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Musiktheater
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Ein Sommernachtstraum

Ballett von Bridget Breiner nach der Komödie von William Shakespeare
Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy, Duke Ellington, Claudio Jacomucci, Uros Rojko, Alessandro Sbordoni, Antonio Correa, Charles Gounod, Henry Mancini, Budd L. Cross, Richard Wagner / Franz Liszt und Leroy Shield

Aufführungsdauer: ca. 2h 10' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus im MiR am 31. März 2019
(rezensierte Aufführung: 05.04.2019)

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Musiktheater im Revier
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Ballett-Traum als Abschiedsgeschenk

Von Thomas Molke / Fotos:© Costin Radu

Zum Ende der Spielzeit wechselt die Ballettdirektorin Bridget Breiner an das Badische Staatstheater Karlsruhe, was für das Musiktheater im Revier ein großer Verlust ist. Seit der Spielzeit 2012/2013 hat sie das neu gegründete Ballett im Revier mit großem Erfolg geleitet und die kleine aus nur 14 Tänzerinnen und Tänzern bestehende Compagnie auch überregional bekannt gemacht. Insgesamt zwei Mal wurde sie in dieser Zeit für ihre Choreographien mit dem FAUST-Preis ausgezeichnet, hat ein sehr breit gefächertes Repertoire erarbeitet, das von Schwanensee bis zu modernem Ausdruckstanz reicht, und dabei immer ein großartiges Gespür für den Publikumsgeschmack in Gelsenkirchen bewiesen. Ihr Nachfolger Giuseppe Spota tritt folglich ein schweres Erbe an, wenn er ab der kommenden Spielzeit die Leitung der Ballettsparte übernimmt. Ein Schwerpunkt in Breiners choreographischem Schaffen ist immer wieder ihr Lieblingsautor William Shakespeare gewesen. Mit The Tragedies of Othello im Rahmen des Ballettabends Sweet Tragedies 2015 (siehe auch unsere Rezension), dem Auftragswerk Prosperos Insel für die Ruhrfestspiele 2016, das anschließend auch ins Repertoire in Gelsenkirchen übernommen wurde (siehe auch unsere Rezension), und zuletzt Romeo und Julia in der vergangenen Spielzeit (siehe auch unsere Rezension) verabschiedet sie sich nun vom Gelsenkirchener Publikum mit Shakespeares wohl berühmtester Komödie: Ein Sommernachtstraum.

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Hippolyta (Bridgett Zehr) vor dem Palast des Theseus (Paul Calderone, in der Tür) (rechts und links: die Liebenden und die Handwerker (Ballett im Revier))

Eine Geschichte, die mit den unterschiedlichen Handlungssträngen der Liebespaare in Athen, den Handwerkern und dem Feenreich derart viele Personen erfordert, mit nur insgesamt 13 Tänzerinnen und Tänzern auf die Bühne zu bringen, bedarf schon einiger Anstrengung, die Breiner wieder souverän meistert. Dass Theseus und Oberon bzw. Hippolyta und Titania jeweils von dem gleichen Solisten verkörpert werden, lässt sich inhaltlich begründen, da Oberon und Titania gewissermaßen die andere Seite von Theseus und Hippolyta darstellen. Dass Theseus und die Amazonenkönigin Hippolyta in der "realen" Welt kurz vor ihrer Hochzeit stehen und die von Theseus im Kampf besiegte Hippolyta davon zunächst gar nicht erbaut ist, spiegelt sich in dem Streit wider, den Oberon und Titania im Feenreich ausführen, da Titania dem König der Elfen ebenfalls ihre Zuneigung verweigert. Die Feen und Elfen werden von den übrigen Tänzerinnen und Tänzern verkörpert, wenn sie nicht gerade als Liebespaare Hermia / Lysander und Helena / Demetrius durch den Zauberwald irren oder als Handwerker dort ihr Theaterstück für die Hochzeit einstudieren. Jürgen Kirner hat für die Feen und Elfen eng ansitzende beigefarbene Kostüme entworfen und ihr Gesicht ebenfalls mit Stoff verdeckt, so dass sie an sich bewegenden Bäumen erinnern und mit den anderen Charakteren nicht assoziiert werden. Bei der Premiere am Sonntag hat sich allerdings Hitomi Kuhara, die die Partie des Puck tanzt, verletzt. Einen Ersatz gibt es mit Sarah-Lee Chapman, die aber eigentlich die Rolle eines Handwerkers verkörpert, so dass Breiner an diesem Abend kurzerhand selbst die Rolle des Snug übernimmt, der in der Theateraufführung Pyramus und Thisbe den Löwen mimt. So können die Besucher dieser Vorstellung auch noch einmal Breiner als Tänzerin auf der Bühne erleben.

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Oberon (Paul Calderone) verzaubert Titania (Bridgett Zehr) mit der magischen Blume.

Jürgen Kirner hat als Bühnenbild zwei abstrakte Welten entworfen, die die unterschiedlichen Handlungsorte treffend charakterisieren. In Athen beherrscht zunächst eine weiße rechteckige Wand mit einer schmalen Tür im Hintergrund die Bühne, die in der realen Welt klare Strukturen aufweist. Paul Calderone füllt als Herrscher Theseus in hellem Kostüm die Tür voll aus, während Bridgett Zehr ein helles Kleid mit einer weiten ausladenden Schleppe trägt, mit dem sie unmöglich diese Tür durchschreiten kann. Ihre Ablehnung scheint zunächst unüberwindbar. Theseus' Versuche, ihre Liebe zu gewinnen, sind zum Scheitern verurteilt. Zehr setzt diese Abneigung sehr ausdrucksstark um. Das Feenreich hingegen ist durch runde Formen gekennzeichnet. Eine Art riesiger Schirm hängt über der Bühne, der sich im zweiten Akt auf die Liebenden senkt, die sich im Wald verirrt haben. Oberon und Titania tragen hautfarbene Kostüme, die von roten und blauen Adern durchzogen sind, und bilden damit optisch ebenfalls einen starken Kontrast zu Theseus und Hippolyta. Puck sieht mit seinen großen Ohren und dem hohen Dutt einfach nur niedlich aus, so dass man ihm das ganze Chaos, das er im Feenreich anrichtet, nicht übel nehmen kann. Die Handwerker sind recht bodenständig ausstaffiert. Im Wald werden sie allerdings alle sechs von Puck in Tiere verwandelt. Kirner hat dort mit kleinen Accessoires wunderbar die einzelnen Tiere angedeutet. Mason Manning verwandelt sich beispielsweise als Tom Snout in ein Eichhörnchen mit einem riesigen buschigen Schwanz, Lucia Solari stakst als Vogel mit blauem Gefieder über die Bühne, und José Urrutia ist in der Gestalt eines Uhu genauso würdevoll wie als Leiter der Theatergruppe Peter Quince.

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Puck (hier Hitomi Kuhara, rechts) sorgt für Verwicklungen zwischen den Liebenden (von links: Hermia (Francesca Berruto), Lysander (Carlos Contreras), Helena (Sara Zinna) und Demetrius (Louiz Rodrigues)).

Musikalisch wird natürlich nicht auf die berühmte Schauspielmusik von Felix Mendelssohn Bartholdy verzichtet. Um die ganze Geschichte zu erzählen, reicht Mendelssohns Komposition allerdings nicht aus, so dass Breiner zusammen mit Marko Kassl und Annette Reifig weitere Musik ausgewählt hat, die die unterschiedlichen Welten wunderbar einfängt und teilweise von Kassl am Akkordeon und Reifig am Klavier live begleitet wird. Reifig tritt dabei wie eine Märchenoma in einem blauen Kleid mit weißem Dutt und Brille auf und spielt den ersten Teil bis zur Pause aus dem Orchestergraben, von dem eine Treppe hinauf zur Bühne führt. Im zweiten Teil sitzt sie dann auf der linken Seite im Bühnenhintergrund. Die Welt der Liebenden in Athen wird dabei von vier Stücken aus der Mendelssohn-Suite zum Sommernachtstraum und vier Stücken aus Mendelssohns Klavier-Sammlung Lieder ohne Worte ergänzt. Für die Welt der Handwerker verwendet Breiner Stücke aus Duke Ellingtons Jazz-Album Such Sweet Thunder. Ellington hatte als großer Shakespeare-Fan 1956 zu Ehren des Shakespeare-Festivals in Stratford eine Jazz-Suite komponiert, die einzelne Stücke von Shakespeare zitiert. Die magische Feenwelt wird relativ abstrakt mit zeitgenössischen Stücken untermalt: Manches klingt dabei wie eine Geräuschkulisse in einer riesigen Voliere im Tierpark.

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Puck (hier: Hitomi Kuhara, vorne rechts) beobachtet die Handwerker bei der Probe (von links: Mrs. Starveling (Lucia Solari), Nick Bottom (Ledian Soto), Francis Flute (Valentin Juteau), Snug (Sarah-Lee Chapman), Peter Quince (José Urrutia) und Tom Snout (Mason Manning)).

Die Aufführung der Handwerker zur Hochzeit setzt szenisch und musikalisch auf Slapstick-Humor. Valentin Juteau gibt als Francis Flute eine herrlich übertriebene Thisbe, die zu der berühmten Arie der Juliette aus Charles Gounods Roméo et Juliette, "Je veux vivre", über die Bühne schwebt, dabei aber die Wand (Mason Manning), die sie von Pyramus trennt, nicht überwinden kann. Ledian Soto wirkt als Nick Bottom in der Rolle des Pyramus mit seinem knappen weißen Outfit und dem goldenen Helm wie eine Witzfigur und zieht die eigentliche Tragödie bewusst ins Lächerliche. Auch als Esel begeistert er zuvor in der Szene mit Titania mit großem Humor. Szenenapplaus gibt es für Bridget Breiner, die als zitternder Löwe auf die Bühne getragen wird und zum "Rhapsody Rag" von Budd L. Cross eine atemberaubende Stepp-Nummer präsentiert. Während Pyramus' Selbstmord noch mit relativ viel Klamauk gezeigt wird, kippt die Stimmung zu "Isoldes Liebestod" von Richard Wagner in der Klavierbearbeitung von Franz Liszt, die Reifig mit viel Gefühl live spielt. Juteau bewegt mit seinem intensiven Spiel auch Hippolytas Herz. So finden Theseus und Hippolyta am Ende schließlich doch noch zueinander. Francesca Berruto überzeugt als Hermia, die zunächst von zwei Männern begehrt wird und dann plötzlich durch Einsatz der Zauberblume abgelehnt wird, genauso wie Sara Zinna als Helena. Carlos Contreras und Louiz Rodrigues gestalten die beiden Rivalen Lysander und Demetrius mit großem Pathos. Besonders hervorzuheben ist auch Sarah-Lee Chapman, die die Partie des Puck für die verletzte Hitomi Kuhara übernommen hat. Mit überbordendem Spielwitz gestaltet sie Oberons Gehilfen und sorgt für allerhand Chaos auf der Bühne. Die magische Blume, deren Saft die Menschen verzaubert, fällt am Ende aus dem Schnürboden herab und wandert beim Schlussapplaus von einem Solisten zum nächsten. Betrachtet man die stehenden Ovationen und den großen Jubel des Publikums kann man wohl mit Recht behaupten, dass diese Blume die Zuschauer ebenfalls verzaubert hat.

FAZIT

Nach diesem Abschiedsgeschenk wird man Bridget Breiner in Gelsenkirchen sicherlich noch mehr vermissen. Deswegen kann man nur empfehlen, sich diesen Ballettabend keinesfalls entgehen zu lassen.


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Produktionsteam

Inszenierung und Choreographie
Bridget Breiner

Bühne und Kostüme
Jürgen Kirner

Lichtdesign
Bonnie Beecher

Dramaturgie
Stephan Steinmetz

 

Akkordeon
Marko Kassl

Klavier
Annette Reifig

 

Tänzerinnen und Tänzer

*rezensierte Aufführung

Theseus / Oberon
Paul Calderone

Hippolyta / Titania
*Bridgett Zehr /
Lucia Solari

Philostrat / Puck
Hitomi Kuhara /
*Sarah-Lee Chapman

Hermia
Francesca Berruto

Helena
Sara Zinna

Lysander
Carlos Contreras

Demetrius
Louiz Rodrigues

Nick Bottom / Pyramus
Ledian Soto

Peter Quince / Prolog
José Urrutia

Francis Flute / Thisbe
Valentin Juteau

Tom Snout / Wand
Mason Manning

Snug / Löwe
Sarah-Lee Chapman /
*Bridget Breiner

Mrs. Starveling / Mond
*Lucia Solari /
Bridgett Zehr

 


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