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Viva Verdi

Ein szenischer Abend in Verdi-Chören
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 25' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 9. März 2019


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Verdi-Chöre als szenisches Projekt

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

In den meisten Opern nimmt der Chor musikalisch eine sehr bedeutende und unverzichtbare Funktion ein, ohne dabei im Zentrum der Handlung zu stehen. Gerade Giuseppe Verdi hat in seinen Werken den Chor immer wieder mit Ohrwürmern bedacht, die gerne auch Bestandteil bei Konzerten sind, so man denn bei diesen Veranstaltungen über einen Chor verfügt. In Hagen hat man sich nun entschlossen, diesem Klangkörper einen eigenen Abend mit Auszügen aus berühmten und weniger bekannten Verdi-Opern zu widmen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein Konzert, sondern um ein "szenisches Projekt". Ob dabei ein Spielzeit-Eröffnungskonzert der Wuppertaler Bühnen Pate gestanden hat, das die damalige Spielleiterin Corinna Jarosch mit dem Wuppertaler Opernchor 2015 in Szene gesetzt hat (siehe auch unsere Rezension), lässt sich dabei nur vermuten. Als die Wuppertaler Bühnen unter der damaligen Leitung von Toshiyuki Kamioka über kein hauseigenes Ensemble verfügten, hatte Jarosch Arien und Chorpassagen vom Chor szenisch präsentieren lassen. Anders als in Wuppertal beschränkt sich in Hagen die Aufgabe des Chors, mit Ausnahme von zwei Chorsolistinnen, allerdings auf originäre Chorstücke und auf den Komponisten Verdi.

Die Grundidee des von Andreas Bode inszenierten Abends ist die Versammlung eines Chors in einem Bürgerzentrum, in dem man sich mit den Opern von Verdi beschäftigen möchte. Dafür hat man auch einen "echten" italienischen Regisseur (Tony Laudadio) engagiert, der direkt zu Beginn des Abends durch den Zuschauerraum auftritt und in gewichtiger Pose hinter dem Vorhang verschwindet. Mit seinem roten Schal wirkt Laudadio wie der Prototyp eines Regisseurs, wobei der Bart und die Frisur als Anspielung auf Giuseppe Verdi verstanden werden können. Gefolgt wird er von seiner Regieassistentin, die von Tatiana Feldman mit wunderbarer Komik das Klischee einer Handlangerin bedient, die dem selbstverliebten Künstler alles hinterhertragen muss. Zur berühmten Ouvertüre aus Verdis La forza del destino findet sich auch der Chor in Alltagskleidung im Bürgerzentrum ein, das von Geelke Gaycken als großer offener Raum mit einer kleinen Bühne im Hintergrund konzipiert ist und an eines der zahlreichen Gemeindezentren erinnert, in denen Chöre häufig ihre Proben abhalten. Witzig umgesetzt wird dabei der Auftritt einer Chordame, die als Putzfrau majestätisch zum melancholischen Motiv in der Ouvertüre über die Bühne schreitet, dann aber plötzlich einen Fleck auf dem Boden entdeckt, der sie mit dem Wechsel der Musik auch zu hektischem Putzen antreibt.

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Der Opernchor lauscht dem Kinder- und Jugendchor beim Huldigungschor an Desdemona aus Otello.

Im Anschluss hätte man eigentlich eine kurze Szene erwartet, die zur nächsten Chornummer überleitet. Stattdessen geht es einfach mit dem Kinder- und Jugendchor aus Otello weiter. Die Mitglieder des Chors stehen während des Huldigungschors auf und behängen ein junges Mädchen auf der Bühne mit zahlreichen Ketten. Soll das erklären, wie der Chor sich die Beschäftigung mit den Opern vorstellt? Auch die folgenden Passagen folgen ohne erkennbaren Zusammenhang. Beim Zigeunerchor wird mit den Fäusten auf den Tisch geschlagen, während auf der Bühne ein Chorist als verkleidete Zigeunerin auftritt. In der Kreuzfahrer-Oper I Lombardi alla prima crociata besingt man das zu erobernde Jerusalem und blickt dabei verträumt in die Ferne. Der Regisseur hält sich bis dahin sehr zurück, beschwert sich lediglich über den schlechten Kaffee. Scheinbar will er erst die Ideen des Chors einholen, bevor er sein eigenes Konzept vorstellt. Nach der Gartenszene aus Don Carlo platzt ihm allerdings der Kragen und er bezeichnet die Chorsänger allesamt als "Trottel". Khatuna Mikaberidze, die kurzfristig für die erkrankte Kristine Larissa Funkhauser in der Premiere eingesprungen ist, hat mit warmem Mezzo die Schleierarie der Eboli interpretiert und damit einen Kampf unter den Männern um ihre Gunst ausgelöst. Von der kleinen Bühne im Hintergrund schreitet sie über Tische und Stühle durch den Saal des Bürgerzentrums, wobei die Tische und Stühle hinter ihr umgeworfen werden. Wenn sie die Bühne nach dem Lied verlässt, liegen alle Männer regungslos auf dem Boden.

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Der Regisseur (Tony Laudadio) erklärt der Diva (Khatuna Mikaberidze als Preziosilla) sein Konzept.

Laudadio sucht nun im Publikum nach einen Sänger und findet den Tenor Costa Latsos, der als Arrigo einen Auszug aus der relativ unbekannten Oper La battaglia di Legnano präsentiert. Dabei leitet er einen dunklen Schwur ein, mit dem er sich einer Gruppe von Partisanen anschließt, die im Untergrund als sogenannte "Todesritter" gegen den deutschen Kaiser Friedrich Barbarossa kämpfen. Die historisch belegte Schlacht fügte 1176 Barbarossa eine empfindliche Niederlage zu, die zur Befreiung der Lombardei führte. Der Männerchor erhebt sich für diesen Schwur vom Boden, findet in diesem Stück aber, was das Tempo betrifft, nicht ganz präzise mit dem Philharmonischen Orchester Hagen unter der Leitung von Rodrigo Tomillo zusammen. Aber vielleicht ist das auch Absicht, da Laudadio nun zu einem Kurzvortrag über Verdis Musik ausholt, und welches Stück würde sich besser dafür eignen als der berühmte Gefangenenchor aus Nabucco. Immer wieder unterbricht er die aufspielenden Musiker, weil ihm die Interpretation noch nicht gefällt, und erklärt präzise, was die Musik an welcher Stelle ausdrücken muss. So stellt man sich als Zuschauer eventuell einen Probenprozess im Theater vor. Unklar bleibt nur, wieso der Chor anschließend den Gefangenenchor stocksteif präsentiert, obwohl Laudadio zuvor deutlich gemacht hat, dass für einen Italiener Gesang und Tanz immer eine Einheit bilden.

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Kisun Kim als Tempelsängerin und der Opern- und Extrachor in Verdis Aida.

Das Ende der Pause wird dann mit dem berühmten Triumphmarsch aus Aida eingeleitet. Der Chor hat sich auf den Balkonen und Rängen verteilt und schmettert stimmgewaltig den Jubel bis ins Foyer, so dass das Publikum weiß, dass es nun weitergeht. Es folgen sehr humorvolle Szenen, die mit der Arbeit am Theater spielen. Den Anfang macht eine Art Alptraum des Regisseurs: eine konventionell inszenierte Aida mit einer aus einem Putzeimer gestalteten Palme und einer großen Pyramide. Kisun Kim begeistert als Tempelsängerin mit weichem Sopran, und Dong-Won Seo punktet als Oberpriester Ramfis mit profundem Bass. Als Höhepunkt des Kitsches wird dann Latsos als Radamès im antiken Soldatenkostüm aus dem Bühnenboden emporgefahren, um in den Kampf gegen die Assyrer zu ziehen. Das geht Laudadio nach dem Erwachen alles zu weit, und er ordnet sofort an, dass die Pyramide und die Palme von der Bühne verschwinden. Stattdessen will er lieber La forza del destino inszenieren, da Aida lediglich "kommerzieller Mist" sei. Wie sich Laudadio bei den einzelnen Vokalen von Aida krümmt, macht seine Einstellung zu diesem Stück mehr als deutlich. Beim "Rataplan" legt er sich dann mit Tomillo im Orchestergraben an. Auch so stellt man sich als Zuschauer vielleicht die Auseinandersetzungen zwischen Dirigent und Regisseur vor. Der Regisseur will, dass der Chor mit dem Rücken zum Publikum singt, was der Dirigent mit Blick auf den Klang keinesfalls hinnehmen will. Hinzu kommt noch das divenhafte Gehabe der Preziosilla (wunderbar arrogant: Mikaberidze), die ständig die Zugluft auf der Bühne beklagt. Nach diversen Querelen sieht man dann ein inszeniertes "Rataplan", das als Persiflage auf modernes Regietheater verstanden werden kann.

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Der Opern- und Extrachor beim "Rataplan" aus La forza del destino

Leider zerfällt der Abend danach wieder in einzelne Szenen, die so recht keine Einheit bilden. Die Auszüge aus Macbeth und I masnadieri überzeugen zwar musikalisch und sind für sich betrachtet spannend umgesetzt, wirken aber im Gesamtkontext des Abends wie loses Stückwerk. Es bleibt unklar, wieso Laudadio Passagen aus Shakespeares Macbeth und Schillers Räuber rezitiert, bevor er ein wunderbar komisches Interview an die Lokalpresse (herrlich verwirrt: Tatiana Feldman) gibt und darauf achtet, stets in gutem Licht fotografiert zu werden. Kurz vor Ende stimmt er dann noch zum Klavier das italienische Lied "Azzurro" an, das vielleicht mit seiner Sehnsucht und dem Fernweh Verdis Ideen auf die moderne Musik übertragen soll. Am Schluss wird dann auch noch das Publikum mit einbezogen. Laudadio fordert das Publikum auf, den berühmten Gefangenenchor mitzusummen. Nach einiger Zurückhaltung macht das Publikum auch begeistert mit, und wenn dann der italienische Text in den Übertiteln eingeblendet wird, folgt ein Großteil der Zuschauer auch der Einladung, gemeinsam mit dem Chor den Abend mit diesem Ohrwurm ausklingen zu lassen. Es versteht sich von selbst, dass beim Applaus der Chor im Mittelpunkt steht und sich folglich erst nach den Solisten verbeugt.

FAZIT

Musikalisch bietet der Abend einen schönen Streifzug durch Verdis großartige Musik und stellt den Chor verdient in den Mittelpunkt. Die einzelnen Szenen sind größtenteils witzig umgesetzt, entstehen allerdings nicht auseinander und bilden somit keine richtige Einheit.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rodrigo Tomillo

Inszenierung
Andreas Bode

Bühne
Geelke Gaycken

Kostüme
Christiane Luz

Licht
Hans-Joachim Köster

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Kinder- und Jugendchor
Caroline Piffka

Dramaturgie
Rebecca Graitl
Francis Hüsers

 

Chor und Extrachor
des Theaters Hagen

Kinder- und Jugendchor
des Theaters Hagen

Statisterie des Theaters Hagen

Philharmonisches Orchester Hagen


Solisten

*Premierenbesetzung

Eboli / Preziosilla
Kristine Larissa Funkhauser /
*Khatuna Mikaberidze

Zaccaria / Ramfis
Dong-Won Seo

Radamès / Arrigo
Costa Latsos

Tebaldo
Elizabeth Pilon

Tempelsängerin
Kisun Kim

Ein Opernregisseur / Ein Gast
Tony Laudadio

Regieassistentin / Journalistin
Tatiana Feldman

Ein Pianist
*Andrey Doynikov /
Andreas Vogelsberger


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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