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Rusalka

Lyrisches Märchen in drei Akten
Libretto von Jaroslav Kvapil
Deutsche Übersetzung von Eberhard Schmidt
Musik von Antonin Dvorák


in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)


Premiere im Theater Hagen am 1. Dezember 2018

Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Man sollte nicht jede Mode mitmachen

Von Stefan Schmöe / Fotos von Klaus Lefebvre (© Theater Hagen)

Wenn Nixen sich in Prinzen verlieben, nimmt das selten ein gutes Ende. Im Falle von Rusalka tritt sogar das Schlimmste ein, was in der Oper passieren kann: Als Preis für die Vereinigung mit dem Menschen verliert die Nixe ihre Stimme und bleibt stumm. Wenn es am Ende dann doch noch zum gemeinsam gesungenen Liebestod kommt, ist das beinahe schon Erlösung: Sterben in musikalischer Schönheit. Das stand im fin de siecle hoch im Kurs, und die Gattung der (Kunst-)Märchenoper ist gerade wieder populär, immerhin erlebten eine Woche zuvor Humperdincks fast zeitgleich komponierte Königskinder im nicht allzu weit entfernten Gelsenkirchen ihre Premiere. Hier wie dort wird das Märchen nicht ungebrochen als Märchen erzählt, sondern als Parabel auf (heutige) soziale Missstände. Und hier wie dort geht das eher weniger überzeugend auf.

Vergrößerung in neuem Fenster Wer ist der Schönste im ganzen Land? Prinz, Rusalka und die fremde Fürstin

Das Verstummen der Nixe ist ein Symbol für den Verlust von Individualität durch Selbstverleugnung und Unterwerfung in einer oberflächlichen und frauenverachtenden Welt. Das kann man im Programmheft nachlesen; es auf der Bühne zu erkennen, ist schon schwieriger. Regisseurin Nina Kupczyk möchte Märchen, Traum und Realität vermischen und schäumt möglicherweise über vor Ideen, nur umgesetzt ist das nicht oder nur unzureichend. Auf der weitgehend leeren Bühne (Martin Kukulies) überlässt die Regisseurin ihrer Kostümbildnerin Katharina Tausch das Feld, und die tobt sich nach Kräften aus. Der (fleißig dem Alkohol zusprechende) Wassermann im Hausmeister-Arbeitsanzug mit grüngraublauem Umhang ist noch ganz plausibel gelungen; aber schon dessen Tochter Rusalka als ganz furchtbar graue Maus demonstrativ hässlich vorzuführen, das ist jenseits der ästhetischen und geschmacklichen Schmerzgrenze (und das wird im Falle von Rusalka in den folgenden Szenen nicht entscheidend besser). Der Prinz in pailettenbesetztem Trikot zwischen rosa und lila streift den Kitsch nicht nur, die fremde Fürstin als wandelnde Tischlampe mit rotem Clownmund ist in jeder Hinsicht eine Farce, und so mancher Chorist könnte sich gefragt haben, ob sein Fantasiekostüm wohl das dämlichste seiner ganzen Karriere sein wird. Und während die bonbonbunten Waldelfen ein Selfie mit dem Smartphone machen, laufen zwei fotografierende Paparazzi im Stil der 1960er-Jahre herum. Eine Traumwelt? Eine ästhetischer Alptraum.

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Ježibaba und Rusalka

Bei so viel bekleidungstechnischem Unsinn, garniert mit manchem Showeffekt wie einem plötzlich aufflammenden Stuhl, ist das eigentliche Konzept irgendwo auf der Strecke geblieben wie auch alles Menschliche. Die Figuren des Märchens sind zu Kostümträgern degradiert, zumal die Personenregie denkbar schlicht ausfällt. Die Hexe Ježibaba, eine gealterte Heidi Klum im "Germany's Next Topmodel"-Modus, hat im Grunde nur eine Geste, ein affektiertes Herumfuchteln mit den behandschuhten Armen, was schon vergleichsweise viel ist. Und so mag man in der Prozedur der Festgesellschaft auf dem Laufsteg das Bild einer degenerierten Gesellschaft erkennen mit Aschenbrödel-Rusalka als Böhmens nächstem Glamoursternchen, wonach sie allerdings nicht aussieht, aber das ist ziemlich dünn für einen dreistündigen Opernabend. (Nebenbei: Dem - ein ganz kleines bisschen - feministischen Ansatz kann man ja entgegenhalten, dass die starken Figuren der Oper allesamt Frauen sind; die allmächtige Ježibaba, die böse fremde Fürstin und letztendlich Rusalka selbst mit dem todbringenden Kuss).

Vergrößerung in neuem Fenster Immerhin hat er ein akzeptables Kostüm (und das hat nicht jeder in dieser Produktion): Der Wassermann

Und dann der Text: Gesungen wird in einer hoffnungslos altmodischen deutschen Übersetzung (Eberhard Schmidt), oft unfreiwillig komisch, und es geht die spezifische Musikalität der tschechischen Sprach verloren. Das soll eine pragmatische, keine künstlerische Entscheidung gewesen sein. Natürlich ist die Aussprache des Tschechischen schwierig, aber kaum jemand im Ensemble hat Deutsch als Muttersprache, und in der Vita der Sängerinnen und Sänger würde sich die Rolle in Originalsprache sicher karrierefördernder geben als die deutsche Version. Eine Person, die des Tschechischen mächtig ist und die Aussprache dem Ensemble vermitteln könnte, wäre in Hagen wohl auch zu finden, und hätte man eines der aufwendigen Chorkostüme weggelassen, hätte solches Sprachcoaching wohl auch den klammen Etat nicht weiter belastet.

Immerhin (um zur Regie zurückzukommen): Man erkennt, das Rusalka und der Prinz eine Entwicklung durchmachen. Und dass gleich vier Personen im Besetzungszettel in der Rubrik "Licht" genannt sind (neben der Regisseurin und dem Bühnenbildner noch Martin Gehrke und Hans-Joachim Köster), ist ein Indiz dafür, dass die Beleuchtung das drohende szenische Desaster abfedern muss - und tatsächlich hat der ziemlich schlicht gehaltene, dafür konzentrierter gearbeitete dritte Akt ein paar hübsche, wenn auch plakative Effekte.

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Da muss Rusalka durch: Reinigender Regen

Bleibt die sehr ordentliche musikalische Seite. Das Philharmonische Orchester Hagen beginnt unter der Leitung von Joseph Trafton eher ruppig und nicht sehr genau in der Intonation, steigert sich aber und findet insbesondere in den dramatischen Passagen zu guter Form, zunehmend sicherer auch in den "musikantisch" volkstümlichen Passagen, und liefert einen spannungsreichen dritten Akt mit Willen zum Pathos. Angela Davies als Rusalka hat Mühe mit den lyrischen Abschnitten (das "Lied an den Mond" gerät arg kurzatmig), trumpft dann aber mit zupackend großer Stimme auf. Milen Bozhkov als Prinz hat zwar einen Hang zum "Knödeln" in der Höhe, überzeugt aber insgesamt mit klangschönem Tenor. Dong Won Seo ist ein ziemlich poltriger Wassermann, Veronika Haller eine präsente fremde Fürstin, Kristine Larissa Funkenhauser eine solide Ježibaba. Kenneth Mattice überzeugt als Jäger und Heger, Marilyn Bennett als komödiantisch angelegter Küchenjunge mit Salvador-Dali-Schnurrbart. Elizabeth Pilon, Nina Andreeva und Vera Käuper-de Bruin harmonieren klangschön als Elfentrio, dürften sich aber ruhig häufiger an das vom Dirigenten vorgeschlagene Tempo halten.


FAZIT

Rusalkas Selbstfindung auf dem Laufsteg bleibt szenisch und ästhetisch über weite Strecken wirr, da hält man sich besser an die gute musikalische Umsetzung.





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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Joseph Trafton

Inszenierung
Nina Kupczyk

Bühne
Martin Kukulies

Kostüme
Katharina Tasch

Licht
Martin Gehrke
Hans-Joachim Köster
Martin Kukulies
Nina Kupczyk

Choreinstudierung
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Rebecca Graitl


Statisterie
des Theater Hagen

Chor des Theater Hagen

Philharmonisches
Orchester Hagen


Solisten

Prinz
Milen Bozhkov

Fremde Fürstin
Veronika Haller

Rusalka
Angela Davis

Wassermann
Dong-Won Seo

Ježibaba
Kristine Larissa Funkhauser

Heger / Jäger
Kenneth Mattice

Küchenjunge
Marilyn Bennett

Waldelfen
Nina Andreeva
Vera Käuper-de Bruin
Elizabeth Pilon


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




Da capo al Fine

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