Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Street Scene

An American Opera in Two Acts
Text von Elmar Rice nach seinem gleichnamigen Drama
Songtexte von Langston Hughes
Musik von Kurt Weill

in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Koproduktion mit dem Theater Real Madrid und der Operá de Monte-Carlo
Premiere im Staatenhaus Köln-Deutz (Saal 2) am 28. April 2019
(rezensierte Aufführung: 2. Mai 2019)


Logo: Oper Köln

Oper Köln
(Homepage)

Die Hölle, das sind die Nachbarn

Von Stefan Schmöe / Fotos von Paul Leclaire

Geographisch und noch mehr musikalisch ist der Broadway ganz nah. Und doch ist er mit seiner Glamour-Sphäre unendlich weit entfernt für die Menschen in der Lower East Side, die Kurt Weill in dieser Oper portraitiert hat - eine fremde, unerreichbare Welt. Stattdessen: Ein Wohnblock im kleinbürgerlichen Einwanderermilieu, man hält sich eben so über Wasser. (Oder auch nicht; die deutschstämmige Familie Hildebrand wird wegen Zahlungsunfähigkeit kurzerhand auf die Straße gesetzt.) Der soziale Druck ist ebenso groß wie die nachbarschaftliche Überwachung - nichts bleibt ungesehen in diesem Mikrokosmos. Auch nicht die kurze Affäre von Anne Murrant mit dem Milchmann Sankey. Annes Mann Frank, ein rauhbeiniger Alkoholiker, überrascht die beiden und erschießt sie. Die Aufregung dauert nicht lange an, da geht das Leben schon weiter.

Szenenfoto

Ensemble

Regisseur John Fulljames zeigt die Oper weitestgehend ungebrochen als Genrestück der frühen 1930er-Jahre, in der Ausstattung von Dick Bird und dem Lichtdesign von James Farncombe in historisierende Sepia-Farben gehüllt. Die Kostüme haben genauen Zeitbezug, der Wohnblock dagegen ist stilisiert dargestellt durch ein Metallgestell - dieser Verzicht auf ein realistischeres Bühnenbild sichert, dass die Inszenierung nicht zu stark in Richtung Ausstattungsoper abrutscht. Die transparente Bauweise unterstreicht gleichzeitig, dass hier nichts verborgen bleiben kann. Im Hintergrund schimmert die beleuchtete Skyline durch, wenn es Nacht geworden ist. Mülltonnen und ein Hydrant verdichten die Atmosphäre. Vom Band kommen immer wieder Einspielungen von Straßenlärm. Als Spielfläche bleibt, neben dem Auf und Ab im Wohnblock, nur ein relativ schmaler Streifen - aber den nutzt Fulljames mit unglaublicher Virtuosität in der Personenregie, die bis ins kleinste Detail ausgearbeitet ist.

Szenenfoto

v.l.n.r.: Carl Olsen (Scott Wilde), Henry Davis (Mandisinde Mbuyazwe), Lippo Fiorentino (Martin Koch), Olga Olsen (Adriana Bastidas-Gamboa), George Jones (James McOran-Campbell), Greta Fiorentino (Claudia Rohrbach)

Auch wenn Chor und Kinderchor auf der Bühne sind, hat jeder Akteur seine individuelle Aufgabe - das besitzt eine Präzision, wie man sie vom Film, weniger von der Oper kennt. Nie sind die Bilder statisch, auch bei Massenszenen ist immer irgendetwas in Bewegung. Fulljames entwickelt die Regie ausgehend von den (in englischer Sprache) gesprochenen Passagen, die sehr sorgfältig durchgestaltet sind. Offensichtlich wurde bei der Auswahl der Darsteller viel Wert daraufgelegt, dass Erscheinungsbild wie schauspielerische Fähigkeiten möglichst perfekt der jeweiligen Rolle entsprechen - und bis hin zu den von Kindern übernommenen Partien wird das Konzept hervorragend umgesetzt. Handwerklich ist diese Regie eine Meisterleistung..

Szenenfoto

Anna Maurrant (Allison Oakes), Frank Maurrant (Kyle Albertson), Emma Jones (Dalia Schaechter), Greta Fiorentino (Claudia Rohrbach)

Fulljames unterschlägt auch nicht die Revue-Elemente, die einen Bogen von der europäischen Operntradition zum Broadway-Musical schlagen. Immer wieder wird zu einzelnen Nummern getanzt, wenigstens andeutungsweise (Choreographie: Arthur Pita), und der lineare Ablauf damit unterbrochen. Passend dazu schlägt Dirigent Tim Murray mit dem sehr guten Gürzenich Orchester, hinter der Bühne platziert, einen satten Musical-Sound an, Pathos nicht scheuend, gerne im Stil einer Bigband. Ein wenig Kitsch darf dabei auch sein. Ganz großes Kino sozusagen, und es sind die Genauigkeit der Regie und das Gefühl für Tempo, die ein Abgleiten in nostalgische Gefälligkeit verhindern.

Szenenfoto

Kinderchor

Dazu wird auf hohem Niveau gesungen, nicht zuletzt von Chor und Kinderchor (Einstudierung: Rustan Samedov). Vom jungen Paar Rose Murrant (Katherine Henly) und Nachbar Sam Kaplan (Jack Swanson) hätte man sich mitunter etwas größere Stimmen gewünscht, aber das lyrische, ein wenig zerbrechliche Element passt natürlich zu den beiden, denen nach der Ermordung von Roses Mutter durch den eigenen Vater keine gemeinsame Zukunft beschieden ist. Oliver Zwarg verleiht dem Frank Murrant imposante Wucht, hinter der man die Angst ahnt, ein beeindruckendes Rollenportrait. Allison Oakes singt dessen Frau Anne mit anrührender Intensität, wenn auch eine Spur zu sehr in Leidenspose. Auch die weiteren Partien sind durchweg gut besetzt. Diese exzellente Ensembleleistung trägt maßgeblich bei zu einer sehr dichten und spannenden Aufführung, bei der manches aus dem New York von 1930 wie etwa die hassverzerrten Tiraden gegen Zugezogene und deren vermeintlich unzureichende Anpassungsfähigkeit bestürzend aktuell klingen.


FAZIT

Ebenso sehens- wie hörenswert: Die detailbesessene Regie von John Fulljames entwickelt erhebliche Sogkraft, die sehr gute musikalische Umsetzung verortet Street Scene wirkungsvoll als Broadway Opera.




Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Timm Murray

Inszenierung
John Fulljames

Mitarbeit Regie, Einstudierung
Lucy Bradley

Bühne und Kostüme
Dick Bird

Lichtdesign
James Farncombe

Choreographie
Arthur Pita

Choreographische Einstudierung
Valentina Golfieri

Klangregie
Thomas Wegner

Chor
Rustam Samedov

Dramaturgie
Tanja Fasching


Statisterie der Oper Köln

Mädchen und Knaben des
Kölner Domchors

Schüler des Mittelstufenchors
am Max-Ernst-Gymnasium Brühl

Chor der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Frank Maurrant
Kyle Albertson /
* Oliver Zwarg

Anna Maurrant
Allison Oakes

Rose Maurrant
Emily Hindrichs /
* Katherine Henly

Willie Maurrant
Lukas Renz

Abraham Kaplan
Alexander Fedin

Sam Kaplan
*Jack Swanson /
Thomas Elwin

Shirley Kaplan
Tanja Baumgart

George Jones
James Mcoran-Campbell

Emma Jones
Dalia Schaechter

Mae Jones / Erstes Kindermädchen
Emma Kate Nelson

Vincent Jones / Neuer Mieter / Krankenwagenfahrer
Nikolaas Von Schrader

Greta Fiorentino
Claudia Rohrbach

Lippo Fiorentino
Martin Koch

Carl Olsen
Scott Wilde

Olga Olsen
Adriana Bastidas-Gamboa

Daniel Buchanan
Young Woo Kim

Henry Davis
Mandisinde Mbuyazwe

Mrs. Davis
Annika Wiessner

Mrs. Hildebrand
Safak Pedük

Charlie Hildebrand
Wladislav Bartinovski

Jennie Hildebrand
Arnheiður Eiríksdóttir

Harry Easter
Timothy Mcdevitt

Dick Mcgann
Alan Burkitt

Steve Sankey
Florian Reiners

Zweites Kindermädchen
Maike Raschke

Mutter / Neue Mieterin
Silke Natho

Dr. Wilson / Arbeiter
Tom Wirtz

Offizier Murphy, Milchmann
Marc Hassenpflug

City Marshall
Peter Dickmeyer

Fred Cullen / Polizist
Robin Ebneth

Polizist / Arbeiter
Pascal Dörr

Polizist / Krankenwagenfahrer
Charles De Moura

Joe
Jakob Geppert

Tänzerinnen und Tänzer
Giulia Fabris
Natalia Andrea Lopez Toledano
César José Gutiérrez Salas
Roberto Junior



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Oper Köln
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2019 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -