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Musiktheater
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Lohengrin

Romantische Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner

In deutscher Sprache

Dauer: 3 3/4 Stunden – zwei Pausen

Premiere am 29. September 2018
(rezensierte Aufführung: 14. Oktober 2018)

 



(Homepage)

Große Oper als subtiles Kammerspiel

Von Christoph Wurzel / Fotos: © Matthias Baus

Für die Neuinszenierung des Lohengrin an der Staatsoper Stuttgart braucht der Regisseur Árpád Schilling keine bunten Kulissen und seien sie von einem noch so berühmten Maler geschaffen. Es reicht ihm der vom Bühnenbildner Raimund Orfeo Voigt vollkommen schwarz  ausgekleidete tiefe Bühnenraum. Denn Schilling erweist sich als ein Meister subtiler Personenführung, so kann er in diesem nahezu leeren Raum die große Oper gleichsam als psychologisches Kammerspiel inszenieren. Umso wirkungsvoller heben sich dazu im starken Kontrast die Chorszenen hervor und besonders die zwölf aufmarschierenden Trompeter im 3. Akt. Vor allem aber agieren die Sängerdarsteller darin in derart packender Intensität, dass Wagners "romantische Oper" spannend bis zur Beklemmung wird.

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"Der Rache Werk sei nun beschworen": Ortrud (Okka von der Damerau) und Telramund (Martin Gantner), 2. Akt, 1. Szene

Als politische Parabel will Schilling die Oper verstanden wissen und hat in diesem Sinne den Autor auf seiner Seite, den vormärzlich oppositionellen Dichter und Komponisten Richard Wagner, der im Volkskönigtums sein Ideal sah als wahrhaft legitimer Repräsentation einer ersehnten neuen Ordnung.

Ist aber der Retter aus der Not in Wagners frühem, romantisch schwärmerischen Opernwerk vom Gral gesandt, dadurch geheiligt, sakrosankt und per se rein, so stellt Schilling ihn nun als ganz und gar weltlichen Tribun dar, ohne Heiligenschein, mit nicht nur sympathischen Attributen der Macht. Lohengrin ist hier ein Mann aus dem Volke, kein Held,  der souverän und strahlend aus der Ferne kommt. In dieser Inszenierung ist der "Retter von Brabant" das Produkt einer verunsicherten und vom König mit martialischen Worten über drohende Gefahren aus dem Osten verängstigten Gesellschaft, die einen Erlöser braucht, den sie quasi aus ihrer Mitte gebiert. Zum Zweikampf mit Telramund muss er erst gedrängt werden.

Auch führt kein zauberhafter Schwan diesen Helden nach Brabant. Schüchtern streckt Lohengrin bei seiner Ankunft stattdessen der erwartungsvollen Elsa ein kleines Kuscheltier in Schwanengestalt entgegen. Nur noch als ironisches Symbol für den Wunderglauben des Volkes taugt bei Schilling der Schwan oder als kitschiges Accessoire bei der Hochzeitsfeier, wenn die Brabanter sechs Schwäne auf einem Band aus blauen Jacken drapieren.

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"Wer ist er, der ans Land geschwommen, geführt von einem wilden Schwan?": Lohengrin (Michael König), Elsa (Simone Schneider), König Heinrich (Goran Juric), Telramund (Martin Gantner) und Chor

Mehr und mehr gewinnt Lohengrin an Selbstbewusstsein, hält die Macht fester in den Händen: ein Führer, zwar demokratisch bestimmt, aber autokratisch auftretend - wer dächte da nicht an die Situation in Ungarn, Schillings Heimatland? Das Volk macht's möglich: Elsa duldet das Frageverbot, die Mannen heben Lohengrin lautstark auf ihren Schild. Eine gesichtslose Masse ist dieses Volk von Brabant zuerst, in Einheitsgrau gekleidet. Erst nach und nach individualisiert es sich in bunter Kleidung, nachdem es in Lohengrin seines Retters sicher zu sein scheint.

Nur Telramund und Ortrud verfolgen eigene Interessen. Großartig sind sie gezeichnet: er als grauer Apparatschik, sie als herrische Lady, der selbst die Macht verschlossen blieb. Der Dialog der beiden Intriganten zu Beginn des 2. Akts wird zur packendsten Szene dieser Inszenierung. Mit Martin Gantner und Okka von der Damerau stehen aber auch zwei exzellente Sängerdarsteller (beide als Gäste) auf der Stuttgarter Bühne, die den Intentionen der Regie höchst eindrucksvoll folgen.

Nachdem Elsa das Frageverbot gebrochen hat, ist Lohengrins Macht dahin. Als Gescheiterter singt er die Gralserzählung, gleichsam als Klage über ein zerronnenes Ideal.

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"Seht da den Herzog von Brabant! Zum Führer sei er euch ernannt!": Elsa (Simone Schneider), Chor, Ortrud (Okka von der Damerau, auf dem Podest)

Mit einem Coup endet die Oper. Das Volk hat sich drohend gegen Elsa gewandt, die es für Lohengrins Verschwinden verantwortlich macht. Und nicht wie bei Wagner wird ihr  verschwundener Bruder Gottfried nun als legitimer Herrscher aus einem Schwan wiedergeboren, sondern Ortrud  greift aus dem  Volk willkürlich einen Mann heraus, den sie triumphierend präsentiert: Der nächste Führer ist geboren. Ein beklemmendes Ende!

Das glänzende Gesangsensemble macht diese Produktion neben der überzeugenden Regie zu einem Ereignis. Zwar als indisponiert angesagt singt Simone Schneider die Partie der Elsa vielleicht etwas verschnupft, aber mit lyrischem Ausdruck und in absolut reiner Tongebung. Großes Format gewinnt die Titelfigur in der Gestaltung durch Michael König. Sein Tenor vereint Strahlkraft mit inniger Wärme. In der Gralserzählung beweist er seine überragende Legatokunst. Goran Juric gibt Heinrich dem Vogler (historisch König Heinrich I.) stimmliche Macht und herrische Festigkeit. Als Heerrufer bewährt sich aus dem Ensemble Shigeo Ishino mit voluminösem Bass. Nicht zuletzt aber ist zum wiederholten Male der Stuttgarter Chor  ein Glanzpunkt des Abends, ein Kollektiv höchst nuanciert im Gesang und ebenso überzeugend im Spiel.

Für Cornelius Meister ist diese erste Premiere der Spielzeit zugleich auch sein Einstieg als GMD in Stuttgart. Den hat er  dem Jubel des Publikums nach glänzend bestanden. Entsprechend zur Szene gewinnt unter seinem Dirigat Wagners Lohengrin enorme Dramatik und innere Spannung. Er nutzt die ganze Breite dynamischer Möglichkeiten geschickt aus, den lyrisch empfindsamen Stellen gibt er mit subtiler Gestaltung ebenso Raum, wie er die wuchtige Klangpracht der großen Chortableaus herausstellt, jedoch nie zu Lasten der Textverständlichkeit. Das Stuttgarter Staatsorchester spielt eindrucksvoll klangschön: eine Wucht das Blech, farbenreich die Holzbläser und die Streicher präsent in Artikulation und Ausdruck.

FAZIT

Bravi für diesen gelungene Einstand der neuen Opernleitung in Stuttgart: Viktor Schoner als Intendant für die exzellente Wahl des Regisseurs dieser  spannenden Produktion und Cornelius Meister für sein dramatisches und zugleich filigranes Dirigat.
Exzellent: Orchester und Chor. Nicht zu vergessen aber auch die homogene Ensembleleistung auf höchsten Niveau, die diesen Stuttgarter Lohengin zu einer wahren Freude machen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Cornelius Meister

Regie
Árpád Schilling

Bühne
Raimund Orfeo Voigt

Kostüme
Tina Kloempken

Mitarbeit Kostüme
Saskia Schneider

Licht
Tamás Bányai

Dramaturgie
Miron Hagenbeck

Chor
Manuel Pujol



Staatsopernchor Stuttgart

Zusatzchor der Staatsoper Stuttgart

Staatsorchester Stuttgart

 

Solisten

Heinrich der Vogler
Goran Juric

Lohengrin
Michael König

Elsa von Brabant
Simone Schneider

Friedrich von Telramund
Martin Gantner

Ortrud
Okka von der Damerau

Der Heerrufer des Königs
Shigeo Ishino

Erster Edler
Torsten Hoffmann

Zweiter Edler
Heinz Göhrig

Dritter Edler
Andrew Bogard

Vierter Edler
Michael Nagl

Vier Edelknaben
Noriko Kuniyoshi*
Anna Matyuschenko*
Teresa Smolnik*
Jie Zhang*




* Mitglied des Staatsopernchores

 


Weitere Informationen
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Staatstheater Stuttgart
(Homepage)



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