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Tristan und Isolde

Handlung in drei Aufzügen
Musik und Text von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h (zwei Pausen)

Premiere im Theater Hagen am 7. April 2019


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Isoliert im Klangrausch

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Dass Richard Wagner sein Meisterwerk Tristan und Isolde als "Handlung" beschrieben hat, mag ein wenig verwundern, denn allzu viel Handlung weist die Oper trotz ihrer Länge von rund vier Stunden reiner Spielzeit nicht auf. Der eigentliche Hauptteil der Aktion hat bereits stattgefunden, wenn sich der Vorhang hebt. Danach erlebt man ein wort- und klanggewaltiges Drama über einen der traurigsten Ehebrüche der Operngeschichte, was jedes Regie-Team vor die große Herausforderung stellt, wie man mit diesen dramaturgischen Längen umgeht, ohne den Spannungsbogen nur in der großartigen Musik Wagners zu halten. Jochen Biganzoli hat mit seinem Team für das Theater Hagen einen ganz besonderen Zugang gewählt, der auf den ersten Blick befremdlich wirkt, im Verlauf des Abends allerdings großartig aufgeht. Für Biganzoli reden die Figuren nicht miteinander, sondern aneinander vorbei. Deswegen lässt er sie in seiner Inszenierung auch in keinen direkten Kontakt treten, sondern hat die fünf Hauptcharaktere gewissermaßen in abgeschlossenen Zellen isoliert.

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Isoliert in geschlossenen Räumen: oben von links: Tristan (Zoltán Nyári), König Marke (Dong-Won Seo) und Kurwenal (Wieland Satter), unten von links: Brangäne (Khatuna Mikaberidze), Steuermann (Egidijus Urbonas) und Isolde (Magdalena Anna Hofmann))

Die Bühne von Wolf Gutjahr erinnert an einen riesigen Setzkasten, in dem jede Figur einen unterschiedlich gestalteten Raum besitzt, in dem die Figuren in ständiger Präsenz verharren. So kann man die Aktionen von König Marke, Kurwenal und Brangäne auch beobachten, wenn sie in der Szene gar nicht vorkommen. Jeder Raum ist individuell auf die Figur zugeschnitten und charakterisiert sie gewissermaßen. Tristan befindet sich links oben in einem großen rechteckigen Quader, dessen Rückwand zunächst von einem riesigen Foto beherrscht wird. Es ist nicht ganz klar, ob es sich bei dem Foto um Tristan selbst oder eventuell um Isoldes Verlobten Morold handeln soll, den Tristan in der Vorgeschichte enthauptet hat und der ihn nun wie ein mahnender Schatten der Vergangenheit verfolgt. Im Verlauf des ersten Aufzuges reißt Tristan das Foto von der Wand und legt eine Spiegelwand frei, auf die er später mit roter Farbe die Wörter "Du" und "Ich" schreibt. Unter diesem Raum befindet sich Brangänes Zelle, die etwas kleiner ist und an ein Büro erinnert. Im Hintergrund sieht man mehrere Schranktüren. Aus einer holt sie im ersten Aufzug den verhängnisvollen Trank. Rechts daneben befindet sich eine schmale Zelle, die als einzige einen Ausgang im Hintergrund hat. Hier treten abwechselnd die kleineren Rollen wie Melot, der Steuermann und der Hirte auf.

Auf der rechten Seite befindet sich unten der quadratische Raum Isoldes. Die Wände sind mit dunklen Tafeln ausgestattet, auf denen Isolde in einzelnen Szenen Sätze schreibt, die teilweise von Emily Dickinson stammen. Darüber befindet sich der Raum von König Marke. Hierbei handelt es sich um ein Schlafzimmer, das mit dem bräunlichen Tapetenmuster und den zahlreichen kleinen Lampen an die 1970er Jahre erinnert. Die rechte Wand fungiert als Garderobe und ist zunächst mit zahlreichen Kleidern bestückt, die Marke im ersten Aufzug vor seinem eigentlichen Auftritt wegräumt. Sortiert er hier vielleicht die Sachen einer früheren Ehefrau aus, um das Haus für Isolde vorzubereiten? Kurwenal erhält auf der rechten Seite keinen Raum sondern ein abgeschlossenes Gerüst, das sich über drei Ebenen erstreckt. Die Wände sind mit Zeitungsartikeln und zahlreichen Fotos beklebt, und Kurwenal ist einen Großteil der Zeit damit beschäftigt, Platz für weitere Zettel und Fotos zu finden. Katharina Weissenborn hat ihn als Soldaten in Tarnfarben ausgestattet, während Brangäne in ihrem Kostüm wie eine Bürodame wirkt. Tristan trägt ein einfaches weißes Kostüm, das einen großen Kontrast zu Isoldes schwarzem Outfit darstellt. Die kleinen Partien treten wie bei einer konzertanten Aufführung mit feinen Anzügen auf.

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Näher können sie sich nicht kommen: Tristan (Zoltán Nyári) und Isolde (Magdalena Anna Hofmann).

Auch wenn die einzelnen Figuren nun in ihren Räumen das komplette Stück völlig isoliert bleiben, gelingt es Biganzoli mit kleinen Kniffen auf faszinierende Weise Beziehungen herzustellen. Dies geschieht zum ersten Mal im ersten Aufzug mit dem Liebestrank, den Tristan und Isolde gemeinsam trinken. Während Isolde noch plant, Tristan und sich mit dem Todestrank zu vergiften, holt Brangäne aus dem Schrank immer wieder eine Flasche mit einer roten Flüssigkeit und baut die Flaschen in ihrem Raum auf. Dabei ist immer nur eine Flasche zu sehen, wenn Brangäne die Schranktür öffnet. Quasi wie von Zauberhand taucht dann auch in Tristans und Isoldes Raum jeweils eine Flasche auf, die die beiden zur Sühne in dem Glauben leeren, damit den Tod zu trinken. Doch stattdessen offenbart sich die Liebe zwischen den beiden. Isolde trägt plötzlich ein rotes "T" auf dem Oberteil, Tristan ein rotes "I", und damit wird klar, dass sie trotz der Trennung nun verbunden sind, auch wenn sie im zweiten Aufzug nach der Entdeckung durch Marke dieses Zeichen wieder ablegen.

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Tristan (Zoltán Nyári) sucht den Tod.

Faszinierend wird dann die große Liebesszene im zweiten Aufzug umgesetzt. Mit einer geschickten Lichtregie von Hans-Joachim Köster erstrahlen nur die beiden Räume von Tristan und Isolde und im Hintergrund befindet sich jeweils eine Projektion des anderen. So geht Isolde gewissermaßen im Bild ihres Geliebten auf und umgekehrt. Verbunden mit dem sinnlichen Rausch der Musik kann man sich diese Szene kaum inniger vorstellen. Natürlich wird dieser traumhafte Moment der Zweisamkeit brutal gestört. Melot offenbart König Marke den Verrat, und Tristan bleibt nichts anderes, als sich in Melots Schwert zu stürzen. Dazu überstreicht er das Wort "Ich" an der Rückwand mit roter Farbe und taucht auch selbst in die sein fließendes Blut symbolisierende Farbe ein. Alles wird jedoch nicht nachvollziehbar. Fraglich ist beispielsweise, wieso Kurwenal sein Oberteil auszieht und auf seinem Oberkörper ein riesiger schwarzer Adler prangt, so dass der gestreckte rechte Arm unschöne Assoziationen weckt. Auch scheint es unnötig, Isolde Fast Food essen zu lassen, während Tristan im dritten Aufzug auf die Ankunft der Geliebten wartet. Wieso sich in Brangänes Raum eine Badewanne befindet, in die sie sich im letzten Aufzug legt, nachdem sie ihre Schuldgefühle im Alkohol ertränkt hat, bleibt ebenfalls unklar. Aber diese kleinen Mätzchen können den Gesamtgenuss des Abends nicht trüben.

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Isoldes (Magdalena Anna Hofmann, unten rechts) Liebestod (oben von links: Tristan (Zoltán Nyári), König Marke (Dong-Won Seo) und Kurwenal (Wieland Satter), unten von links: Brangäne (Khatuna Mikaberidze) und Melot (Richard van Gemert))

Musikalisch leistet das Theater Hagen an diesem Premierenabend Gewaltiges. Joseph Trafton lotet mit dem Philharmonischen Orchester Hagen die Vielschichtigkeit der Partitur differenziert aus und lässt das Publikum ebenfalls in einem regelrechten Klangrausch versinken. Dabei achtet er auch stets darauf, die Solisten mit dem fulminanten Klang nicht zuzudecken. Aus dem Hagener Ensemble begeistert Dong-Won Seo als König Marke mit markantem Bass und autoritärer Tiefe. Richard van Gemert verleiht dem intriganten Melot mit klarem Tenor den nötigen Biss. Die anderen Partien sind mit Gästen besetzt. Khatuna Mikaberidze hat bereits bei Viva Verdi als Prinzessin Eboli und Preziosilla mit sattem Mezzosopran überzeugt und gestaltet die Partie der Brangäne mit dunklem Timbre und großartiger Textverständlichkeit. Auch Wieland Satter ist als Kurwenal mit seinem profunden Bass-Bariton eine Idealbesetzung und punktet mit einer hervorragenden Diktion. Die beiden Titelpartien machen den Besuch in Hagen ebenfalls absolut empfehlenswert. Zoltán Nyári gestaltet den Tristan mit scheinbar unendlichen Kraftreserven und zeigt auch im dritten Aufzug keine Schwächen. Sein Tenor bleibt klar und deutlich, ohne zu forcieren. Gleiches gilt für Magdalena Anna Hofmann als Isolde. Ihr Sopran verfügt über großartige Strahlkraft und Dramatik. Ihr Duett mit Nyári im zweiten Aufzug geht unter die Haut, auch wenn die beiden dabei eigentlich voneinander getrennt sind, und ihr großartig interpretierter "Liebestod" rührt zu Tränen. Dabei kommt allerdings auch eine großartige Lichtregie zum Einsatz. Nach Tristans Tod hebt sich die Rückwand hinter seiner Zelle und lässt ihn als schwarzen Schatten im weißen Nichts erscheinen. Das gleiche Schicksal ereilt die anderen Figuren. Während sich die Figuren zum "Liebestod" dann langsam wieder erheben, versinkt Isolde bei den letzten Klängen im schwarzen Nichts ihrer Zelle. Das Publikum zeigt sich absolut bewegt und belohnt alle Beteiligten zu Recht mit großem Beifall.

FAZIT

Der Kraftakt Tristan und Isolde ist im Theater Hagen gelungen, sowohl musikalisch als auch szenisch. Diese Inszenierung sollte man sich nicht entgehen lassen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Joseph Trafton

Inszenierung
Jochen Biganzoli

Bühne
Wolf Gutjahr

Kostüme
Katharina Weissenborn

Licht
Hans-Joachim Köster

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Francis Hüsers

 

Herrenchor des Theaters Hagen
und Gäste

Philharmonisches Orchester Hagen


Solisten

*Premierenbesetzung

Tristan
Zoltán Nyári

Isolde
Magdalena Anna Hofmann

Brangäne
Khatuna Mikaberidze

Kurwenal
Wieland Satter

König Marke
Dong-Won Seo

Melot
Richard van Gemert

Ein Hirte / Stimme eines jungen Seemanns
Daniel Jenz

Ein Steuermann
Egidijus Urbonas

Englischhorn
Rebecca Bröckel /
*Almut Jungmann


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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