Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Mass

A Theatre Piece for Singers, Dancers and Players
Text nach der Liturgie der Römischen Messe, weitere Texte von Stephen Schwartz und Leonard Bernstein
Musik von Leonard Bernstein

in englischer und lateinischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 50' (keine Pause)

Premiere im Großen Haus im MiR am 6. Oktober 2018
(rezensierte Aufführung: 11.10.2018)

Homepage

Musiktheater im Revier
(Homepage)

Das Theater als Gemeinde

Von Thomas Molke / Fotos:© Karl Forster und Costin Radu

Am 25. August 2018 wäre Leonard Bernstein 100 Jahre alt geworden. Das ist Grund genug für Michael Schulz und sein Team am Musiktheater im Revier die neue Spielzeit mit einem Stück dieses bedeutenden Dirigenten, Komponisten und Pianisten des 20. Jahrhunderts zu eröffnen. Dabei hat man sich allerdings nicht für die berühmte West Side Story entschieden, die zum Standardrepertoire im Musiktheaterbereich zählt, oder für seine American Operetta Candide, mit der Schulz vor zehn Jahren seine Intendanz in Gelsenkirchen begann, sondern hat das relativ unbekannte Bühnenwerk Mass ausgewählt, das sich an der Liturgie der römischen Messe orientiert und von Bernstein 1971 für die feierliche Eröffnung des John F. Kennedy Centers for the Performing Arts komponiert wurde. Bernstein wollte damit zu Ehren des ersten katholischen Präsidenten der Vereinigten Staaten Amerikas eine Art Messe als musiktheatralisches Ereignis schreiben. Richard Nixon soll das Werk als Affront gegen seine Regierung betrachtet haben, was dazu führte, dass er nicht zur Uraufführung am 8. September 1971 nach Washington kam. In der Tat wirft Bernstein im übertragenen Sinn einen sehr kritischen Blick auf die damaligen sozialen Verhältnisse in den USA, die durch die schwarze Bürgerrechtsbewegung, den Vietnamkrieg und die Ermordung so charismatischer Persönlichkeiten wie John F. Kennedy und Martin Luther King sehr konfliktbeladen war.

Bild zum Vergrößern

Noch ist die Welt in der Gemeinde in Ordnung: Der Celebrant (Henrik Wager, Mitte vorne) mit dem Street Chorus und dem Ballett (ganz hinten)

In dem Stück, das Bernstein selbst als "A Theatre Piece for Singers, Dancers and Players" bezeichnet hat, versammelt sich die Gemeinde zu einer Messe. Ein Celebrant beginnt den Gottesdienst mit einem gemeinsamen Gebet in einer freudigen, ausgelassenen Stimmung. Doch im Verlauf der Messe beginnt die Gemeinde, am Sinn von Sündenbekenntnis, Gotteslob, Predigt und Glaubensbekenntnis zu zweifeln, und unterbricht die einzelnen Passagen der Messe mit so genannten Tropen, die in einer Art Gegenrede die christlichen Lehren in Frage stellen und allmählich zu wachsender Unzufriedenheit der Gemeinde führen. Der Celebrant kann die Gemeinde immer weniger überzeugen und fällt schließlich der revoltierenden Masse, deren Verlangen nach Frieden immer aggressiver wird, zum Opfer. Die Welt liegt in Scherben, und die Gemeinde muss nun aus eigener Kraft einen Neuanfang wagen. Allmählich erhebt sich aus der orientierungslosen Masse eine einzelne Stimme, die das Eingangslied aufgreift und den Menschen ihren Glauben und die Hoffnung auf eine neue, bessere Welt zurückgibt.

Bild zum Vergrößern

Der Gemeinde (Ballett) kommen Zweifel an der Lehre der Kirche.

Das Regie-Team um Richard Siegal bezieht in die Produktion in Gelsenkirchen nicht nur das gesamte Solisten-Ensemble als Street Chorus, den Opernchor, einen eigens gegründeten Projektchor, die komplette Ballettsparte und den Knabenchor der Chorakademie Dortmund ein, sondern lässt auch das Publikum im Saal zu einem Teil der Gemeinde werden. Die Einführung im Foyer findet vor dem Morschener Wandelaltar statt, den der Künstler Eugen Mahler nach dem Vorbild des berühmten Isenheimer Altars geschaffen hat. Von den vier Ansichten des Altars sieht man zunächst das zweite Bild, das mit unruhigen Rot- und Blautönen als Anspielung auf venöses und arterielles Blut Tod und Leben, die Vergänglichkeit und die Kreuzigung darstellen soll. Anschließend wird während der Einführung der Wandelaltar aufgeklappt und gibt den Blick auf eine Faltwand frei, auf der zahlreiche Blätter nach dem "Himmel und Hölle"-Spiel in unterschiedlichen Farben angebracht sind. Im Anschluss werden Notenblätter verteilt, und Giuliano Betta probt mit den Zuschauern das Anfangslied der Gemeinde, "Almighty Father", das im Saal dann auch mitgesungen werden soll. Dabei wird das Publikum im Foyer von den Solisten und dem Opernchor tatkräftig unterstützt.

Bild zum Vergrößern

Es kommt zur offenen Revolte (Mitte: Paul Calderone mit dem Ballett).

Im Saal ist dann auch das Ensemble im Zuschauerraum verteilt. Die Solisten des Street Chorus und der Celebrant sitzen in der ersten Reihe, der Opernchor und Projektchor haben auf der linken Seite im zweiten Rang Platz genommen und der Knabenchor der Chorakademie Dortmund ist auf der rechten Seite im zweiten Rang positioniert. Die Musiker der Neuen Philharmonie sind teilweise im Orchester untergebracht, treten aber im Verlauf des Stückes auch auf der Bühne und im Rang auf. So entsteht das Gefühl, dass alle im Saal eine riesige Gemeinde bilden. In der besuchten Vorstellung funktioniert die Einbindung der Zuschauer in den vorher geprobten Song leider nicht so gut. Das Publikum traut sich nicht wirklich, dem Aufruf des Celebranten Folge zu leisten. Auch bleibt man sitzen, als der Celebrant die Gemeinde auffordert, sich zu erheben. Dennoch fühlt man sich als Teil des Ganzen, da man gewissermaßen von allen Seiten von Mitwirkenden umgeben ist. Stephan Mayer konzipiert die Bühne als in hellem Holz gehaltenen, wandelbaren Gemeindesaal, der den zahlreichen Akteuren genügend Raum lässt.

Bild zum Vergrößern

Die Gemeinde (Ensemble) opfert den Celebranten (Henrik Wager, Mitte hinten).

Musikalisch vereint Bernstein hier zahlreiche Musikstile des 20. Jahrhunderts von Mahler über Strawinsky bis zu fetzigen Latino-Rhythmen, die stark an die Sharks aus der West Side Story erinnern. Die Tanzchoreographien Siegals wecken ebenfalls Erinnerungen an die West Side Story, hier allerdings eher an die Jets beispielsweise in dem Song "Cool". Wenn die Tänzer untereinander zur Musik ihre Kämpfe austragen, fühlt man sich an die Straßenkämpfe in die West Side Story erinnert, und auch einen Anklang an das berühmte "Somewhere" kann man heraushören. Hervorzuheben ist der Tänzer Paul Calderone, der mit sehr guter Stimme auch im Street Chorus auftritt und den Celebranten unterstützt. Henrik Wager überzeugt stimmlich und darstellerisch als Celebrant, dessen Glauben im Verlauf des Stückes immer härter auf die Probe gestellt wird, und der schließlich als "Agnus Dei" geopfert wird und zerbricht. Bewegend stellt er den inneren Kampf eines Mannes dar, der den immer stärker werdenden Zweifeln der Gemeinde nicht mehr gewachsen ist und unter der Last schließlich zusammenbricht. Der Opernchor und eigens für die Produktion zusammengestellte Projektchor des MiR überzeugen durch homogenen Klang, und auch die Solisten bilden als Street Chorus ein wunderbares Ensemble. Vom Knabenchor der Chorakademie Dortmund ist vor allem der Knabensolist Eric Aklender hervorzuheben, der mit heller, unschuldiger Stimme nach dem Zusammenbruch den "Simple Song" wieder anstimmt und damit neue Hoffnung aufkeimen lässt, auch wenn szenisch nicht ganz motiviert wird, woher der plötzliche Wandel in der Gemeinde kommt.

So gibt es am Ende großen und verdienten Beifall für alle Beteiligten.

FAZIT

Dem Musiktheater im Revier gelingt mit dieser Premiere unter Beteiligung des kompletten Ensembles ein großartiger Einstieg in die neue Spielzeit.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
*Rasmus Baumann /
Giuliano Betta

Inszenierung, Choreographie und Kostüme
Richard Siegal

Bühne und Licht
Stefan Mayer

Choreinstudierung
Alexander Eberle

Knabenchor Einstudierung
Jost Salm

Dramaturgie
Stephan Steinmetz

 

Neue Philharmonie Westfalen

Opernchor und Projektchor des MiR

Knabenchor der Chorakademie Dortmund

 

Solisten

*rezensierte Aufführung

Celebrant
Henrik Wager

Tänzerinnen und Tänzer
Francesca Berruto
Sarah-Lee Chapman
Hitomi Kuhara
Lucia Solari
Tessa Vanheusden
Bridgett Zehr
Sara Zinna
Paul Calderone
Carlos Contreras
Valentin Juteau
Mason Manning
Louiz Rodrigues
Ledian Soto
José Urrutia

Street Chorus
Almuth Herbst
Lina Hoffmann
Bele Kumberger
Dongmin Lee
Boshana Milkov
Noriko Ogawa-Yatake
Christa Platzer
Petra Schmidt
Anke Sieloff
Shixuan Wei
Paul Calderone
Tobias Glagau
Khanyiso Gwenxane
Michael Heine
Martin Homrich
John Lim
Joachim Gabriel Maaß
Urban Malmberg
Petro Ostapenko
Piotr Prochera
Jiyuan Qiu
Sebastian Schiller
Ruud van Overdijk

Solist des Knabenchores der Chorakademie Dortmund
*Eric Aklender /
Phillip Ammer /
Gabriel Böer /
Ben Walz

1. Blues Sänger
Piotr Prochera

2. Blues Sänger
Anke Sieloff

3. Blues Sänger
Paul Calderone

1. Rock Sänger
Sebastian Schiller

2. Rock Sänger
Petro Ostapenko

3. Rock Sänger
Tobias Glagau

"World Without End"
Anke Sieloff

"Non credo"
Piotr Prochera

"I believe in God"
Paul Calderone

"Thank you"
Petra Schmidt

"Hurry"
Almuth Herbst

Gospel Sermon (Preacher)
Paul Calderone

 

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Musiktheater im Revier
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2018 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -