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Le Grand-Duchesse de Gérolstein
(Die Großherzogin von Gerolstein)

Opéra-bouffe in drei Akten
Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy in einer Bearbeitung von Renaud Doucet
Deutsche Fassung von Dietmar Jacobs
Musik von Jacques Offenbach


in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 45' (eine Pause)

Premiere im Staatenhaus Köln-Deutz (Saal 2) am 9. Juni 2019
(rezensierte Aufführung: 20. Juni 2019)


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Oper Köln
(Homepage)

Ein Ständchen für Jacques

Von Stefan Schmöe / Fotos von Paul Leclair

Es darf gefeiert werden, und zwar der 200. Geburtstag von Jacques Offenbach, auf den Tag genau an diesem 20. Juni 2019 und der hier besprochenen Vorstellung (die Premiere war ein paar Tage früher). Es mag an der geographischen Nähe zum Eifelstädtchen Gerolstein liegen, dass sich die Kölner Oper anlässlich der Feierlichkeiten für den berühmten Sohn der Stadt, als Jakob Offenbach in Köln geboren, für die eher selten gespielte Grand-Duchesse de Gérolstein entschieden hat und nicht für das vielleicht doch etwas aufregendere Pariser Leben, was natürlich auch gepasst hätte, schließlich wurde Offenbach seinerzeit an der Seine populär und nicht am Rhein. Den überzeugendsten Beitrag zu diesem besonderen Geburtstagsständchen liefern das ausgezeichnete Gürzenich-Orchester und sein französischer Chefdirigent François-Xavier Roth, der die Opéra-bouffe zur Chefsache macht und spritzig-überdreht erklingen lässt, mit dynamischen Zug auf die Finali der drei Akte hin (nach denen es jeweils eine Pause gibt, was den Abend ziemlich lang macht). Von Roth hat man vielleicht schon subtilere Dirigate erlebt; hier geht es wohl in erster Linie darum, mit einem ordentlichen, aber keinesfalls brillanten Sängerensemble schmissig und theaterwirksam aufzuspielen, was ganz ausgezeichnet gelingt. Dem Theatermann Offenbach hätte es vermutlich gut gefallen. Schließlich gilt es, auch einige Schwächen der Regie zu überspielen.

Szenenfoto

Öko-Aktivisten im Kampf für "Hambi", den Hambacher Forst: Fitz und Wanda

Mit der Grand-Duchesse, der Großherzogin eines fiktiven Winzlingsstaats mit völlig übersteigerten Ambitionen, ist es ja so eine Sache: Zur Uraufführung 1867, also kurz vor dem deutsch-französischen Krieg, muss die bissige Satire um militärischen Prunk und strategische Ahnungslosigkeit, um nationale Ideale und amouröse Eigeninteressen ins Schwarze getroffen haben. Wie aber rettet man das satirische Potential in die Gegenwart? Regisseur Renaud Doucet lässt seiner assoziativen Fantasie freien Lauf. Aus der Großherzogin wird die Firmenchefin einer florierenden Getränkefirma (eine Mineralquelle gibt's bekanntlich auch in Gerolstein, was aber sonst weiter keine Rolle spielt). Die Kriege von heute werden, sagt der Regisseur im Programmheft, um die Umwelt geführt, und so versetzt Doucet den ersten Akt direkt in den Hambacher Forst, auch nicht weit von Köln, mitten in ein Lager fröhlicher Öko- und Umweltaktivisten, die irgendwie für das Gerolsteinische Militär herhalten müssen und aus unerfindlichen Gründen dem depperten General Boum gehorchen - das funktioniert beim besten Willen nicht, viel eher ist dieser bunte Haufen das Gegenteil einer (und wenn auch noch so miserablen) Armee, in der ein einfacher Soldat wie der fesche Fritz im Handumdrehen zum Oberbefehlshaber aufsteigt, weil er der Herzogin gefällt. Der "Hambi-bleibt"-Ansatz wird im zweiten und dritten Akt auch nicht weiter verfolgt, aber warum ein Häuflein AfD-naher Demonstranten und später ein paar französische "Gelbwesten" auftauchen, erschließt sich nicht - irgendwie soll es gelegentlich modern aussehen und einen wie auch immer gearteten Gegenwartsbezug haben. Natürlich gehört es zum Wesen der Operette dieser Prägung, sich über alles und jeden lustig machen, aber eine Spur von inhaltlicher Substanz muss das schon haben, hat es hier aber nicht. Und manche an sich gar nicht so schlechte Pointe (die in deutscher Sprache gesprochenen Dialoge hat Dietmar Jacobs maßvoll modernisiert, gesungen wird dagegen im originalen Französisch) verpufft, weil die Darsteller keine deutschen Muttersprachler sind und dem Text nicht die erforderliche Ironie geben können.

Szenenfoto

Verschwörung unter dem Portraits Jacques Offenbachs: Baron Puck, Graf Paul und General Boum

Die besten Szenen sind die, in denen die Regie einfach dem Operettenmechanismus vertraut, die Figuren entsprechend klischeehaft überzeichnet und dem Dirigenten das Kommando überlässt. Zumal auch Ausstatter André Barbe kräftig zulangt und sehr aufwändige Kostüme entworfen hat, nicht immer von Vorteil (arg albern, dass der um die Herzogin buhlende Graf Paul, hier Spross einer Bäckerdynastie, als Brot verkleidet ist), aber mit starkem Hang zu Blumen- und Pflanzendarstellung (im zweiten Aufzug erscheint die Großherzogin als Orchidee!). Damit verschiebt sich die Regie sowieso von der satirischen Ebene hin zum Ausstattungstheater. Ein Tanzensemble sorgt für viel Bewegung (und ein wenig Erotik, wobei die eingebauten Frivolitäten eher plump geraten). Doucet versteht es gut, die Bühne zu füllen und das Tempo aufrecht zu halten. Aus der insgesamt etwas grobschlächtigen Choreographie (Cécile Chaduteau) ragt eine absurde Nummer heraus, bei der die Tänzerinnen und Tänzer in einer Verkleidung "Pferd und Reiter" auftreten. Kurz: Ist der biedere "Hambi" erst einmal verlassen, entwickelt sich eine zunehmend flotte Revue.

Szenenfoto

Höhepunkt der Heiterkeit: Das Pferdeballett

Jennifer Larmore beeindruckt in der Titelpartie mit großer Bühnenpräsenz; ihr Sopran ist in der Mittellage sehr direkt und fast knallig, dabei punktgenau eingesetzt, wird in der hohen Lage aber ein wenig dünn. Dino Lüthy gibt einen sympathischen Fritz, stimmlich solide. Emily Hindrichs als seine Verlobte Wanda bleibt ziemlich leichtgewichtig, Vincent Le Texier gibt einen komödiantischen General Boum, Miljenko Turk einen darstellerisch wie stimmlich eloquenten Baron Puck. John Heuzenroeder ist ein anrührend naiver Graf Paul, und die kleineren Partien sind so weit ganz ordentlich besetzt. Hervorragend singt der Chor (Einstudierung: Rustam Samedov). Am Ende singen dann noch einmal alle, auch das Publikum: Happy Bithday, lieber Jacques. Hat er verdient. Eine pfiffigere Regie allerdings auch.

Szenenfoto

Da ist sie mal im Bild, die Grand-Duchesse de Gérolstein, im Habitus einer Madonna im Strahlenkranz. Was nicht weiter wichtig für die Regie ist,

Es hakt aber auch an anderen Stellen. Der Wassermann ist ja bis zuletzt sehr präsent - eine überzeugende Emanzipationsstory ist das also nicht. Schon interessanter ist die Lösung für den (am Ende von la-grande-duchesse-de-gerolstein erstochenen) Prinzen, dem la-grande-duchesse-de-gerolstein eines ihrer Doubles, allerdings mit Fischschwanz, in den Arm legt: Die Rolle der bewegungsunfähigen Meerjungfrau hat sie hinter sich gelassen. Trotz so mancher Holprigkeit des Konzepts gelingen Nadja Loschky immer wieder berührende Szenen und auch einige starke Bilder im Mitleiden mit der Titelfigur, nicht zuletzt durch eine engagierte (und vom gesamten Ensemble engagiert umgesetzte) Personenregie.


FAZIT

Offenbachs satirische Pfeile fliegen hier ins Nirgendwo, und so gibt sich die Grand-Duchesse de Gérolstein als unterhaltsame Revue, nicht weniger, aber auch nicht mehr.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
François-Xavier Roth

Inszenierung
Renaud Doucet

Bühne und Kostüme
André Barbe

Licht
Andreas Grüter

Choreographie
Cécile Chaduteau

Chor
Rustam Samedov

Dramaturgie
Georg Kehren


Chor und Statisterie der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

Die Großherzogin
Jennifer Larmore

Wanda
Emily Hindrichs

Fritz
Dino Lüthy

Baron Puck
Miljenko Turk

Prinz Paul
John Heuzenroeder

General Boum
Vincent le Texier

Baron Grog
Nicolas Legoux

Népomuc
Alexander Fedin

Iza
Menna Cazel

Olga
Maike Raschke

Charlotte
Regina Richter

Amélie
Marta Wryk

Ein Notar
Julian Schulzki

Tänzerinnen
Hava Hudry
Annalisa Piccolo
Ran Takahashi
Marie Yahmi

Tänzer
Gabriel Andre
Simone Giancola
Loic Gonsalvo
Simon Gruszka
Fabio Semeraro
Killian Touboul



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