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Roberto Devereux

Tragedia lirica in drei Akten
Libretto
von Salvatore Cammarano nach der Tragödie Elisabeth d'Angleterre von Jacques-François Ancelot
Musik von Gaetano Donizetti


in italienischer Sprache mit englischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Badischen Staatstheater am 23. März 2019

 
 
Badisches Staatstheater Karlsruhe
(Homepage)

Belcanto zwischen Liebe und Politik 

Von Thomas Molke / Fotos von Falk von Traubenberg

Gaetano Donizetti hat der englischen Königin Elisabeth I. in seinem Opernschaffen in doppelter Hinsicht ein Denkmal gesetzt. Zum einen hat er mit Elisabetta al castello di Kenilworth (1829), Maria Stuarda (1835) und Roberto Devereux (1837) insgesamt drei Werke komponiert, die auch als Elisabeth-Trilogie bezeichnet werden. Zum anderen bilden die beiden Letztgenannten mit Anna Bolena (1830) eine sogenannte Tudor-Trilogie, da hier mit Anne Boleyn, Mary Stuart und Elisabeth I. drei außergewöhnliche Königinnen der Tudor-Dynastie im Zentrum stehen. Roberto Devereux kennzeichnet von diesen Opern vielleicht das autobiographischste Werk für Donizetti, da er die Vergänglichkeit, mit der die Figuren des Stückes konfrontiert werden, durch persönliche Schicksalsschläge gut nachvollziehen konnte. Bevor er mit der Vertonung begann, hatte er gerade seine Frau Virginia im Alter von 29 Jahren kurz nach einer Fehlgeburt verloren, und in seiner Wahlheimat Neapel wütete die Cholera, die jeden Tag neue Opfer forderte. So nannte er selbst dieses Werk seine "Oper der Emotionen". Wie die meisten anderen Opern Donizettis hat auch Roberto Devereux lange Zeit ein Schattendasein geführt und wurde, wenn überhaupt, in den letzten Jahren hauptsächlich mit einer großen Belcanto-Spezialistin in Verbindung gebracht: Edita Gruberova, was vielleicht aus Angst vor einem Vergleich eher selten zu einer Aufnahme ins Repertoire anderer Häuser geführt hat. Nachdem das Badische Staatstheater Karlsruhe bereits in der letzen Spielzeit mit Kammersängerin Ina Schlingensiepen als Anna Bolena bewiesen hat, dass man Belcanto-Juwelen mit Ensemble-Mitgliedern hochkarätig besetzen kann, wagt man sich nun an Roberto Devereux heran und lässt Schlingensiepen in die Rolle von Annas Tochter Elisabeth schlüpfen.

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Königin Elisabeth I. (Ks. Ina Schlingensiepen)

Die Oper basiert auf der französischen Tragödie Elisabeth d'Angleterre von Jacques-François Ancelot und einer historischen Begebenheit über den Earl of Essex, Robert Devereux (Roberto), der als Stiefsohn des Earl of Leicester, Robert Dudley, trotz des Altersunterschieds wahrscheinlich genauso ein amouröses Verhältnis mit der Königin unterhielt wie sein Stiefvater. 1599 hatte Elisabeth ihn nach Irland geschickt, um einen Aufstand der Rebellen niederzuschlagen, doch Devereux hielt sich nicht an die Anweisungen und handelte einen Waffenstillstand aus, was zu einer Anklage wegen Hochverrats führte. Obwohl Elisabeth ihn zunächst im Gerichtsverfahren schützte, unterschrieb sie dennoch am 24. Februar 1600 sein Todesurteil. Einen Tag später folgte die Hinrichtung. In der Oper ist Elisabeths Entscheidung nicht politisch motiviert. Bei Robertos Rückkehr aus Irland findet sie heraus, dass er eine andere Frau liebt, und verlangt zur Rettung seines Lebens den Namen der Geliebten, den er allerdings verweigert. Es handelt sich dabei nämlich um Elisabeths Hofdame und Vertraute Sara, die mittlerweile von Elisabeth mit dem Herzog von Nottingham, Robertos väterlichem Freund, verheiratet worden ist, der zunächst alles daran setzt, Roberto vor der Hinrichtung zu bewahren. Als der Herzog jedoch erfährt, dass seine Frau Robertos Geliebte ist, wandelt sich seine Zuneigung in Hass, und so verhindert er, dass Sara der Königin einen Ring übergeben kann, den Roberto einst von Elisabeth mit dem Versprechen bekommen hatte, stets Gnade zu erhalten. Als Sara ihrem Mann entfliehen kann und die Königin mit dem Ring erreicht, ist es bereits zu spät. Ein Kanonenschuss hat Robertos Hinrichtung verkündet. Elisabeth verfällt dem Wahnsinn und dankt als Königin ab.

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Elisabeth (Ks. Ina Schlingensiepen) konfrontiert Roberto (Eleazar Rodriguez, links) mit seinem Betrug (rechts: Herzog von Nottingham (Ks. Armin Kolarczyk)).

Das Regie-Team um Harry Fehr setzt bei der Umsetzung der Geschichte auf optische Opulenz, die der großartigen Musik durchaus angemessen ist. So hat Mark Bouman sehr aufwändige Kostüme kreiert, die stark vom Elisabethanischen Zeitalter beeinflusst sind und selbst für jedes einzelne Chormitglied als maßgeschneiderte Einzelstücke angefertigt worden sind. Elisabeth tritt in insgesamt vier unterschiedlichen Roben auf, die in der jeweiligen Szene ihre Rolle als Herrscherin oder im privaten Bereich als zärtlich liebende Frau betonen. Unterstützt wird dieser Aspekt durch verschiedene Perücken, die mal ihre zur Schau gestellte Jugendlichkeit, dann die Unnahbarkeit der idealisierten "Virgin Queen" hervorheben. Roberto Devereux bildet in helleren, leuchtenden Farben einen starken Kontrast zu den recht dunkel gekleideten übrigen Männern, was ihn für die Königin noch attraktiver macht. Yannis Thavoris hat hohe eindrucksvolle Räume geschaffen, die durch Einsatz der Drehbühne schnelle Szenenübergänge ermöglichen. Der Thronsaal ist in einem hohen dunkel getäfelten Halbrund gehalten und wirkt in seiner kühlen Atmosphäre regelrecht bedrohlich. An dem langen Tisch, der den Raum dominiert, hebt sich in der Mitte Elisabeths Thron in knalligem Rot von den übrigen dunklen Farben ab. Elisabeths Schlafgemach läuft in rotem Blumenmuster in zwei Halbkreisen nach hinten schmal zu, was die Königin gewissermaßen eingezwängt zwischen ihrem politischen Amt und ihren Gefühlen zeigt. Saras Gemach ist in ähnlicher Form wie der Thronsaal geformt, nur niedriger und in sanften Holztönen, was mit dem Feuer im Hintergrund dem Raum eine wärmere Atmosphäre verleiht. Zwischen diesen Räumen ist die Zelle, in der Roberto auf seine Hinrichtung wartet, regelrecht eingezwängt und zeigt, wie Robertos Leben von der Königin einerseits und Sara andererseits beherrscht wird.

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Elisabeth (Ks. Ina Schlingensiepen, Mitte) unterzeichnet Robertos (Eleazar Rodriguez, vorne rechts) Todesurteil (links von der Königin: Lord Cecil (Ks. Klaus Schneider), rechts von Roberto: Nottingham (Ks. Armin Kolarczyk), im Hintergrund: Opernchor).

Fehr folgt in der Personenregie dem Libretto ohne Aktualisierungsansätze und schafft es, die Auftritte der Hofdamen und des Rates sehr bühnenwirksam zu gestalten. Kleinere Abänderungen der Geschichte dienen dazu, den dramaturgischen Widersprüchlichkeiten im Verhalten der Personen entgegenzuwirken. So ist Sara beispielsweise von Roberto schwanger, was motivieren soll, wieso Roberto nach der Rückkehr aus Irland an seiner Liebe zu ihr festhält, und den Betrug für Nottingham umso schwerwiegender macht. Nottingham wird am Ende der Oper von Elisabeth erstochen, da er Sara daran gehindert hat, den Ring rechtzeitig zur Königin zu bringen, um Robertos Hinrichtung zu verhindern. Mit diesem Mord wird der Wahn, dem die Königin im Anschluss verfällt, noch authentischer. Roberto läuft, kurz bevor er vom Rat zur Hinrichtung abgeführt wird, noch einmal durch alle Räume, erblickt die Königin, die ihm den Rücken zukehrt und damit zum Ausdruck bringt, dass sie ihn fallen gelassen hat, und sieht Sara verträumt an dem Tuch sticken, das sie ihm zur Erinnerung für seine Flucht geschenkt hatte. So wird deutlich, dass er sich auch von der Geliebten verraten fühlt, da sie der Bitte, den Ring der Königin zu übergeben, scheinbar nicht nachgekommen ist. Elisabeths Verfall wird in Fehrs Personenregie besonders eindrucksvoll umgesetzt. In der letzten Szene tritt sie ohne Perücke mit dünnem, weißem Haar auf und wirkt in ihrem Gewand schon wie ein Geist. Mit Robertos blutüberströmtem Hemd in den Armen verliert sie endgültig den Verstand und geht erbärmlich zugrunde, während Lord Cecil den neuen König ausruft.

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Noch hofft Roberto (Eleazar Rodriguez) auf die Rettung.

Musikalisch lässt der Abend ebenfalls keine Wünsche offen. Daniele Squeo erweist sich am Pult der Badischen Staatskapelle als Meister für satte Klänge und taucht mit viel Verve in die emotionale Achterbahn ein, die die Figuren der Oper durchleben. Eröffnet wird der Abend mit der Ouvertüre, die Donizetti erst in die zweite Fassung einfügte, die am Théâtre Italien in Paris ein Jahr nach der Uraufführung herauskam und in der auch die englische Nationalhymne anklingt. Kammersängerin Ina Schlingensiepen kann es als Königin Elisabeth mit den namhaften Vorgängerinnen in dieser Partie durchaus aufnehmen und begeistert durch große Dramatik und intensives Spiel. Wunderbar changiert sie zwischen weichen Tönen, die Elisabeth als liebende Frau zeigen, und großen dramatischen Ausbrüchen, wenn sie sich von Roberto verraten fühlt. Die zerbrechliche Gestaltung ihrer Arie im letzten Akt, wenn sie verzweifelt auf den Ring wartet, rührt zu Tränen, und in der großen Wahnsinnsszene am Ende der Oper zieht Schlingensiepen noch einmal alle Register ihres Könnens. Jennifer Feinstein punktet als ihre Rivalin Sara mit dramatischem Sopran und bewegendem Spiel, in dem ihre Gefühle für Roberto zu jedem Zeitpunkt mehr als deutlich werden. Eleazar Rodriguez legt die Titelpartie mit baritonal gefärbter Stimmlage an und begeistert vor allem in den beiden Duetten mit Schlingensiepen und Feinstein im ersten Akt und in seiner großen Arie im dritten Akt, in der er noch einmal auf die Rettung hofft. Kammersänger Armin Kolarczyk glänzt als Nottingham mit markantem Bariton, der auch in den Höhen enorme Durchschlagskraft besitzt. Glaubhaft gestaltet er den Wechsel von seiner Verteidigung Robertos hin zu seinem Wunsch auf Rache, wenn er erkennt, dass der Freund ihn mit seiner Frau betrogen hat. Intensiv gestaltet er auch die Auseinandersetzung mit Feinstein im dritten Akt. Der von Ulrich Wagner großartig einstudierte Chor setzt weitere musikalische und szenische Akzente. So gibt es am Ende frenetischen und verdienten Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Wer Belcanto-Oper in klassischem Gewand liebt, sollte sich diese Inszenierung nicht entgehen lassen. Am Badischen Staatstheater beweist man, dass man das Publikum mit einer emotionsgeladenen Belcanto-Oper begeistern kann, ohne auf zwanghafte Aktualität zu setzen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Daniele Squeo

Regie
Harry Fehr

Bühne
Yannis Thavoris

Kostüme
Mark Bouman

Licht
Rico Gerstner

Chorleitung
Ulrich Wagner

Dramaturgie
Deborah Maier

 

Badische Staatskapelle

Badischer Staatsopernchor

Statisterie des Badischen Staatstheaters


Solisten

*Premierenbesetzung

Roberto Devereux, Graf von Essex
Eleazar Rodriguez

Elisabeth I., Königin von England
Ks. Ina Schlingensiepen

Herzog von Nottingham
*Ks. Armin Kolarczyk /
Seung-Gi Jung

Sara, seine Frau
Jennifer Feinstein

Lord Cecil
Ks. Klaus Schneider

Sir Gualtiero Raleigh
Yang Xu

Ein Diener Nottinghams
Bariş Yavuz

Ein Lord
Andrey Netzner /
*Dmitrijus Polesciukas


Weitere
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Badischen Staatstheater Karlsruhe
(Homepage)



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