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(K)ein KammerspielVon Roberto Becker / Fotos: © Monika RittershausWenn der Name Christof Loy als Regisseur auf dem Programmzettel steht, dann ist eine hochästhetische, in sich stringente Inszenierung zu erwarten. Die liefert er jetzt im Theater an der Wien zuverlässig wie immer auch im Falle von Carl Maria von Webers romantischer, selten gespielter Oper Euryanthe". Der bürgerliche Salon, in den Johannes Leiacker die Bühne verwandelt hat, bietet Weite und Raum für ein hochpräzises Kammerspiel. Webers 1823 in Wien uraufgeführte Ritteroper hat es nie in die Regionen von Popularität gebracht, in denen sich sein Freischütz gut eingerichtet und es sogar zum Ruf einer deutschen Nationaloper gebracht hat. Dabei ist das Werk durchaus als ein Vorläufer von Wagners Gesamtkunstwerk zu erkennen, besonders der Lohengrin verdankt ihm viel. Aber das Libretto von Helmina de Chézy ist nicht gerade bühnenfreundlich bzw. rezeptionsfördernd. In heutigen Ohren klingt ihr fröhliches Drauflosreimen mitunter fast nach Parodie. Bei den Librettisten hatte halt nicht jeder so ein Glück wie Richard Strauss mit seinem Hofmannsthal. Oder Wagner mit sich selbst. Obwohl gegen Mittelalter auf der Bühne erstmal nichts einzuwenden ist. Aber hier geht es - gefühlt - auch dann noch endlos weiter, wenn die Titelheldin nach dem Triumph der Finsterlinge über die reine Unschuld schon längst am Boden ist. So lange, bis das dunkle Paar Lysiart und Eglantine zur Strecke gebracht ist und Euryanthe wieder in aller Unschuld erstrahlt.
Diese Rittergeschichte hält uns Christof Loy allerdings vom Leib. Er konzentriert sich auf das Tableau von Obsessionen und psychologischen Befindlichkeiten und auf die Wirkung, die entschlossen eingefädelte Intrigen zu entfalten vermögen. So holt er das Stück ziemlich weit an die Gegenwart heran, zumindest an exemplarische Konstellationen einer patriarchalisch strukturierten Gesellschaft. Und das gelingt ihm tatsächlich, ohne dass die Spannung nachlässt. Johannes Erath hatte in Frankfurt den Eingangschor, der einen gerade errungenen Frieden feiert, als Einstieg in die Zeit der Wirtschaftswunderjahre genutzt. In Wien bleibt der Einstieg allgemeiner. Die Vorgeschichte um Adolars Schwester Emma, deren Selbstmord ihn einst traumarisiert hat, ist hier gedanklich (als sein Geheimnis) und real in ein Nebenzimmer verbannt. Männer! Plötzlich bedrängen alle Euryanthe Während der Ouvertüre lässt Loy das Wer-ist-auf-wen-scharf pantomimisch durchspielen: Lysiart begehrt Euryanthe, die aber Adolar liebt, so wie er sie. Adolar wiederum wird von Eglantine begehrt. Ein Paar und zwei Abgewiesene, das kann gar nicht gutgehen. Das dunkle Paar im Stück (dessen Verwandtschaft zu Ortrud und Friedrich Telramund in Wagners Lohengrin nicht zu übersehen ist) nutzt das aus. Eglantine schleicht sich bei Euryanthe ein und Lysiart spielt es skrupellos aus, um Euryanthe öffentlich mit durchschlagendem Erfolg zu verleumden. Das perfide daran ist, dass Adolar danach meint, Euryanthe umbringen zu müssen. Noch so ein Vorläufer der "Ehrenmörder" von heute auf den Opernbühnen im vorvorigen Jahrhundert.
Der etwas naive Adolar lässt sich vom ehrgeizigen Lysiart zu einer Wette um die Treue Euryanthes provozieren. In einem Mix aus Cosi fan tutte, Genoveva und Lohengrin steht Lysiart bald mit einem "Liebesbeweis" und Euryanthe als die ungetreue Frau schlechthin da. Wie sich die Männer dann im Handumdrehen von ihr abwenden und an der bis dahin Untadeligen herumgrabschen, das ist auch bei Loy der Aufreger im Stück. Da muss man gar nicht mal so weit gehen und von heute aus ein "selbst wenn" dazwischen rufen. Ein szenisches Leitmotiv bei Loy ist die körperliche Anwesenheit der jeweiligen Akteure auf der Szene, wenn von ihnen die Rede ist. Dazu passt auch das Bett, dass zeitweise in dem lichtdurchfluteten bürgerlichen Salon steht. Auf der anderen Seite aber auch die Tatsache, dass die Szene, wenn Euryanthe in der Wildnis des Waldes ausgesetzt ihrem Tod entgegensieht, in diesem Salon spielt. Oder auch, wenn Lysiart in der Szene, in der er unter der Aussichtslosigkeit seines Begehrens in Richtung der schlafenden Euryanthe leidet, völlig nackt (also entblößt) singt. Auch er, immerhin im Kern ein verletzlicher und verletzter Mensch. Am Ende bitte Adolar für seine Zweifel um Vergebung Constantin Trinks und das Radio Symphonie Orchester Wien lassen keinen Zweifel an der Qualität von Webers Musik und ihrem (nicht nur auf Wagner) vorausweisenden Drive. Jacquelyn Wagner lässt ihre Euryanthe mit blühendem Sopran überzeugend an der Verletzung durch ihre Verleumdung leiden. An ihrer Seite wirkt Norman Reinhardt am Anfang etwas angestrengt, findet sich aber für das eigentlich wider Willen Getriebene seines Adolar überzeugende Töne. Andrew Foster-Williams als Lysiart nutzt das leichtere Spiel der Bösen voll für seinen Lysiart aus. Mezzosopranistin Theresa Kronthaler spielt natürlich das dramatische Potenzial der Intrigantin Eglantine stimmlich und schauspielersich voll aus und begeistert an der Spitze eines überzeugenden Ensembles, das Stefan Cerny als rauer aber kraftvoller König und der präzise agierende Arnold Schoenberg Chor komplettieren.
Christof Loy hat Webers Vorlage so geschickt gekürzt, dass nichts fehlt, glänzt mit der präzisen Personenführung und einem stringenten Ansatz. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Chor
Dramaturgie
Solisten
König Ludwig VI.
Adolar
Euryanthe
Lysiart
Eglantine
Herzogin von Burgund
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- Fine -