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Vom Film zum Musical Von Thomas Molke / Fotos: © Oliver Berg
Billy Wilders Schwarzweißfilm Some Like It Hot (Manche mögen's heiß) aus dem Jahr 1959 mit Marilyn Monroe, Tony Curtis und Jack Lemmon gilt als eine der besten amerikanischen Filmkomödien aller Zeiten und erfreut sich auch heute noch großer Popularität. Da verwundert es nicht, dass Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts die Idee entstand, diese rasante Verkleidungskomödie in ein Musical umzuwandeln und am Broadway herauszubringen. Der erste Versuch 1970 von Michael Stewart scheiterte allerdings an dramaturgischen Schwierigkeiten. Wie sollte man die dramatischen Verfolgungsjagden und die schnellen Verwandlungen von einer Frau in einen Mann auf die Bühne bringen? Peter Stone gelang es dann schließlich doch mit Unterstützung von Neil Simon, die Geschichte bühnentauglich zu machen. Jule Styne, der unter anderem den Song "Diamonds Are a Girl's Best Friend" komponiert hatte, mit dem Monroe 1949 in dem Film Gentlemen Prefer Blondes (Blondinen bevorzugt) einen großen Erfolg feierte, steuerte die Musik bei, und Textdichter Bob Merrill schrieb die Songs, so dass das Stück unter dem Titel Sugar am 29. März 1972 am Broadway seine Uraufführung erlebte und über 500 Mal in Folge gespielt wurde. Seine deutsche Erstaufführung feierte das Musical am 23. März 1989 am Metropol-Theater Berlin. Nun hat der Intendant Ulrich Peters diese atemberaubende Komödie für das Theater Münster eingerichtet. Sweet Sue (Suzanne McLeod, Mitte links) und Sugar Kane (Ulrike Knobloch, Mitte rechts) mit der Damenkapelle Society Syncopators (Chorsolistinnen, hinten) (vorne: TanzTheater Münster) Erzählt wird die Geschichte der beiden arbeitslosen Musiker Joe und Jerry, die 1929 in Chicago auf der Suche nach einem Job Augenzeuge eines Massakers zwischen den beiden rivalisierenden Banden um Gamasche und Zahnstocher-Charlie werden und untertauchen müssen, um nicht von Gamasche und seiner Gang liquidiert zu werden. Da trifft es sich sehr gut, dass Sweet Sue, die Leiterin eines Orchesters gerade eine Tour nach Miami plant und dringend ein Saxophon und einen Bass benötigt. Das einzige Problem besteht darin, dass es sich bei dem Orchester um eine reine Damenkapelle handelt. So wird aus Joe kurzerhand Josephine und aus Jerry Daphne. Auf der Fahrt verlieben sich die beiden in die wunderschöne Band-Sängerin Sugar Kane. Joe verkleidet sich in Miami als millionenschwerer Erbe der Shell-Dynastie, um Sugar zu beeindrucken. Jerry muss sich als Daphne gegen die penetranten Annäherungsversuche des Millionärs Sir Osgood Fielding wehren, der sich gerade hat scheiden lassen und nun auf der Suche nach einer neuen Frau ist. Als Gamasche mit seiner Gang auf der Suche nach den beiden Augenzeugen auch nach Miami kommt, wird es für Joe und Jerry brenzlig. Der einzige Ausweg scheint Osgood mit seiner Yacht zu sein, und Sugar, die Joes Spiel durchschaut hat, "will auch mit". Joe (Florian Soyka, links) und Jerry (Christoph Rinke, rechts) werden zu Josephine und Daphne. Das Regie-Team um Ulrich Peters bleibt der Filmvorlage treu und verzichtet auf eine Modernisierung des Stoffes. An den Seiten laufen wie in einem alten Kinofilm Schwarzweißbilder, die den jeweiligen Handlungsort, Chicago und Miami, kennzeichnen und Kulissen des Films zitieren. Nach der Pause sind zur musikalischen Einleitung auch Produktionsfotos nach dem Motto "Was bisher geschah" eingefügt. Ein goldener Löwenkopf, der auf der Mitte der Bühne auf einem Prospekt unter einem Leuchtkranz angebracht ist, dürfte ebenfalls als Hommage an das Filmgenre betrachtet werden. Andreas Becker gelingt es, mit einem sehr variablen Bühnenbild die rasanten Szenenwechsel ohne Umbaulängen zu gestalten. Götz Lanzelot Fischer fängt mit historisierenden Kostümen wunderbar den Charme der ausgehenden "Roaring Twenties" ein und kreiert vor allem für Josephine und Daphne aufwändigen Fummel. Die Kostüme für Sugar werden dem Sex-Appeal der Figur wie in der Filmvorlage gerecht. So schwelgt man häufig in Erinnerungen an Billy Wilders Komödie, ohne dabei die Inszenierung als billigen Abklatsch zu betrachten. Sugar (Ulrike Knobloch) glaubt, am Strand von Miami ihren Traummann (Florian Soyka) gefunden zu haben. Großartig umgesetzt ist die legendäre Zugszene auf dem Weg von Chicago nach Miami. Becker hat einen Waggon mit acht Schlafkojen konzipiert, die in zwei Etagen angebracht sind. Wunderbar wird hier das bunte Treiben der Mädchen auf der nächtlichen Fahrt eingefangen. Was als kleine Privatparty mit Sugar in Daphnes Koje mit in einer Wärmflasche getarntem Alkohol beginnt, artet bald in eine große Feier aus, bei der sich zahlreiche Mädchen der Band in Daphnes Bett tummeln. Da hilft nur noch das Ziehen der Notbremse, um eine Katastrophe zu verhindern. Ebenso witzig wird die Ankunft im Seminole-Ritz-Hotel in Miami inszeniert, wenn mehrere alte Millionäre wie geklont mit ihrer Zeitung am Eingang sitzen und die Ankunft der Damenkapelle beobachten. Mit großartiger Komik spielt Gerhard Mohr als Osgood Fielding aus, wie er auf Daphne aufmerksam wird, die gleichzeitig ihren Bass, Josephines Saxophon und Sugars Ukulele transportieren soll. Große Komik versprüht auch Jason Franklin als Gangsterboss Gamasche. Franklin ist nicht nur zugleich für die Choreographien des Abends verantwortlich, die vom TanzTheater Münster mit großer Spielfreude umgesetzt werden, sondern begeistert auch noch selbst mit Steppeinlagen. Selbst als er versehentlich von seiner eigenen Gang erschossen wird, hat er noch einen steppenden Abgang, der für großen Humor im Publikum sorgt. Gemeinsam einer ungewissen Zukunft entgegen: von links: Joe (Florian Soyka), Osgood (Gerhard Mohr), Sugar (Ulrike Knobloch) und Jerry (Christoph Rinke) Die Hauptpartien sind zum großen Teil mit Ensemblemitgliedern des Schauspiels besetzt. Vom Opernensemble ist Suzanne McLeod als resolute Sweet Sue zu erleben, die den schrillen Schrei von Joan Shawlee aus Wilders Film ("Bienstock") großartig authentisch imitiert. Gunter Sonnesen gibt einen herrlich hilflosen Bienstock, der als Manager der Damenkapelle mit der ständigen Hektik seiner Chefin völlig überfordert ist. Doch auch wenn Sweet Sue ihren Mädchen den Umgang mit Männern strikt verbietet, spielen McLeod und Sonnesen mehr als deutlich aus, dass zwischen den beiden etwas läuft. Ulrike Knobloch verleiht der Partie der Sugar den verführerischen Charme und die unschuldige Naivität, die man an der Monroe im Film so bewundert. Als Lied aus dem Film wird "I Wanna Be Loved By You" übernommen, das in dem Musical eigentlich nicht vorkommt. Knobloch überzeugt stimmlich dabei mit leicht lasziver Stimme. Christoph Rinke versprüht als Jerry (Daphne) wunderbare Komik und macht auch in Frauenkleidern eine gute Figur. Einerseits kann man es sich gut vorstellen, wie ihm heiß wird, wenn sich im Zug die ganzen Mädchen in seiner Koje tummeln, andererseits spielt er auch seine Irritation darüber, dass es ihm in gewisser Weise auch gefällt, als Frau von Osgood begehrt zu werden, glaubhaft aus. Als Gast begeistert Florian Soyka als Joe (Josephine) mit großer Verwandlungskunst. Als Josephine überzeugt er mit leicht schriller Komik, während er als Joe ein regelrechter Don Juan ist und als vermeintlicher Millionenerbe ein nicht ganz faires Spiel treibt. Das Schlussbild ist dann ganz wunderbar angelegt. In dem Leuchtkranz sieht man Osgood am Steuer seiner Yacht mit Daphne, Joe und Sugar. Gemeinsam fliehen sie auf dem Schiff vor den Gangstern, die Joe und Jerry immer noch auf den Fersen sind. Daphne versucht, Osgood zu erklären, dass er sie nicht heiraten könne. Doch Osgood lässt keinen Grund gelten. Selbst als Daphne sich als Mann zu erkennen gibt, kontert Osgood mit dem Satz der als Redewendung in die Geschichte eingegangen ist: "Nobody is perfect". Das Sinfonieorchester Münster zaubert unter der Leitung von Thorsten Schmid-Kapfenburg aus dem Graben einen schwungvollen Musical-Sound, und auch die Chorsolisten überzeugen darstellerisch in den zahlreichen kleineren Rollen, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt. FAZIT Ulrich Peters' Inszenierung lässt Anhänger von Billy Wilders Filmkomödie in seliger Nostalgie schwelgen und bietet für alle anderen kurzweilige, gute Unterhaltung mit flotten Songs und einem spielfreudigen Ensemble.
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ProduktionsteamMusikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Choreographie
Choreinstudierung Dramaturgie
Sinfonieorchester Münster Chorsolisten des Theaters Münster TanzTheater Münster Statisterie
Solisten
Sweet Sue Sugar Kane Bienstock Joe
(Josephine) Jerry (Daphne) Sir Osgood Fielding Gamasche Dude (Gang
Gamasche) Gangster (Gang Gamasche) Zahnstocher-Charlie 1. Gangster (Gang Charlie) 2. Gangster (Gang Charlie) Impresario / Reporter Zugschaffner Taxifahrer Automechaniker Society Syncopators Dolores Mary Lou Olga Wanda Daisy Emily
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