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Die Hochzeit des Figaro

Komische Oper in vier Akten
Libretto von Lorenzo da Ponte nach La Folle Journée ou le Mariage de Figaro
von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

Aufführungsdauer: ca. 3h 5' (eine Pause)

Koproduktion mit der English National Opera

Premiere im Opernhaus Wuppertal am 14. April 2019


Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Verwirrspiel mit Türen


Von Thomas Molke / Fotos: © Bettina Stöß

Dass sich in Zeiten knapper Kassen Theater zusammenschließen und Opern in Koproduktion inszenieren, ist gut nachvollziehbar und vernünftig, um ein hohes Niveau halten bzw. erreichen zu können. Ein wenig überraschend ist, dass die Oper Wuppertal in dieser Spielzeit gleich bei zwei Produktionen mit der English National Opera in London zusammenarbeitet. Nach Verdis Luisa Miller, die im Dezember 2018 in Wuppertal Premiere feierte (siehe auch unsere Rezension), gibt es nun auch Mozarts Die Hochzeit des Figaro als Koproduktion mit der ENO. In beiden Fällen macht Wuppertal den Anfang, bevor die Inszenierungen dann in der nächsten Spielzeit in London zu erleben sind. Obwohl es sich um zwei völlig unterschiedliche Regie-Teams handelt, hat man beim Bühnenbild das Gefühl, optische Parallelen zu erkennen. Das mag allerdings vor allem an dem sterilen Weiß des Raums liegen. Ansonsten haben die beiden Ansätze nichts miteinander zu tun.

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Die Gräfin (Anna Princeva, rechts) und Susanna (Ralitsa Ralinova, links) verkleiden Cherubino (Iris Marie Sojer, Mitte) als Frau.

Zentraler Bestandteil der weißen Guckkastenbühne von Johannes Schütz sind vier Türen im Hintergrund, durch die die Protagonisten schon während der Ouvertüre in einem bunten Verwirrspiel auf- und abgehen. Ein bisschen erinnern diese Auftritte an die Choreographie aus Moldawien beim Eurovision Song Contest 2018 in Portugal. Ansonsten ist der Raum völlig leer. Das Versteckspiel Cherubinos und des Grafen im ersten Akt hinter einem Sessel, muss folglich über die geöffneten Türen erfolgen. Das ist zwar nicht immer ganz glaubhaft, weil die Figuren natürlich einander sehen müssten, wenn die Türen geschlossen werden, wird aber dennoch mit großem Spielwitz und feiner Präzision umgesetzt. Für den zweiten Akt wird die riesige Guckkastenbühne nach oben gefahren und gibt den Blick auf den dahinter liegenden tiefen dunklen Bühnenraum frei. Dadurch wird nachvollziehbar, dass Cherubino kaum unbemerkt aus dem Zimmer der Gräfin entkommen kann. Nachdem er zunächst hinter einer Tür Geschirr unter lautem Klirren auf die Bühne darunter fallen lässt, werden dicke Matten aus dem Off herbeigetragen, um ihm den Sprung aus gut zwei Meter Höhe zu ermöglichen. Bis zum dritten Akt geht dieses Konzept wunderbar auf, da, solange sich das Verwirrspiel im Inneren des Schlosses abspielt, der abgeschlossene Raum mit den Türen gut funktioniert. Für den letzten Akt wird die Guckkastenbühne nach hinten gezogen und hat in der großen Gartenszene eigentlich keine Funktion mehr. Die Bühne ist nun völlig leer, was das Versteckspiel im Garten deutlich erschwert. Es ist lediglich der großen Spielfreude der Solisten zu verdanken, dass dieses Verwirrspiel auch hier noch in Ansätzen funktioniert.

Wie das Bühnenbild sind auch die Kostüme von Astrid Klein sehr modern gehalten. Vielleicht sollen sie im sterilen Weiß der Bühne einen farblichen Kontrast setzen. Ob man dabei allerdings auf derart schlechten Geschmack setzen muss, ist fraglich. Die Gräfin in ein Leoparden-Oberteil und eine schreckliche braune Hippie-Hose zu stecken, ist schon beinahe eine Verunglimpfung der Figur. Soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass der Graf seiner Frau überdrüssig geworden ist und sich nach anderen Frauen umsieht? Dafür müssten allerdings Susanna oder Barbarina ansprechender gekleidet sein, was nicht der Fall ist, selbst wenn dem Kostüm der Gräfin der Barbara Dex Award des Abends zustehen würde. Zum Glück lässt die ausgefeilte Personenregie von Joe Hill-Gibbins und die große Spielfreude des Ensembles über die Kostümsünden hinwegsehen.

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Unerwartetes Familienglück: Figaro (Sebastian Campione, 2. von links) mit seiner Braut Susanna (Ralitsa Ralinova, 2. von rechts) und seinen wiedergefundenen Eltern Marcellina (Joslyn Rechter, rechts) und Bartolo (Nicolai Karnolsky, links)

Musikalisch lässt der Abend keine Wünsche offen. Julia Jones begeistert am Pult des Sinfonieorchesters Wuppertal mit einem schlanken Klang. Furios setzt Jones auf Tempo, was vom Ensemble während der Ouvertüre mit den Türen witzig umgesetzt wird. Sehr differenziert lotet sie mit dem Orchester auch die unterschiedlichen Gefühlswallungen der Figuren aus, die größtenteils mit Ensemblemitgliedern besetzt sind. Da ist zunächst einmal Sebastian Campione zu nennen, der als Figaro mit profundem Bariton glänzt. In der Kavatine "Se vuol ballare, signor Contino" bricht seine ganze Wut darüber hervor, dass der Graf seine geliebte Susanna verführen möchte. Mit leicht überheblichem Tonfall verspottet er dann in "Non più andrai" den in Susannas Gemach entdeckten Schwerenöter Cherubino, dem nun ein hartes Soldatenleben fernab des Schlosses droht. Ein weiterer Höhepunkt ist seine Arie im vierten Akt, "Aprite un po' quegl' occhi", in der er die Untreue der Frauen anprangert. Mit großem Spielwitz gestaltet Campione auch den Versuch, den Grafen zu überlisten, wobei immer wieder deutlich wird, dass Susanna und die Gräfin ihm in diesem Spiel haushoch überlegen sind. Ralitsa Ralinova punktet als Susanna mit keckem Spiel und lieblichem Sopran. Immer wieder gelingt es ihr, Figaro um den Finger zu wickeln. Mit besonderer Komik spielt sie den Moment im dritten Akt aus, wenn sie seine plötzliche Zuneigung zu Marcellina misinterpretiert.

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Verwirrspiel im Garten: Figaro (Sebastian Campione) mit der Gräfin (Anna Princeva, links) und Susanna (Ralitsa Ralinova, rechts)

Iris Marie Sojer stellt das jünglingshafte Liebesbegehren des jungen Cherubino absolut überzeugend dar und wickelt die Frauen mit ihrem geschmeidigen Mezzosopran regelrecht ein. Während sie in ihrer Auftrittsarie "Non so più cosa son, cosa faccio" die Angst des jungen Liebenden unterstreicht, der nicht weiß, wie er ohne die reizenden Frauen des Hofes auskommen soll, gibt sie im zweiten Akt im Gemach der Gräfin mit der berühmten Arietta "Voi che sapete" den absoluten Schwerenöter, der die Frauen wie Marionetten tanzen lässt. Sojer spielt den knabenhaften Charme dabei in jedem Moment glaubhaft aus, auch wenn sie von Barbarina als Blumenmädchen verkleidet ist. Anna Princeva verleiht der Gräfin mit rundem Sopran eine melancholische Tiefe, die mit dieser Figur nicht nur wegen ihres grässlichen Kostüms mitleiden lässt. Ihre traurige Kavatine zu Beginn des zweiten Aktes, "Porgi amor", und ihre Verzweiflungsarie im dritten Akt, "Dove sono i bei momenti", in der sie voller Schwermut an die längst vergangene glückliche Zeit mit dem Grafen zurückdenkt, rühren zu Tränen und lösen beim Publikum regelrechte Begeisterungsstürme aus. Simon Stricker punktet als untreuer Graf mit beweglichem Bariton und überzeugt ebenfalls durch großen Spielwitz.

Ein Wiedersehen gibt es auch mit Joslyn Rechter, die bis zur Auflösung des Opern-Ensembles durch den damaligen Intendanten Toshiyuki Kamioka 2014 zum festen Ensemble gehörte. Nun ist sie als Marcellina zurückgekehrt und begeistert mit großem Spielwitz und dunkel gefärbtem Mezzosopran. Besonders komisch gelingt ihr der Wechsel von der Figaro begehrenden Frau zu seiner liebenden Mutter. Nicolai Karnolsky gestaltet den auf Rache sinnenden Bartolo mit dunklem Bass. Anna Martha Schuitemaker, Marcel van Dieren und Mark Bowman-Hester runden als Barbarina, Antonio und Basilio mit dem spielfreudigen, von Markus Baisch einstudierten Chor die Ensemble-Leistung überzeugend ab, so dass es für alle Beteiligten großen und verdienten Applaus gibt.

FAZIT

Musikalisch und in der Personenregie ist diese Hochzeit des Figaro ein Genuss. Für die Kostüme hätte man sich selbst bei einer modernen Ausstattung eine geschmackvollere Auswahl gewünscht.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Julia Jones

Inszenierung
Joe Hill-Gibbins

Bühne
Johannes Schütz

Kostüme
Astrid Klein

Choreographie
Jenny Ogilvie

Licht
Bernd Felder

Chor
Markus Baisch

Dramaturgie
David Greiner

 

Sinfonieorchester Wuppertal

Opernchor der Wuppertaler Bühnen


Solisten

*Premierenbesetzung

Graf Almaviva
Simon Stricker

Gräfin Almaviva
Anna Princeva

Susanna
Ralitsa Ralinova

Figaro
Sebastian Campione

Cherubino
*Iris Marie Sojer /
Catriona Morison

Marcellina
Joslyn Rechter

Bartolo
Nicolai Karnolsky

Basilio / Don Curzio
*Mark Bowman-Hester /
Ralf Rachbauer

Barbarina
Anne Martha Schuitemaker

Antonio
Marcel van Dieren

Zwei Mädchen
*Ranja Ball /
Hong Ae Kim /
Katharina Greiß /
*Ute Temizel

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



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