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Musiktheater
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Schwanda der Dudelsackpfeifer

Volksoper in zwei Akten (fünf Bildern)
Text von Miloš Kareš, Bearbeitung von Max Brod
Musik von Jaromír Weinberger

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 50' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus im MiR am 15. Juni 2019

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Musiktheater im Revier
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Märchenhafte Magie mit Dudelsack

Von Thomas Molke / Fotos:© Karl und Monika Forster

Jaromír Weinberger zählt zu den Komponisten, deren Karriere sich vielleicht anders entwickelt hätte, wenn mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland nicht das anti-semitische Gedankengut in ganz Europa tonangebend und somit der Erfolg jüdischer Komponisten verhindert worden wäre. In einer Zeit, in der Arnold Schönberg und Alban Berg eine neue Sprache für das Musiktheater suchten, wollte Weinberger eine neue tschechische Volksoper im tonalen Stil komponieren und verarbeitete dabei die Musik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu einem Ganzen. Während die Uraufführung in Prag 1927 noch relativ verhalten aufgenommen wurde, startete die Oper ein Jahr später von Breslau aus einen Siegeszug durch ganz Europa, der sogar bis nach New York an die Met und nach Buenos Aires führte. Einen wichtigen Beitrag dazu leistete Max Brod, der unter anderem auch für die Übersetzung der Opern von Leoš Janáček und die Veröffentlichung der Werke aus dem Nachlass seines Freundes Franz Kafka verantwortlich war. In dieser Bearbeitung wurde das Stück mit kleinen Veränderungen und Ergänzungen ein Riesenerfolg und allein bis 1933 über 2000 Mal aufgeführt. Erst danach verschwand es komplett von den Spielplänen. Weinberger gelang mit seiner Frau die Flucht in die USA, konnte dort allerdings nach dem Krieg an den einstigen Erfolg nicht mehr anknüpfen. Sein psychischer Zustand verschlechterte sich immer mehr, und 1967 nahm er sich das Leben. In den vergangenen Jahren hat es vereinzelte Versuche gegeben, Schwanda dem Vergessen zu entreißen. Zu erwähnen seien hier Produktionen an der Semperoper in Dresden 2012 und am Stadttheater Gießen in der vergangenen Spielzeit. Nun unternimmt auch das Musiktheater im Revier einen Versuch, dem Werk wieder einen Platz im Repertoire zu sichern.

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Babinsky (Uwe Stickert, Mitte) überredet Schwanda (Piotr Prochera, links) sehr zum Missfallen von Dorota (Ilia Papandreou), mit ihm in die Welt hinauszuziehen.

Die Geschichte verbindet zwei der beliebtesten tschechischen Helden: Schwanda, den Dudelsackpfeifer, der mit seinem Spiel auf dem Dudelsack die Menschen zum Tanzen bringt und ihre Sorgen vergessen lässt, und Babinsky, eine Art Robin Hood, der bereits zu Lebzeiten als böhmischer Kämpfer für die Gerechtigkeit verklärt wurde. Auf der Flucht vor zwei Landknechten landet Babinsky auf Schwandas Bauernhof und verliebt sich in dessen junge Ehefrau Dorota. Schwanda überredet er, mit ihm in die Welt hinauszuziehen und mit seinem Spiel Ruhm und Reichtum zu erlangen. Gemeinsam landen sie am Hof der Eiskönigin, die für die Macht ihr Herz an einen finsteren Magier verloren hat. Schwanda befreit mit seiner Musik die Königin und ihr Volk aus der Erstarrung, woraufhin die Königin ihn sofort heiraten möchte. Schwanda stimmt zu, doch da taucht Dorota auf und stellt ihren Gatten zur Rede. Die Königin will Schwanda wegen Betrugs hinrichten lassen. Babinsky rettet in letzter Minute den Freund, und Schwanda lässt mit seinem Dudelsackspiel die Dorfgemeinschaft und die Königin davon tanzen. Als er Dorota versichert, die Königin noch nicht einmal geküsst zu haben, landet er für diese Lüge in der Hölle. Babinsky folgt ihm aus Liebe zu Dorota und löst ihn aus, indem er den Teufel beim Kartenspiel überlistet. So kehrt Schwanda glücklich zu seiner Dorota zurück und preist gemeinsam mit ihr die Heimat, während Babinsky weiterzieht.

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Schwanda (Piotr Prochera, vorne Mitte) erlöst mit seinem Dudelsackspiel den Hofstaat (Opernchor) und die Eiskönigin (Petra Schmidt, oben).

Das Regie-Team um Michiel Dijkema bewahrt den märchenhaften Charakter der Vorlage, was sich vor allem im Bühnenbild, für das Dijkema verantwortlich zeichnet, und in den bunten Kostümen von Jula Reindell zeigt. Schwanda und seine Dorota sind sehr folkloristisch gekleidet, während Babinsky mit seinem langen Rauschebart an einen einsamen Wanderer erinnert, der die Wälder durchstreift. Die Eiskönigin trägt ein silbern glänzendes weites Gewand, das zunächst die Erstarrung des Hofstaates unterstreicht. Wenn Schwanda mit seinem Dudelsack auftritt, öffnet sich die aufgetürmte Haarpracht der Königin zu einer riesigen roten Blume, und auch aus ihrem weiten Rock scheinen große rote Blumen zu erblühen. Dem Hofstaat, der zunächst in kaltem Blau gekleidet ist, wachsen ebenfalls bunte Blumen aus den Kostümen, die zeigen, wie das Leben und die Freude wieder in die Hofgesellschaft zurückgekehrt ist. Der Magier wirkt wie ein dunkler Dämon und trägt in seiner Hand einen Stab, an dessen Spitze eine Kugel rot schimmert, die wohl das schlagende Herz der Eiskönigin enthalten soll. Wenn sich nach der Pause der Vorhang zur Hölle hebt, ist das Publikum sogar derart angetan von den Kostümen und dem Bühnenbild, dass es vor Begeisterung hemmungslos in die Musik hineinklatscht. Dijkema hat die Höllengeister zu einer riesigen Pyramide aufgetürmt, in deren Mitte auf einem riesigen Thron der Teufel sitzt. Reindell hat die Höllengeister und den Teufel in feuerroten Kostümen ausgestattet, die mit allerlei Accessoires ein märchenhaftes Bild der Unterwelt vermitteln.

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Schwanda (Piotr Prochera, vorne links) ist beim Teufel (Joachim Gabriel Maaß, in der Mitte) und seinen Höllengeistern (Opernchor und Statisterie) gelandet.

Beeindruckend ist auch eine als Vorhang fungierende Leinwand gestaltet. In einer Projektion erkennt man zwischen einem Dudelsack und einem daneben abgebildeten menschlichen Herzen enorme Parallelen. Damit soll angedeutet werden, dass Schwandas Spiel auf dem Dudelsack den Menschen im wahrsten Sinne des Wortes zu Herzen geht. In diesem Ambiente begeistert das Ensemble mit einem märchenhaften Spiel, das einem Anhänger des modernen Regietheaters eventuell als zu kitschig oder zu kindlich vorkommen mag. Doch das Premierenpublikum zeigt sich sehr angetan, was sich in großem Beifall äußert. Zu Beginn sieht man die ländliche Idylle, in der Schwanda und Dorota ihre Zweisamkeit genießen als üppige Blumenwiese mit einem belaubtem Baum. In diesem hat sich Babinsky vor seinen Verfolgern versteckt. Dorota zeigt sich dem Schmeichler gegenüber zunächst sehr misstrauisch, was sich beim gemeinsamen Mahl der drei im ersten Bild zeigt. Im zweiten Bild bei der Eiskönigin sieht man eine von Schnee bedeckte Bühne, die von einer riesigen Glocke und einem Richtplatz dominiert wird, auf dem noch ein geköpfter griechischer Prinz zu sehen ist, der am Hof sein Leben lassen musste. Unter dieser Glocke geht es dann hinab in die Unterwelt. Wenn Schwanda seiner Dorota beim Teufel schwört, die Königin noch nicht einmal geküsst zu haben, schlägt die Glocke, und Schwanda verschwindet eindrucksvoll im Bühnenboden. Babinsky folgt ihm, nachdem er erkannt hat, dass er Dorotas Herz nicht für sich gewinnen kann. Beeindruckend gelingt dann die Schlussszene zwischen Babinsky und Dorota. Dorota gibt ihm zum Abschied einen langen intensiven Kuss, so dass man einen Moment zweifeln mag, ob damit das Glück zwischen Schwanda und Dorota doch noch zerstört wird. Einige Missklänge in der Musik deuten anschließend auch an, dass Schwanda und Dorota nun nicht direkt zum Tagesgeschäft übergehen können, sondern erst wieder zueinander finden müssen. Doch das gelingt ihnen schließlich. Erst jetzt verlässt Dijkema den märchenhaften Charakter des Stückes und lässt den Chor in Alltagskleidung auftreten. Vor Projektionen aus Gelsenkirchen preist der Chor gemeinsam mit Schwanda und Dorota die Heimat.

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Höllentanz: von links: Teufel (Joachim Gabriel Maaß), des Teufels Famulus (Tobias Glagau), Höllenhauptmann (Jiyuan Qiu) und Babinsky (Uwe Stickert)

Musikalisch hat Weinbergers Musik einiges zu bieten, was sich bereits in der umfangreichen Ouvertüre zeigt. Hier werden orchestral-symphonische Momente mit folkloristisch angehauchten Themen verknüpft und erinnern stark an Filmmusik. Neben fulminanten Orchesterzwischenspielen gibt es mitreißende Tänze, die jeweils in Gang gesetzt werden, wenn Schwanda auf seinem Dudelsack spielt. Als Instrument kommt der Dudelsack im Orchester allerdings nicht vor, sondern wird vom Orchester lediglich imitiert. Giuliano Betta arbeitet mit der Neuen Philharmonie Westfalen die zahlreichen Farben der Partitur differenziert aus und breitet einen bunten Klangteppich aus, der an einzelnen Stellen droht, die Solisten zu überdecken. Piotr Prochera punktet in der Titelpartie mit markantem Bariton und ist darstellerisch für die Rolle prädestiniert. Absolut natürlich wirkt bei ihm Schwandas naive Lebensfreude. Besondere Komik entfaltet er, wenn er dem Freund Babinsky erklärt, warum er Dorota bei dem Kuss der Eiskönigin belogen hat. Uwe Stickert stattet den Babinsky mit einem strahlenden Tenor aus, der in den Höhen über großartigen Schmelz verfügt. Musikalisch bemerkenswert ist seine Vorstellung als Räuber, da Weinberger hier einen sehr jazzigen Rhythmus wählt, der ein wenig an Kurt Weill erinnert. Bewegend spielt Stickert auch seine tiefen Gefühle für Dorota aus. Ilia Papandreou verfügt als Dorota über einen weichen Sopran, der im üppigen Klang des Orchesters stellenweise ein wenig untergeht. Intensiv gestaltet sie die Duette mit Prochera und trumpft als eifersüchtige Frau mit kräftigen Höhen auf. Joachim Gabriel Maaß gibt einen wunderbar komischen Teufel, in dessen Reich man sich gar nicht so sehr zu fürchten braucht. Sein Kartenspiel mit Stickert ist einer der szenischen Höhepunkte des Abends. Der von Alexander Eberle einstudierte Opern- und Extrachor begeistert vor allem in der Höllenszene mit großer Spielfreude und fulminantem Klang. Auch die übrigen Partien sind gut besetzt, so dass es am Ende für alle Beteiligten großen und verdienten Applaus gibt.

FAZIT

Weinbergers Schwanda ist musikalisch eine Entdeckung und verdient einen festen Platz im Repertoire. In einer märchenhaften Inszenierung dürfte das Stück als Einstiegsoper ähnlich geeignet sein wie Humperdincks Hänsel und Gretel oder Mozarts Zauberflöte.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Giuliano Betta

Inszenierung und Bühne
Michiel Dijkema

Kostüme
Jula Reindell

Choreographie
Denis Untila

Licht
Thomas Ratzinger

Choreinstudierung
Alexander Eberle

Dramaturgie
Anna Chernomordik

 

Neue Philharmonie Westfalen

Opern- und Extrachor
des MiR

Statisterie des MiR

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Schwanda
Petro Ostapenko /
*Piotr Prochera

Dorota
Ilia Papandreou

Babinsky
Uwe Stickert

Königin Eisherz
Petra Schmidt

Magier
Michael Heine

Teufel
Joachim Gabriel Maaß

Schafrichter / Des Teufels Famulus
Tobias Glagau

1. Landknecht / Richter / Höllenhauptmann
Benjamin Hoffmann /
*Jiyuan Qiu

2. Landknecht
John Lim

 


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