer schwarzen mit Federn besetzten Hose bewegt sich Juteau mit nacktem Oberkörper sehr geschmeidig zu Cesária Évoras "Sodade". An einer bestimmten Stelle werden vom Ensemble im Hintergrund seine Bewegungen übernommen. Untermalt werden die ganzen Szenen durch eindrucksvolle Projektionen auf die Stellwände. Nach diesem Exkurs in fremde Welten wird es mit den Tanz der Zuckerfee wieder ganz klassisch. Tessa Vanheusden begeistert in einem rosafarben glitzerndem Kostüm mit sauberem Spitzentanz und grazilen Bewegungen. Als letztes erhalten Lucia Solari und José Urrutia als Klara und Prinz ein weiteres Pas de deux aus Tschaikowskis Ballett-Klassiker, das sie ebenfalls eindrucksvoll umsetzen, wenn auch nicht auf Spitze. Die überwiegend jungen Zuschauer spenden den insgesamt elf Tänzerinnen und Tänzern verdienten Applaus.

FAZIT

Fonsecas Nussknacker-Traum dürfte in seiner Kurzweiligkeit und mit geschickten musikalischen Zusammensetzung auch das erwachsene Publikum ansprechen. Ob sich die Bilderwelt in ihrer ganzen Komplexität einem jungen Publikum erschließt, ist allerdings fraglich.


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Produktionsteam

Choreographie
Benvindo Fonseca

Bühne
Jürgen Kirner

Kostüme
Thomas Lempertz

Licht
Thomas Ratzinger

Dramaturgie
Anna Chernomordik

 

Tänzerinnen und Tänzer

Klara
Sara Zinna
Francesca Berruto
Lucia Solari

Nussknacker / Prinz
Paul Calderone
Ledian Soto
José Urrutia

Mäusekönig
Mason Manning

Zuckerfee
Tessa Vanheusden

Spanischer Tanz
Paul Calderone

Indischer Tanz
Sarah-Lee Chapman
Hitomi Kuhara
Lucia Solari
Ledian Soto
José Urrutia
Tessa Vanheusden

Portugiesischer Tanz
Paul Calderone
Mason Manning
Sara Zinna

Afrikanischer Tanz
Valentin Juteau

Schnee-Pas de deux
Francesca Berruto
Ledian Soto

Grand Pas de deux
Lucia Solari
José Urrutia

Familie / Mäuse / Schneeflocken / Finale
Ballett im Revier

 


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