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Take a Walk on the Wild Side

Undergroundparty
Musik von The Beatles, Lou Reed & The Velvet Underground, U2, Joan Baez, Steppenwolf, The Doors, CCR, David Bowie, Janis Joplin, The Rolling Stones, Patti Smith, The Who, The Clash, Iggy Pop, T. Rex, Fleetwood Mac, Herbie Hancock, The Boomtown Rats, REM, Sinéad O'Connor, Frankie Goes to Hollywood und Cher

in englischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 8. September 2018
(rezensierte Aufführung: 21.09.2018)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Collage der klassischen Rock-Musik

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Seit einem Jahr leitet Francis Hüsers als Intendant die Geschicke des Theaters in Hagen, und nachdem der Spielplan in seiner ersten Spielzeit noch größtenteils von einer Kommission zusammengestellt worden ist, hat er nun die Möglichkeit dem Haus seine eigene Handschrift zu präsentieren. Dies geschieht nicht nur durch ein neues Design des Spielzeitheftes, das in seiner Gestaltung an ein Reclam-Heft erinnert und in seiner Kompaktheit nicht viel Platz wegnimmt, so dass es in jede Tasche passt. Auch mit der Eröffnungspremiere macht Hüsers deutlich, dass er nicht nur an bewährten Formaten festhalten, sondern für das Theater auch neue Publikumsschichten erschließen will. Dies sind zunächst die Anhänger klassischer Rock-Musik, die vielleicht für Oper, Operette und Musical nicht ganz so viel übrig haben dürften. Unter dem Titel Take a Walk on the Wild Side gibt es einen bunten Streifzug durch die Rock-Musik der 60er, 70er und 80er Jahre des letzten Jahrhunderts, mit der sich die Jugend der damaligen Zeit gegen verkrustete Strukturen in Staat und Gesellschaft gewehrt hat. Und dabei ist auch Mitsingen und Mittanzen wie bei einem richtigen Rock-Konzert erwünscht, was den einen oder anderen konventionellen Abonnenten vielleicht ein bisschen überfordern dürfte.

Ausgangspunkt ist Andy Warhols New Yorker "Silver Factory", in der Lou Reed mit seiner Band The Velvet Underground in den 60er Jahren regelmäßig zu sogenannten Undergroundparties spielte, die als Vorläufer der 68er-Revolution betrachtet werden können. 1972 hat Lou Reed die Stimmung dieser Jahre in seinem Song "Take a Walk on the Wild Side" auf den Punkt gebracht, so dass das Theater Hagen diesen Song zum Motto der Undergroundparty macht. In loser Reihenfolge folgen Klassiker der Rock-Musik, die mal mit Videos bebildert werden, mal von Tänzerinnen und Tänzern in Choreographien umgesetzt werden, die teils historische Ereignisse der damaligen Zeit widerspiegeln, teils ein schräges Lebensgefühl fernab jeglicher konventioneller gesellschaftlicher Normen vermitteln. Die Wild Side Band besteht aus fünf Musikern, die auf der Bühne positioniert sind und die Show mit rockigem Sound begleiten. Da es dabei durchaus etwas lauter wird, werden am Eingang Ohrstöpsel verteilt. Von der Bühne führt ein Steg, auf dem die US-amerikanische Flagge abgebildet ist, in den Orchestergraben hinab, der hochgefahren ist und direkt in den Zuschauersaal übergeht und dem Ensemble nicht nur eine Möglichkeit zum Auf- und Abgang bietet, sondern theoretisch auch von den ersten Reihen als Tanzfläche genutzt werden kann.

Wenn man vor Beginn den Saal betritt, dürfte ein Teil der Rock-Fans zunächst vielleicht befürchten, "im falschen Film" gelandet zu sein. Auf eine Leinwand wird nämlich ein Ausschnitt aus dem kitschigen Heimatfilm Die Mädels vom Immenhof projiziert. Fröhlich verkünden die Mädchen im Film, dass sie sich von jeglicher Rock-Musik fernhalten werden. Dann werden riesige Löcher in die Projektion gebrannt. Der Film verschwindet, und die Sicht wird frei auf die Bühne dahinter, die in ihrer Gestalt vielleicht der "Silver Factory" oder dem Tanzsaal "The Dom" in East Village nachempfunden ist. Der Drummer Volker Reichling thront auf einem Podest im Hintergrund, unter dem ein Tor einen weiteren Zugang zur Bühne bietet. Die Immenhof-Romantik wird mit dem Song "Revolution" von den Beatles ausgelöscht. Hier stellen sich zunächst alle drei Solisten vor. In der rezensierten Aufführung ist Vanessa Henning, die unter dem Namen V:NESS vor allem als Frontfrau der PINK Tribute Show Just Pink Bekanntheit erlangte, erkrankt, und wird von Galini Achille, die obendrein auch noch die Backing Vocals unterstützt, und Kerstin Schneider ersetzt. In "Revolution" tritt Achille gemeinsam mit Jürgen Sarkiss und Patrick Sühl auf. Hier muss man sich zunächst an die für das Theater Hagen recht ungewöhnliche Lautstärke gewöhnen.

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Patrick Sühl (Mitte) mit den Background Vocals auf der rechten Seite (von links: Galini Achille, Kathyann Martinez Gonzalez und hier: Vanessa Henning) und der Wild Side Band auf der linken Seite und im Hintergrund oben

Die folgenden Musiknummern werden wie eine Collage aneinandergefügt. Leider wird darauf verzichtet, einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Songs herzustellen oder die Songs in eine Rahmenhandlung einzubetten. So stehen die Titel lose nebeneinander und werden letztendlich nur durch den rockigen Sound verbunden, der das Publikum mitreißt. Häufig gibt es Zwischenapplaus, vor allem wenn Andreas Laux am Saxophon auftritt und die Musiknummern mit intensivem Spiel untermalt. Auch Patrick Rühl gelingt es mit einer großartig variablen Stimme, das Publikum regelrecht von den Sitzen zu reißen. Seine lange Mähne setzt er dabei bisweilen ein, um auf der Bühne richtig abzurocken. Im Gedächtnis bleibt unter anderem seine eindringliche Interpretation des Rolling-Stones-Klassikers "Paint it Black", bei dem drei rote Türen über die Bühne geschoben werden, die durch Drehung schwarz werden. Unter die Haut geht auch seine Darbietung des Songs "Heroin" von The Velvet Underground. Hinter einer Leinwand, die zunächst die Solisten, die Backing Vocals und das Theater im Stil von Andy Warhol abbildet, sieht man seine Silhouette erhöht gewissermaßen über der Bühne schweben. Allmählich kommt er auf den "Boden der Realität" zurück und verlässt schließlich die Bühne, wobei er einen riesigen Schatten auf die Leinwand wirft.

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"Get it On": Jürgen Sarkiss mit Maria Michala

Jürgen Sarkiss begeistert in den eher ruhigeren Nummern, in denen er meistens auch von den Tänzerinnen und Tänzern unterstützt wird. So ziehen die "Movers" Tatiana Feldmann, Nathalie Gehrmann, Maria Michala, Riccardo De Nigris und Emanuele Pazienza bei "Get it On" von T. Rex eine schräge Modenschau ab, bei der auch ein gewisser Drogenkonsum nicht fehlen darf. Für Vanessa Henning übernimmt er "I don't like Mondays" von den Boomtown Rats, wobei er mit eindringlichem Gesang die Videoeinspielungen untermalt, die an die Entstehungsgeschichte des Songs, die tödlichen Schüsse eines 16-jährigen Mädchens 1979 in San Diego auf den Schulleiter und den Hausmeister einer Schule, erinnern. Galini Achille übernimmt von Vanessa Henning "Born to be Wild" und "Nothing Compares 2 U" und überzeugt mit einer beweglichen Stimmführung. Beim ersten Song präsentiert sie sich lässig rockig und wird bühnentechnisch durch beeindruckende Feuerfontänen unterstützt, in der zweiten Musiknummer bewegt sie durch eine eindringliche Interpretation. Kerstin Schneider gestaltet für Vanessa Henning "Here's to you Nicola and Bart", das an die Mitglieder der Anarchistischen Arbeiterbewegung in den USA, Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti, erinnert, die 1927 zu Unrecht in Massachusetts hingerichtet wurden, mit großer Sensibilität und beweist in "Piece of My Heart" und "If I Could Turn Back Time", dass sie dem Publikum auch mit souliger Stimme richtig einheizen kann.

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Zugabe "Fire" mit der Feuerkünstlerin Nicole Rachut (unten Mitte), Patrick Sühl (oben Mitte) und den Tänzerinnen und Tänzern

Während zahlreiche Songs mit historischen Ereignissen bebildert werden, gibt es in einzelnen Nummern auch aktuelle Bezüge. Zu nennen ist hier der berühmte REM-Song "Losing My Religion", den Sühl eindrucksvoll zur Gitarre anstimmt, während im Hintergrund zahlreiche Kriegsbilder über die Leinwand flimmern. Bei "Sympathy for the Devil" von den Rolling Stones scheint man eine ganz aktuelle Assoziation zu haben. So bevölkern zahlreiche Klone von Donald Trump die Bühne und den Zuschauersaal, fliegen mit "Fake News" über die Bühne, reißen Blätter aus Büchern heraus oder grüßen mit aufgesetztem Lächeln die Zuschauer im Saal. Auch die drei Zugaben werden interaktiv in Szene gesetzt. Bei "American Pie" fordert Schneider das Publikum zum Mitsingen auf, was ein großer Teil des Publikums auch begeistert macht. Im Anschluss gibt es zu "Fire" von Arthur Brown eine beeindruckende Feuer-Show auf der Bühne mit der Feuerkünstlerin Nicole Rachut. Dann wird es richtig gemütlich, wenn Sühl "Don't Stop Me Now" von Queen anstimmt und das Ensemble sich mit dem Publikum eine Kissenschlacht liefert. Am Ende werden dann riesige Buchstaben aus dem Schnürboden herabgelassen, mit denen der Ort der Show, HAGEN, geformt wird. Das Publikum ist bei der letzten Zugabe derart aus dem Häuschen, das "Don't Stop Me Now" noch einmal wiederholt werden muss, bevor man das Ensemble gehen lässt.

FAZIT

Mit Take a Walk on the Wild Side ist dem Theater ein guter Saisonstart gelungen, der hoffentlich auch zahlreiche neue Zuschauer für das Theater Hagen gewinnen kann.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung, Arrangements
und Keyboards
Andres Reukauf

Inszenierung
Thilo Borowczak

Choreographie
Nadia Thompson

Bühne
Uwe Mingo

Kostüme
Christiane Luz

Video
Volker Köster

Licht
Hans-Joachim Köster

 

Wild Side Band

Guitar
Christian Kiefer
Patrick Sühl

Saxophone / Percussion
Andreas Laux

Bass
Rudolf Behrend

Drums
Volker Reichling


Solisten

*rezensierte Aufführung

Vocals
Vanessa Henning /
*Galini Achille /
*Kerstin Schneider
Jürgen Sarkiss
Patrick Sühl

Background Vocals
Galini Achille
Kathyann Martinez Gonzalez
Elizabeth Pilon

Movers
Tatiana Feldman
Nathalie Gehrmann
Maria Michala
Riccardo De Nigris
Emanuele Pazienza

Feuerkünstlerin
Nicole Rachut

Statist*innen
Anna Knipps
Michelle Köster
Anne Kosubek
Maike Potthoff
Jonas Witzel


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




Da capo al Fine

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