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Wer mit wem? - das bleibt die FrageVon Roberto Becker / Fotos: © Thomas MüllerNatürlich ist es ziemlicher Unsinn, anzunehmen, dass zwei frisch verliebte Schwestern so deppert sind, dass sie nicht merken, wenn ihre miteinander befreundeten Verlobten vormittags in den Krieg ziehen und nachmittags mit angeklebten Bärten und in einer albernen Verkleidung wiederkommen, um die Braut des jeweils anderen anzumachen. Um das Realistische an dieser Lehrstunde einer "Schule der Liebenden", wie Così fan tutte im Untertitel heißt, geht es auch gar nicht. So dumm waren Frauen wohl zu keiner Zeit. Nicht nur die clevere Despina (Heain Youn) im Stück weiß, wo der Teufel den Schwanz hat, also wie man in einer Männergesellschaft die Oberhand behält. Auftakt wie im Konzert: Firodilig und Guglielmo, Dorabella und Ferrando
Es geht bei Mozarts und Da Pontes (nach Figaros Hochzeit und Don Giovanni) dritten gemeinsamen Geniestreich auch nicht um das Realistische des Ablaufs der äußeren Handlung - von der Treuewette, der Verführung der Frauen, einer falschen Hochzeit und einem "lehrreichen" Fazit nach dem Motto "ich hab es Euch doch gleich gesagt". Es geht um die Wahrheit über Gefühle. Und über deren Wandelbarkeit. Es geht um erotische Anziehungskräfte, die auch jenseits gesellschaftlicher Konventionen - in dem Falle eines Eheversprechens - wirken. Und sich Bahn brechen können. Es geht um die viel beschworene Operation am offenen Herzen. Wenn in Weimar Sopranistin Emma Moore am Ende herzlich über das pathetisch zur Schau getragene Schuldbewusstsein der von ihr gesungenen Fiordiligi lacht, dann macht sie das natürlich als Frau von heute. Und wenn sie gemeinsam mit ihrer Bühnenschwester Dorabella am Ende die Männer bei ihrem Pseudo-Happyend einfach stehen lassen und beide abgehen, dann ist das eine Option mit der sich vermutlich auch die Sängerin der Dorabella, Amira Elmadfa, zu einem derartigen "Treuetest" im wirklichen Leben verhalten würde. Zumindest könnte sie es. Despina erklärt wo es lang geht, und hinter den beiden Verkleideten Männer feixt Alfonso
Natürlich muss man Così fan tutte, das so wie es dasteht, nur meint, dass die Frauen eben so sind, heute als Così fan tutti lesen. Das bezieht mit dieser Endung auf "i" auch die Männer, also alle, ein. An diesem Knackpunkt jeder Inszenierung dieser Mozartoper lässt Regisseurin Nina Gühlstorff nicht den geringsten Zweifel. Damit hat sie den Treuetest im Hinblick auf die tiefere Wahrheit bei Mozart und Da Ponte glänzend bestanden. Sie führt der eh blitzgescheiten Despina die Hand, wenn die das "e" bei tutte, das Spielmacher Don Alfonso (seriös, ohne Zynismus: Michael Mrosek) mit Kreide an die Wand angeschrieben hatte, als er sein titelgebendes "Cosi fan tutte" an der Rampe platzierte, durch ein i ersetzt. Auch dass Fiordiligi (mit wunderbar klarer Höhe und toller Bühnenpräsenz: Emma Moore) ihre Arie "O verzeih, verzeih Geliebter…… wem brachst du die Treue, undankbares, falsches Herz?" als eine - echte Frage an sich, und mit Blick sowohl auf ihren Verlobten Guglielmo (wie ein smarter Sonnyboy: Henry Neill), als auch an ihren neuen Verehrer Ferrando (Artjom Korotkov mit fokussiertem Tenor) stellt, einen Moment mit der Utopie einer Dreierbeziehung spielt, aber die Antwort offen bleibt, gehört zu dem, was diese Inszenierung ganz entschieden richtig macht. (noch) Standhafte Frauen, die Männer am Boden
Man hätte das Ganze nicht wirklich mit dem Zusatz "semiszenisch" dem Verdacht aussetzen müssen, hier sei irgendetwas nicht richtig bis zu Ende durchdacht und umgesetzt worden. Der Rahmen einer Konzertsituation, auf die sich Philip Rubner(Bühne), Marouscha Levy (Kostüme) und Stefan Bischoff (Video) mit Sinn für das rechte Maß eingestellt haben, ist nicht nur legitim, sondern erlaubt, bewusst mit der Laborsituation zu spielen, deren Zeugen wir werden. Vielleicht passen ja Sopran und Tenor auf der einen Seite und Mezzo und Bariton auf der anderen doch besser zusammen. Beim Flirten über Kreuz wird es bunt
Vielleicht müssen sie es aber auch nur mal ausprobieren, um dann vielleicht festzustellen, dass sich Gegensätzen anziehen. Die Fragen waren 1790 und im ganzen folgenden prüden Jahrhundert selbst den Mozart-Fans eher peinlich. Es ist die Oper, die (wie Goethes Wahlverwandtschaften oder Stella) eher mit den Nachgeborenen ihr Publikum haben. Schön für uns. Auch schön für die Zuschauer, dass GMD Krill Karabits mit der Staatskapelle Weimar einen Mozartsound pflegt, der flott und spritzig ist, aber auch den nachdenklichen Momenten Raum gibt. Zu Ostern und am Ende der Spielzeit wird es alle drei Da Ponte-Opern Mozarts als Zyklus geben. Noch ein guter Grund für einen Weimarbesuch.
FAZIT Das Deutsche Nationaltheater Weimar komplettiert seinen Da Ponte-Zyklus mit einer klugen, nur dem Namen nach semiszenischen Così fan tutte. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Video
Chor
Dramaturgie
Sänger
Fiordiligi
Dorabella
Guglielmo
Ferrando
Despina
Don Alfonso
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