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Die Weiden

Oper in sechs Bildern, vier Passagen, einem Prolog, einem Vorspiel und einem Zwischenspiel
Libretto von Durs Grünbein
Musik von Johannes Maria Staud


in deutscher Sprache mit verschiedensprachigen Untertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Uraufführung an der Wiener Staatsoper am 8. Dezember 2018
(rezensierte Aufführung:11. Dezember 2018)


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Wiener Staatsoper
(Homepage)

Donau so braun ...

Von Roberto Becker / Fotos © Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn

Politisch Lied, ein mutig Lied - so könnte man heutzutage Goethe verkalauern. Wenigstens, wenn ausgerechnet die Wiener Staatsoper nach geschlagenen acht Jahren mal mit einer Uraufführung herauskommt, die mitten im schwarzblau regierten Österreich Position bezieht. Gegen den Rechtspopulismus, der mit allzu präzise peinlichen Erinnerungen an die dunklen Seiten des vorigen Jahrhunderts ebenso gerne Schluss machen würde wie mit den offenen Grenzen und der offenen Gesellschaft heute. Das ist umso bemerkenswerter, als in dem Österreich des feschen Jung-Kanzlers Kurz das Gerede von den Dammbrüchen und dem Überschwemmen mit Blick auf die Flüchtlingskrise nicht nur salon-, sondern längst auch regierungsfähig geworden ist.

Szenenfoto kommt später

Was der Dichter Durs Grünbein (der es als politischer Mensch zu Respekt im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit brachte, als er sich im März im Dresdener Kulturpalast Uwe Tellkamps rechten Geraune entgegenstellte) als Libretto verfasst und der österreichische Komponist Johannes Maria Staud zu einer Opernnovität komplettiert hat, ist eindeutig. Es ist über weite Strecken die in Kunst übersetzte Auslotung des Zustandes einer immer noch liberalen und auch offenen Gesellschaft, die von ihren Gegnern zunächst verbal sturmreif geschossen werden soll. Im zweiten Teil der drei Bruttostunden gelingt das nicht ganz so überzeugend. Da verliert vor allem der dem Wort verpflichtete Autor die Anforderungen des Genres etwas aus den Augen.

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Lucile

Die wie Grünbein aus Dresden stammende Regisseurin Andrea Moses hat sich natürlich zusammen mit dem Dirigenten Ingo Metzmacher (einem ausgewiesenen Spezialisten für die neuere Musik) auf die Seite der Bühnenwirkung geschlagen. Die Weiden mäandern, so wie der große Fluss, auf und an dem alles spielt, zwischen einer Handlungs- und der darunter liegenden Bedeutungsebene. Man braucht nicht viel Fantasie, um in dem Fluss Dorma, der aufs Graue Meer zufließt, die Donau zu erkennen. Die aber genauso gut die Elbe sein könnte, an der Dresden liegt. Auf diesem Fluss reist die New Yorker Jüdin Lea mit ihrem neuen von dort stammenden Freund Peter mit einem Kanu, in dessen Heimat und Gegenwart, und in die erinnerte Vergangenheit ihrer Vorfahren. Sie ist die weltläufige feingeistige Philosophin - Rachel Frenkel singt und spielt sie sensibel und intensiv. Er ist der wortkarge, zupackende Naturbursche, für dessen Vitalität Thomas Konieczny vokal und darstellerisch genau der Richtige ist. Diese Konstellation hätte auch ohne den Blick zurück und in die Tiefe dramatisches Kammerspielpotential.

Szenenfoto kommt später

Lea aber haben ihre Eltern im New Yorker Wolkenkratzer Appartement mit dem Superblick auf die Skyline mit einem flotten Song a la Kurt Weill vor den Karpfenmenschen gewarnt, die irgendwann nur noch unter Karpfen bleiben wollten. Dieses Sprachbild greift Staud in der Musik mit schmatzenden, grenzgängerisch blubbernden Zwischengeräuschen auf. Bei Kathrin Plath (Kostüme) werden die Flussanwohner zu Karpfen, wenn sie über Heimat und Fremde reden oder Zustimmung zur bierseligen Hetzrede eines Demagogen auf dem Dorf-Marktplatz bekunden. Da sehen plötzlich alle für Lea (und für uns) auch wie die Karpfenköpfe aus. Klar ist das deutlich bis zur didaktischen Obergrenze, aber es ginge auch unpoetischer. Wie sich überhaupt die Bühne von Jan Pappelbaum mit ihren zwei angekippten Drehscheiben und den gut gemachten Flusslandschaften-Videos von Arian Andiel überzeugend zu einem atmosphärisch effektvollen Ganzen fügt.

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Besonders beim vollen Orchestereinsatz in den "Passagen" zwischen den sechs Bildern des Abends stimmen der unheilschwangere Unterton der Musik mit dem, was man sieht, überein. Erst sind es kleine verbale Entgleisungen, wenn etwa Peters Schulfreund Edgar (Thomas Ebenstein), zwischen dessen Hochzeit mit Kitty (Andrea Carroll) sie geraten, seine Braut daran erinnert, dass sie erst durch die Heirat legal im Lande ist. Oder wenn die Mutter von Peter den Satz fallen lässt, wie schade es ist, dass manche Leute immer noch nachtragend sind. Den rhetorischen Vogel schießt der Komponist Krachmeyer ab, dessen rechtes Stammtisch- (respektive social media-) Geschwafel Udo Samel salbungsvoll zum Besten gibt. Seinen gesprochenen Passagen stellt Staud Zitate aus Wagners Meistersingern und ein paar morbide Tristan-Klänge passgerecht zur Seite. Am Ende gehen Edgar und Kitty in den Fluten unter. Auch Peter wird mitgerissen, vielleicht ist es ja der Fluss. Es sieht aber so aus, als wären es entschlossene Männer. Die vermutlich auch Karpfen werden wollen. Im Graben sorgte Ingo Metzmacher für den erstklassigen musikalischen Zusammenhalt eines insgesamt eindrucksvollen Opernabends. Er wird die, die gemeint sind, kaum erreichen. Aber er verteidigt die Freiheit der Kunst, sie zu benennen.


FAZIT

Die neueste Uraufführung in Wien stellt sich offen gegen den ansteigenden Rechtspopulismus. Das Libretto hat zwar Schwächen, aber die Musik entfaltet in der Inszenierung von Andrea Moses ihre Wirkung


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Ingo Metzmacher

Inszenierung und Licht
Andrea Moses

Bühne
Jan Pappelbaum

Kostüme
Kathrin Patz

Licht
Bernd Prukrabek

Video
Arian Andiel

Dramaturgie
Moritz Lobeck
Thomas Wieck

Live-elektronische Realisation
SWR Experimentalstudio



Chor der Wiener Staatsoper

Orchester der Wiener Staatsoper


Solisten

Lea, eine junge Künstlerin
Rachel Frenkel

Peter, ein junger Künstler
Tomasz Konieczny

Edgar, Peters alter Schulfreund
Thomas Ebenstein

Kitty, Edgars Geliebte
Andrea Carroll

Die Fernsehreporterin
Sylvie Rohrer

Krachmeyer, Komponist, Freund von Peters Familie
Udo Samel

Leas Mutter
Monika Bohinec

Leas Vater/Der Angler am Ufer
Herbert Lippert

Peters Mutter
Donna Ellen

Peters Vater
Alexandru Moisiuc

Demagoge/ Oberförster
Wolfgang Bankl

Fritzi
Katrina Galka

Franzi
Jeni Houser



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Wiener Staatsoper
(Homepage)



Da capo al Fine

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