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Möge Mozart mit Euch sein!
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Matthias Stutte Die Zauberflöte als Diskursoper hat ja schon so manchen Kopfschmerz bereitet. Wer im Stück gut und wer böse ist (und warum), wird nicht so recht schlüssig, und bei aller musikalischen Sympathie des Komponisten für die junge Frau Pamina muss man so manche kraftmeiernde Phrase über eine vermeintliche Überlegenheit des männlichen Geschlechts ertragen. Dazu kommt allerhand Bedeutungsballast, vermischt mit Freimaurersymbolik. Als "Machwerk" ist die Oper ob dieser merkwürdigen Melange bezeichnet worden. Die herausfordernde Frage: Wie stellt sich der Regisseur dazu? Kobie van Rensburg nimmt die Zauberflöte als das, was sie seit jeher für viele Hörer geblieben ist: Ein tolles Märchen, bei dem man nicht jedes Wort auf die Diskurswaage legen darf. Papageno und Tamino
Nun besteht der Märchenschatz der heutigen (jüngeren) Generation nicht mehr aus den Sammlungen von Grimm oder Hauff, sondern aus einschlägigen Kinofilmen wie Star Wars, E. T., Harry Potter oder die Zeichentrick-Serie Captain Future, und genau dort leiht sich van Rensburg sein Personal aus. Die Figuren der Zauberflöte erscheinen im Look der diversen Fantasy-Filme. Für alle Liebhaber des Genres gerät die Inszenierung daher zum lustigen Wiedererkennungsspiel. Für alle anderen erschließen sich van Rensburgs Gedanken- und Bilderspiele auch ohne weitere Kenntnisse. Inhaltlich muss eigentlich nichts geändert werden, denn eine Zauberoper ist die Zauberflöte ja sowieso. Der "siebenfache Sonnenkreis", um den es geht, legt die Umdeutung in ein interstellares Märchen bereits nahe. Der Unterhaltungswert ist in jedem Fall groß, der Applaus auch in der hier besprochenen zweiten Aufführung einhellig und heftig. Tamino mit der Zauberflöte
Van Rensburg arbeitet mit der Blue-Screen-Technik: Die Protagonisten werden vor blauem Hintergrund live gefilmt und die Bilder per Computer in eine gefilmte oder gezeichnete Landschaft versetzt. Man sieht in der Aufführung in der unteren Bildhälfte die Darsteller in Kostümen, aber weitestgehend ohne Requisiten, während auf einer großen Leinwand deren Bilder in Fantasywelten mit fliegenden Drachen, vor allem aber jeder Menge Raumfahrzeuge hineinmontiert werden. Das ergibt einen durchaus reizvollen Kontrast, weil die animierte Welt oben durch das Sichtbarmachen der Technik unten gebrochen wird. Diese Zauberflöte ist daher Illusionstheater, das genau dies in keinem Moment verleugnet. Manche Szenen hätte man sich sicher noch effektvoller vorstellen können, vor allem die Auftritte der Königin der Nacht, die hier beinahe etwas Parodistisches erhalten. Auch wenn die meisten Szenen sehr kurzweilig gelungen sind: Das Verfahren erschöpft sich natürlich. Dabei gerät es nicht unbedingt zum Vorteil, dass van Rensburg viel gesprochenen Text spielen lässt - ein paar Striche wären vielleicht doch angebracht. Papageno erträumt sich eine hübsche junge Frau
Kapellmeister Diego Martin-Etxebarria am Pult der sehr ordentlich aufspielenden Niederrheinischen Sinfoniker schlägt einen dezidiert unpathetischen Grundton an und wählt flotte Tempi, weniger bei den ohnehin schnellen Nummern als vielmehr in den gesetzteren Arien und Ensembles, was für viel musikalischen Schwung sorgt - diese Zauberflöte will ständig voran. Es fehlt allerdings an den Ruhepunkten, und selbst wenn Diego-Etxebarria solche setzen möchte, drängen die Sänger nach vorne. Das verstärkt den Eindruck, dass die Inszenierung bei allem Charme eben doch an der Oberfläche bleibt und über die Tiefen hinweggleitet. Der von Michael Preiser einstudierte Chor singt klangschön und präzise, und Lob gebührt nicht zuletzt den virtuos agierenden Bühnenarbeiterinnen und -Arbeitern, die die technische Realisation überhaupt erst ermöglichen. Scvhweigegebot: Tamino und Papageno werden von den drei Damen der Königin behelligt.
In dieser zweiten Aufführung sind zwei Schlüsselpartien mit Stipendiaten des Opernstudios besetzt: Tenor Woongyi Lee aus dem Opernstudio singt bravourös den Tamino, stimmlich nicht zu leicht und mit sicherer Höhe (große Mühe hat der Südkoreaner indes mit dem gesprochenen Text), und Bariton Alexander Kalina gibt einen lausbubenhaften Papageno mit viel Charme und Komik. Dazu kommt Valerie Eickhoff als zweite Dame, die mit Debra Hays und Johanna Werhahn ein überzeugendes Damentrio abgibt. Der erfahrene Matthias Wippich spricht und singt einen differenzierten Sarastro ohne altväterliche Züge, sondern mit dynamischer Präsenz. Judith Spiesser ist eine mehr als akzeptable Königin der Nacht, die ihre berühmt-berüchtigten Koloraturen mit großer Genauigkeit ausgestaltet. Sophie Witte hat schon überzeugendere Abende gezeigt als diesen, in der ihre Pamina zwar im zweiten Akt zunehmend an Souveränität gewinnt, in der ersten Hälfte aber seltsam unkonturiert bleibt - nicht wirklich mädchenhaft lyrisch, aber auch nicht klar fokussiert im Bemühen um "großen" Ton. Gereon Grundmann verleiht dem Sprecher angemessenes Gewicht, Kairschan Scholdybajew und Frank Rammelmüller sind solide Priester. Ganz ausgezeichnet harmonieren Marie Lina Hanke, Claudia Sandig und Luzia Ostermann als betörend schön singende Knaben.
Die Zauberflöte als naives, technikverleibtes Fantasy-Märchen für das 21. Jahrhundert - warum nicht, zumal die musikalische Seite sehr ordentlich gerät. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung, Kostüme, Video
Bühne
Chor
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der rezensierten Aufführung
Sarastro
Tamino
Sprecher
Erster Priester
Zweiter Priester
Königin der Nacht
Pamina
Erste Dame
Zweite Dame
3. Dame
Papagena
Papageno
Monostatos
Erster Knabe
Zweiter Knabe
Dritter Knabe
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