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Musiktheater
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Saul

Szenisches Oratorium in drei Akten
Libretto von Charles Jennens nach Samuel 1 und 2 aus dem Alten Testament, Davideis von Abraham Cowley
und The Tragedy of King Saul von Roger Boyle, 1st Earl of Orrery
Musik von Georg Friedrich Händel

in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theaters Münster am 27. Oktober 2018
(rezensierte Aufführung: 07.11.2018)

Logo: Theater Münster

Theater Münster
(Homepage)
Auf den Stufen der Macht

Von Thomas Molke / Fotos: © Jörg Landsberg

Dass Georg Friedrich Händels Oratorien heutzutage zunehmend in szenischen Produktionen die Opernbühnen erobern, mag mehrere Gründe haben. Zum einen hauchte der mit zahlreichen Opernkompositionen vertraute Händel dieser Gattung eine solche Dramatik ein, dass selbst alttestamentarische Stoffe in der Ausgestaltung die Qualität eines Dramas von Shakespeare erhielten. Zum anderen soll Händel auch selbst szenische Aufführungen seiner Oratorien im Sinn gehabt haben, was jedoch am Widerstand der anglikanischen Kirche scheiterte, da diese im 18. Jahrhundert durchsetzen konnte, dass in England biblische Stoffe nicht auf die Theaterbühne gebracht wurden. So ging es auch Saul, einem Werk, mit dem Händel 1739 seine erste Oratorien-Saison im King's Theatre einleitete und das den Anfang der Blütezeit des englischen Oratoriums markierte. Dabei griff Charles Jennens in seinem Libretto nicht nur auf die alttestamentarische Überlieferung, sondern auch auf Abraham Cowleys Epos Davideis und Roger Boyles Theaterstück The Tragedy of King Saul zurück, in denen die homoerotischen Gefühle zwischen David und Sauls Sohn Jonathan wesentlich offener als in der Bibel zutage treten.

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Michal (Marielle Murphy, vorne Mitte) berichtet dem König Saul (Gregor Dalal, hinten auf dem Thron), ihren Geschwistern Jonathan (Youn-Seong Shim, links), Merab (Kathrin Filip, rechts) und dem Volk (Chor) von Davids Sieg über Goliath.

Erzählt wird die im Alten Testament in Samuel 1 und 2 überlieferte Geschichte des Saul, der zum ersten König über das Volk Israel ernannt worden ist. Doch sein Ruhm ist nur von kurzer Dauer. Als der Hirtenjunge David im Kampf gegen die Philister den Riesen Goliath besiegt, verliert Saul immer mehr die Gunst des Volkes. Zunächst versucht er, David an seinen Hof zu binden, und verspricht ihm die Hand seiner Tochter Merab, die allerdings eine Verbindung wegen des Standesunterschiedes ablehnt, während die Bewunderung für den jungen Helden im Volk immer mehr zunimmt, so dass Saul schließlich von rasender Eifersucht gepackt wird und einen Anschlag auf David verübt, der jedoch misslingt. Auch Sauls Sohn Jonathan stellt die Freundschaft zu David über den Gehorsam seinem Vater gegenüber und lehnt es ab, David im Auftrag seines Vaters umzubringen. Als dann auch noch Sauls Tochter Michal David vor den Häschern des Königs schützt, sucht Saul Rat bei den Mächten der Unterwelt. Die Hexe von Endor beschwört den Richter Samuel aus dem Totenreich herauf, der einst Saul zum König bestimmt hat und der ihm nun seinen baldigen Tod im Kampf gegen die Philister prophezeit. Gemeinsam mit seinem Sohn Jonathan fällt Saul in der Schlacht, und David wird vom Hohepriester unter allgemeinem Jubel des Volkes zum neuen König ausgerufen.

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Mit Unbehagen beobachten Saul (Gregor Dalal, im Hintergrund) und Merab (Kathrin Filip) die enge Beziehung zwischen David (Michael Taylor, vorne links) und Jonathan (Youn-Seong Shim, vorne rechts).

Das Regie-Team um Susanne Knapp löst sich von dem biblisch-historischen Kontext und wählt einen recht abstrakten Ansatz. Bühnenbildner Christopher Melching hat einen überdimensionalen Thron in der Bühnenmitte entworfen, zu dem eine schmale Leiter hinaufführt. Wer darauf sitzt, thront im wahrsten Sinne des Wortes über den Dingen, kann aber auch sehr tief fallen. Eine nach oben schmaler werdende Kachelwand deutet den Wohlstand an, der nur sehr wenigen zuteil wird, während die Bühne ansonsten von farblosen Betonwänden eingerahmt wird. Im Hintergrund sieht man zunächst Projektionen aus luftiger Höhe, die die Falltiefe noch einmal hervorheben. Zu der vom Sinfonieorchester Münster unter der musikalischen Leitung des Barockspezialisten Michael Hofstetter sehr düster angelegten Ouvertüre sieht man Saul als alten gebrochenen Mann mühsam aus der Tiefe auf den Thron emporklettern, während der Chor in gebeugter Haltung über die Bühne schleicht. Erst wenn Saul auf dem Thron sitzt, gibt er sich als überlegener Herrscher. Doch bei aller Selbstgefälligkeit wird klar, dass Saul sich nicht auf diesem Thron halten wird.

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Saul (Gregor Dalal, Mitte) fordert seinen Sohn Jonathan (Youn-Seong Shim, vorne rechts) auf, David (Michael Taylor, im Hintergrund) zu töten.

David tritt mit zwei Statisten auf, die einen Löwen- und einen Bärenkopf tragen, was wahrscheinlich andeuten soll, dass er von Anfang an nicht der harmlose einfache Hirtenjunge ist, der völlig überraschend den Riesen Goliath besiegt hat, auch wenn er selbst äußerst mild und friedlich wirkt. Wieso er anschließend mit Jonathan in ein Schaumbad steigt, erschließt sich nicht wirklich. Soll damit die homoerotische Beziehung zu Sauls Sohn unterstrichen werden? Unklar bleibt auch, wieso Sauls Tochter Michal, die David anhimmelt, am Anfang in schwarzen Hosen auftritt, wenn sie Davids Sieg über Goliath verkündet. Für die Zuschauer ist es zunächst schwierig zu erkennen, dass es sich hierbei um die Königstochter handelt, die später David als Braut angeboten wird. Da wird die andere Königstochter Merab in ihrem steifen ausladenden Kostüm wesentlich nachvollziehbarer gezeichnet. Diskutabel ist auch der Auftritt der Hexe von Endor, die von Beginn der Inszenierung an als Putzfrau die Bühne fegt und sich erst im dritten Akt als Macht der Unterwelt zu erkennen gibt. Dass sie bei ihrer Prophezeiung den König Saul mit blutroter Farbe beschmiert, gehört zu den unnötigen Regie-Einfällen, wohingegen die Erscheinung des Geists Samuel als Projektion in einem schwarzen Vorhang beeindruckend umgesetzt wird. Obwohl Knapp das Oratorium auf knapp zwei Stunden zusammenstreicht, gelingt es ihr in der Personenführung allerdings nicht, die dramaturgische Spannung des Werkes aufrechtzuerhalten. Da hilft es auch nicht, den Chor in weißen Kostümen mit Barock-Perücken über die Bühne tanzen zu lassen.

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David (Michael Taylor, auf dem Thron) hat die Macht übernommen und lauscht dem Bericht des Amalekiters (Juan Sebastián Hurtado Ramírez, vorne).

Musikalisch kann diese dritte Aufführung aufgrund der Erkältungswelle keinen Glanz versprühen. Der Countertenor Michael Taylor als David und Youn-Seong Shim als Jonathan lassen sich vor der Vorstellung als indisponiert entschuldigen. Taylor ist es zwar hoch anzurechnen, dass er die Vorstellung nicht abgesagt hat, seiner Stimme tut er damit allerdings keinen Gefallen. In den Höhen klingt er durch die Erkältung sehr belegt, so dass er die Faszination, die die Figur des David musikalisch auf den Zuhörer ausüben sollte, leider nicht umsetzen kann. Viel zu groß ist die Sorge, die Töne sauber zu treffen, so dass jeglicher Glanz fehlt. Bei Shims Tenor fällt die Erkältung nicht ganz so stark auf. Zu strahlen vermag aber auch er in den Höhen nicht, so dass die Beziehung zwischen den beiden musikalisch sehr blass bleibt. Gregor Dalal verfügt in der Titelpartie über einen dunklen Bass, der in den schnellen Läufen allerdings ein bisschen zu behäbig ist. Darstellerisch setzt er den Fall des Königs überzeugend um. Marielle Murphy punktet als Tochter Michal mit strahlendem Sopran. Kathrin Filip gibt die ältere Tochter Merab etwas spröde, überzeugt aber ebenfalls durch beweglichen Sopran.

Christian-Kai Sander verfügt als Hexe von Endor zwar über eine bewegende Diktion in den Sprechpassagen, kann in den gesungenen Passagen allerdings nicht wirklich überzeugen. Christoph Stegemann verleiht dem Geist Samuels mit dunklem Bass eine unheimliche Note und legt den Diener Sauls am Ende darstellerisch sehr brutal an, wenn der den Amalekiter (Juan Sebastián Hurtado Ramírez), als er von Sauls und Jonathans Ableben berichtet, auf Davids Befehl hin in einem Eimer mit blutroter Farbe ertränkt. Der von Inna Batyuk einstudierte Chor bleibt für ein Oratorium ein wenig zu blass, und auch das Sinfonieorchester Münster kann an diesem Abend keinen wirklichen Barockzauber entfachen.

FAZIT

Händels Saul kann in Münster weder szenisch noch musikalisch überzeugen. Da hat man in Münster schon bessere Händel-Produktionen gesehen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michael Hofstetter

Inszenierung
Susanne Knapp

Bühne und Kostüme
Christopher Melching

Choreographie
Jason Franklin

Choreinstudierung
Inna Batyuk

Dramaturgie
Frederik Wittenberg

 

Sinfonieorchester Münster

Opern- und Extrachor des Theaters Münster

Statisterie des Theaters Münster

 

Solisten

Saul, König Israels
Gregor Dalal

David
Michael Taylor

Jonathan, Sauls Sohn
Youn-Seong Shim

Michal, Tochter Sauls
Marielle Murphy

Merab, Tochter Sauls
Kathrin Filip

Hexe von Endor
Christian-Kai Sander

Geist Samuels / Doëg, Diener Sauls
Christoph Stegemann

Abner / Ein Amalekiter
Juan Sebastián Hurtado Ramírez


Weitere
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Theater Münster
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