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Les dialogues des Carmélites (Gespräche der Karmeliterinnen)


Oper in drei Akten (zwölf Bildern)
Libretto vom Komponisten nach dem gleichnamigen Drama von Georges Bernanos
Musik von Francis Poulenc


in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Theater Krefeld am 26. Januar 2019

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Theater Krefeld-Mönchengladbach
(Homepage)
Eine ziemlich heikle Frage der Ideale

Von Stefan Schmöe / Fotos von Matthias Stutte

Wofür stehen die 16 Nonnen des Karmeliterinnenklosters von Compiègne nahe Paris, die am 17. Juli 1794 mit der Guillotine hingerichtet wurden? In Francis Poulencs Oper Les dialogues des Carmélites, die das historische Geschehen aufgreift, mag man im beklemmenden Finale der großformatigen Vertonung des Antiphons Salve regina wegen vor allem den Rückzug in den katholischen Glauben heraushören. Die Überwindung der Angst als Verklärung eines passiven Erduldens - sicher ein problematischer Aspekt des Werkes. Andererseits lässt sich Gertrud von le Forts 1931 erschienene Novelle Die letzte am Schafott, eine drer Vorlagen der Oper, zumindest im Rückblick als Mahnung vor dem drohenden Faschismus interpretieren, trotz oder wegen des exakt datierbaren Sujets: Standhaftigkeit und ein Eintreten für die eigene Überzeugung auch in höchster Not.

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Die beiden Novizinnen: Constance und Blanche

In dieser Krefelder Neuinszenierung setzen Beverly und Rebecca Blankenship den Nonnen 16 Frauen gegenüber, die für ihre Überzeugungen gestorben sind. Man stolpert im Foyer über deren Bilder, man sieht sie auch auf der Bühne, teilweise als Projektionen. Man findet darunter Edith Stein, die in Auschwitz ermordete Ordensschwester (die auch den Karmeliterinnen angehörte) oder Sophie Scholl, aber auch die palästinensische Selbstmordattentäterin Wafa Idris, die sich 2002 in Jerusalem in die Luft sprengte und dabei einen Menschen tötete und mehr als 100 verletzte, und die deutsche Linksterroristin Brigitte Kuhlmann, die bei der Entführung einer Air-France-Maschine nach Uganda 1976 getötet wurde. Der Begriff "Märtyrerin" ist also in diesem Kontext ausgesprochen schwierig, erst recht die Verbindungslinien von den friedfertigen französischen Nonnen, die in Revolutionswirren ihr Leben ließen, zu ausgesprochen gewalttätigen Personen der jüngeren Geschichte, die selbst zu Mördern wurden. Allerdings geht die Regie über lose Assoziationen nicht hinaus und will nie Diskurstheater sein - da vergehen die Bauchschmerzen, die bei diesem gewagten Konzept drohen, schnell wieder. Und trotzdem: Der gedankliche Ansatz wirkt in seiner Offenheit und Verharmlosung haarsträubend naiv. Ein solches Konzept müsste intellektuell sehr viel besser abgesichert sein. Man denkt besser nicht zu viel über die Regie nach und belässt es dabei, dass hier ziemlich pauschal allen Frauen gedacht wird, die für ihre Überzeugung gestorben sind.

Vergrößerung in neuem Fenster Die alte Priorin stirbt.

Vor dem völligen Scheitern angesichts dieses Ansatzes wird die Inszenierung paradoxerweise dadurch bewahrt, dass sie ziemlich zerfahren ist und nicht viel weiter denkt. Vor allem möchten die Regie führenden Schwestern nämlich die Geschichte an sich ganz nahe an die Zuschauer heranbringen, und das im eigentlichen Wortsinn. Das Orchester sitzt auf der Hinterbühne, der überbaute Graben dienst als Spielfläche, von unten wirkungsvoll beleuchtet. Die Nonnen tragen schicke zeitlose Designerroben (Kostüme: Gerti Rindler-Schantl) und sollen keinesfalls historisch wirken. Die Revolutionäre tragen scheußliche einteilige Kampfanzüge mit der jakobinischen Kokarde, und leider muss auch die Hauptfigur, die junge Nonne Blanche, in ein solches, wenig kleidsames Gewand schlüpfen (eine Zumutung für die Sängerin und für's Publikum) - Blanche war schließlich schon untergetaucht, kehrt aber im letzten Moment zurück, um mit den Ordensschwestern zu sterben. Eine immer noch und immer wieder gültige Geschichte soll da erzählt werden, ziemlich stark durchästhetisiert, meistens mit sehr ordentlicher Personenführung, im Finale zu allzu großem Pathos neigend. Ein paar eindrucksvolle Bilder liefert die Regie dann schon.

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Todgeweiht: Die Nonnen des Karmel

Sehr überzeugend ist die musikalische Seite. Sophie Witte fehlt zwar für die Blanche ein wenig die stimmliche Größe, aber sie forciert ihren lyrischen Sopran nicht und behält etwas zerbrechliches, zugleich mädchenhaft Unschuldiges, das gut zur Rolle passt. Panagiota Sofroniadou als Novizin Constance besticht durch eine jugendlich leuchtende, unbekümmerte Stimme. Kerstin Brix gibt der sterbenden Priorin Madame de Croissy scharfe Konturen, Eva Maria Günschmann ist eine expressive Mére Marie (die den Nonnen das Gelübde zum Sterben abverlangt), Janet Bartolova eine souveräne neue Priorin Madame Lidoine. Dazu kommen Mathieu Abelli als solider Marquis de la Force (der Vater Blanche's) und David Esteban mit schönem Tenor als ihr Bruder. Auch die kleineren Partien sind ordentlich besetzt.

Vergrößerung in neuem Fenster Nein, die Guillotine, die man hier im Bild sieht, kommt nicht zum Einsatz. Man stirbt durch pathosgeladenes Hinfallen.

Ganz ausgezeichnet trifft Dirigent Mikhel Kütson am Pult der bestens aufgelegten Niederrheinischen Sinfoniker die wechselnden, keinesfalls immer tragischen Tonfälle Poulencs, nimmt die Musik an vielen Stellen kammermusikalisch leicht, spielt mit den Klangfarben und verleiht den Schlüsselmomenten dann wieder große Wucht. Der Chor und insbesondere das Ensemble der Nonnen singen ausgezeichnet, und durch die Anordnung - Chor auf dem Rang, Sänger auf dem überbauten Orchestergraben - bekommen die Stimmen außerordentliche Präsenz. Das wiegt manche Banalität der Regie auf.


FAZIT

Das beste, was man über diese Regie sagen kann: Sie liefert ein paar passable Bilder. Musikalisch eindrucksvoll.


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Hinweis: Wir schließen uns in unserer Rezension der vom Theater Krefeld Mönchengladbach verwendeten Schreibweise "Karmeliterinnen" (statt "Karmelitinnen", wie man es ebenfalls findet) an.

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Mikhel Kütson

Inszenierung
Beverly und Rebecca Blankenship

Bühne
Christian Floeren

Kostüme
Gerti Rindler-Schantl

Chor
Michael Preiser

Dramaturgie
Ulrike Aistleitner


Statisterie, Herrenchor und
Damen-Extrachor des Theater
Krefeld und Mönchengladbach

Die Niederrheinischen Sinfoniker


Solisten

Marquis de La Force
Mathieu Abelli

Blanche, seine Tochte
Sophie Witte

Der Chevalier, sein Sohn
David Esteban

Madame de Croissy, Priorin
Kerstin Brix

Madame Lidoine, die neue Priorin
Janet Bartolova

Mère Marie, Novizenmeisterin
Eva Maria Günschmann

Soeur Constance, Novizin
Panagiota Sofroniadou

Mère Jeanne
Susanne Seefing

Soeur Mathilde
Valerie Eickhoff

Der Beichtvater des Karmel
James Park

1. Kommissar
Woongyi Lee

2. Kommissar
Alexander Kalina

Ein Offizier / Kerkermeister
Hayk Déinyan

Thierry / Diener
Alexander Kalina

Javelinot, Arzt
Dae Jin Kim

Karmelitinnen
Nele van Deyk
Maria Gurzynska
Ursula Henning
Birgitta Henze
Christina Heuten
Anna Hollenberg
Katharina Ihlefeld
Lisa Kaltenmeier
Bong-Kil Lee
Pia Melenk
Heeya Yang



Weitere
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Mönchengladbach

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Da capo al Fine

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