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La resurrezione - Die Auferstehung

Oratorium in zwei Teilen
Libretto von Carlo Sigismondo Capece
Musik von Georg Friedrich Händel

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 25'  (eine Pause)

Premiere im Stadttheater Gießen am 16. März 2019
(rezensierte Aufführung: 12.04.2019)



Stadttheater Gießen
(Homepage)

Auferstehung in der Leichenhalle

Von Thomas Molke / Fotos: © Rolf K. Wegst

Dass in den vergangenen Jahren immer mehr Bühnen dazu übergehen, neben Georg Friedrich Händels Opern auch seine Oratorien szenisch umzusetzen, mag darin begründet liegen, dass die meisten von ihnen in ihrem dramaturgischen Aufbau einer Oper ähnlicher sind als einem Oratorium. Werke wie Semele und Hercules behandeln beispielsweise nicht einmal ein biblisches Thema. Doch auch die beiden ersten Oratorien, die 1707 und 1708 in Rom entstanden, als im Kirchenstaat die Aufführung von Opern verboten war, zeigen, dass Händel hier die Erfahrungen aus seiner Hamburger Zeit am Gänsemarkttheater mit Einflüssen aus der italienischen Opera seria vermischte und versuchte, durch dramatische Akzente bei den Zuschauern die Sehnsucht nach Theateraufführungen zu befriedigen. Mit dem Marchese Francesco Maria Ruspoli hatte Händel dann auch für sein zweites Oratorium La resurrezione einen Auftraggeber gefunden, der einen szenischen Charakter der Aufführung unterstützte. Es heißt sogar, dass bei den nicht öffentlichen Vor-Aufführungen die zu Ruspolis Haushalt zählende Sopranistin Margherita Durastante die Partie der Maria Maddalena gesungen habe, obwohl es Frauen in Rom zur damaligen Zeit verboten war, in der Kirche oder auf der Bühne öffentlich zu singen. Bei der offiziellen Uraufführung zum Osterfest 1708 übernahm dann der Sopran-Kastrat Filippo die Partie, um keinen Eklat mit der katholischen Kirche zu provozieren. Nachdem in dieser Spielzeit bereits das Theater Aachen Händels erstes Oratorium Il trionfo del Tempo e del Disinganno szenisch zur Aufführung gebracht hat (siehe auch unsere Rezension), folgt nun Gießen mit La resurrezione - Die Auferstehung.

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Angelo (Samuel Mariño, links) und Lucifero (Grga Peroš, rechts) im Kampf um die Seele des Verstorbenen

Erzählt wird die biblische Geschichte von der zweiten Nacht nach der Kreuzigung und vom Morgen der Auferstehung. Der Librettist Carlo Sigismondo Capece nutzte für seinen Text die Berichte aus den Schlusskapiteln der vier Evangelien und stellt dabei drei Figuren in den Mittelpunkt: den Evangelisten Johannes (Giovanni), der auch gleichzeitig zu den zwölf Jüngern zählte, Maria Magdalena (Maddalena), deren besondere Beziehung zu Jesus Thema zahlreicher theologischer Abhandlungen ist, und Maria Kleophae (Cleofe), die in der christlichen Tradition als Ehefrau des Kleophas angesehen wird und zu den Gründern der Jerusalemer Urgemeinde zählt. Im ersten Teil des Oratoriums beweinen die beiden Frauen den Tod des geliebten Jesus und schöpfen durch Johannes' Prophezeiung der Wiederauferstehung wieder Hoffnung. Als zweite Handlungsebene führt Capece den Teufel (Lucifero) ein, der mit einem Engel (Angelo) einen Kampf um den kürzlich verstorbenen Jesus führt. Während Lucifero zunächst triumphiert, da er Gottes Sohn nun in sein Reich holt, sagt ihm der Engel voraus, dass Jesus' Auferstehung die Erlösung des Menschen von der Sünde der Welt bedeuten werde. Im zweiten Teil vollzieht sich dann die Auferstehung. Lucifero muss seine Niederlage einsehen und stürzt sich in die Abgründe der Hölle. Die beiden Frauen finden das leere Grab und erfahren vom Engel von der Auferstehung. Obwohl sie Jesus nicht sehen können, glauben sie an seine Erlösung und an das damit verbundene ewige Leben.

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Der Engel (Samuel Mariño) spendet Maddalena (Francesca Lombardi Mazzulli) Trost.

Das Regie-Team um Balász Kovalik beschäftigt sich mit der Frage, was Glaube und Tod in der heutigen Gesellschaft für uns bedeuten und wie man mit dem Verlust eines nahestehenden Menschen umgeht. Deswegen siedelt Kovalik die Handlung in einer Leichenhalle an. Zu Beginn sieht man den toten Jesus aufgebahrt unter einem grünen Tuch. Lucifero tritt mit zwei kleinen Hörnern auf der Stirn als eine Art Bestatter im schwarzen Anzug auf und triumphiert, dass er den Sohn Gottes für sein Reich gewonnen hat. Doch der Engel erscheint in strahlendem Weiß auf einer Treppe im Nebenraum und verkündet, dass der Tod nicht das Ende sein werde. Sebastian Ellrich hat mit grauen, drehbaren Wänden einen sehr flexiblen Raum geschaffen, der sich durch Einsatz der Drehbühne leicht variieren lässt. Die grauen Wände fungieren außerdem als Projektionsfläche für kleine Videoeinspielungen, die die Gedanken der Figuren beschreiben. Die Trauergemeinde um Maddalena und Cleofe wird noch um einige Statisten und eine Statistin ergänzt, die wohl die Mutter Maria darstellen soll. Etwas verwirrend bleibt, in welchem Verhältnis Cleofe in Kovaliks Inszenierung zum verstorbenen Jesus steht. Das weiße Brautkleid, das sie im ersten Teil anzieht, und die Videoprojektion, in der sie in dem weißen Kleid über eine Wiese läuft, legen nahe, dass er sie als Braut des Verstorbenen sieht, die im zweiten Teil auch noch hochschwanger ist. Diese Funktion würde aber eigentlich eher Maddalena zukommen. Giovanni übernimmt die Rolle des Pfarrers. Am Ende des ersten Teils wird der Sarg dem Feuer übergeben.

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Giovanni (Aco Bišcevic) hat eine seltsame Vision.

Für leichte Verwirrung sorgt der Beginn des zweiten Teils. Giovanni scheint in einem Bett in einer Art Zelle feuchte Träume zu haben, wie die Projektionen an der Rückwand hinter ihm vermuten lassen. Dann treten plötzlich rot gewandete Kapuzenmänner auf, die Giovanni wie bei einer Inquisition das Fürchten lehren. Unheimlich bleibt die nächste Szene. Unter rotem Rauch entsteigt Lucifero mit nacktem Oberkörper und feuerrotem Rock der Hölle und versucht ein letztes Mal, die Menschen auf seine Seite zu ziehen. Dazu überreicht er ihnen jeweils ein verlockendes Geschenk, das eine Assoziation zu den einzelnen Todsünden aufweist. Doch der Engel und Giovanni weisen ihn in seine Schranken, und so muss er unverrichteter Dinge wieder in die Unterwelt hinabsteigen, während sich die Frauen mit den Gästen auf den Leichenschmaus vorbereiten. Maddalena zeigt sich dabei sehr zuversichtlich. Während sie den Tisch deckt, wirkt sie jetzt wie die Ehefrau des Verstorbenen und sieht ihn in einer Projektion am Tisch vor Kopf sitzen. Er ist für sie gewissermaßen wieder da. Die anderen haben diese Zuversicht noch nicht. So bleibt Cleofe beispielsweise selbst bei der Erkenntnis, dass das Grab leer ist, mit Blick auf ihr ungeborenes Kind ein wenig besorgt. Am Ende verstreut Maddalena die Asche aus der Urne über die Bühne und deutet damit vielleicht an, dass Christus nun gewissermaßen überall ist. Ob die anderen sich davon wirklich überzeugen lassen, bleibt fraglich, so dass zum jubelnden Schlussgesang der Satz auf die Rückwand projiziert wird: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben können.

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Leichenschmaus: vor Kopf rechts: Maddalena (Francesca Lombardi Mazzulli), links daneben: Cleofe (Marie Seidler) und Giovanni (Aco Bišcevic), auf der linken Seite vor Kopf: Angelo (Samuel Mariño)

Michael Hofstetter erweist sich am Pult des Philharmonischen Orchesters Gießen wieder als hervorragender Spezialist für Barockmusik und lotet die feinen Schattierungen von Händels Musik, in der bereits der große Opernkomponist erkennbar ist, mit präzisem Gespür für kleine Nuancen wunderbar aus. Lautmalerisch werden der Abstieg in die Hölle und die anschließende Auferstehung großartig umgesetzt. Francesca Lombardi Mazzulli begeistert als Maddalena mit strahlendem Sopran und leuchtenden Höhen. Eindringlich gestaltet sie die Arie "Ho un non so che nel cor" im ersten Akt, in der sie ihre Zweifel darüber ausdrückt, dass Jesus auferstehen wird. Im zweiten Akt schöpft sie dann in ihrer Arie "Del ciglio dolente", in der sie erkennt, dass die Prophezeiung wahr wird, neue Hoffnung und blüht mit beweglichen Koloraturen regelrecht auf. Marie Seidler gestaltet die Partie der Cleofe mit einem warmem Mezzosopran und innigem Spiel. Überzeugend zeigt sie ihre tiefe Trauer in dem Klagelied "Piangete, si, piangete". Der Countertenor Samuel Mariño glänzt als Angelo und schraubt sich mit großer Strahlkraft in nahezu ätherische Höhen empor, die ihn wie ein überirdisches Wesen wirken lassen. Im großen Kontrast dazu steht Grga Peroš als Lucifero mit dunklem Bass und diabolischem Spiel. Aco Bišcevic gestaltet die Partie des Giovanni mit weichem Tenor, so dass es am Ende für alle Beteiligten zu Recht großen Beifall gibt.

FAZIT

Das Regie-Team um Balász Kovalik belegt, dass auch Händels frühes Oratorium durchaus Potenzial für eine szenische Umsetzung besitzt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michael Hofstetter

Inszenierung
Balász Kovalik

Bühne und Kostüme
Sebastian Ellrich

Licht
Jan Bregenzer

Video
Martin Przybilla

Dramaturgie
Julia Schinke

 

Philharmonisches Orchester
Gießen

Statisterie

 

Solisten

Angelo
Samuel Mariño

Maddalena
Francesca Lombardi Mazzulli

Cleofe
Marie Seidler

Giovanni
Aco Bišcevic

Lucifero
Grga Peroš

Corista
Kyung Jae Moon

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Stadttheater Gießen
(Homepage)



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