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Von Roberto Becker / Fotos von Monika Rittershaus
Die drei großen Opernhäuser der Stadt wollen mit ihren Premieren ein Zeichen setzen. In der laufenden Spielzeit baute die Deutsche Oper weniger mit der Stückauswahl als vielmehr mit dem dafür eingeladenen Regisseur auf Kontroverse. Frank Castorf lieferte denn auch mit seiner Version von Verdis La forza del destino den Aufmerksamkeitseffekt, den man wohl einkalkuliert hatte. Wenngleich der noch etwas krawalliger ausfiel, als zu erwarten war. Die Lindenoper folgte am Nationalfeiertag ausgerechnet mit Otto Nicolai. Aber nicht etwa mit seiner Revolutionsoper Regina, sondern mit den Lustigen Weibern von Windsor. Dafür sprach immerhin, dass Nicolai zu den berühmten Vorgängern Daniel Barenboims am Pult des Hauses gehört und seine Oper 1849 an diesem Haus uraufgeführt wurde. David Bösch war gleichwohl nicht der richtige Regisseur, um das Stück zu einem Zugpferd fürs Repertoire der nächsten Jahre zu machen. Daran ändert auch der stimmliche Luxus nicht, mit dem sie ausstaffiert wurde.
Damit hatte Barrie Kosky von vornherein gute Karten. Zumal der einzige Künstlerintendant unter den drei Chefs selbst inszenierte und mit Hans-Werner Henzes Bassariden (in der englischen Originalversion) auch bei der Stückauswahl ambitioniert vorging. Die Geschichte bricht an der Komischen Oper ohne folkloristisch historisierenden Schnickschnack, gleichwohl aber mit archaischer Wucht übers Publikum herein. Verhandelt wird der Gegensatz von ungezügelter, sprichwörtlich dionysischer Lust und einer Welt von (Selbst)-Beherrschung und Ordnung. Dieser Gegensatz ist personifiziert in Gott Dionysos persönlich und in Pentheus, König von Theben. Wenn der Gott nach Theben kommt und dort die Menschen in seinen Bann zieht, dann geht es ihm freilich um einen Rachefeldzug, um die Bewältigung eines Traumas. Zweikampf zwischen zwei Männern - doch der König (links) hat gegen den Gott (rechts) keine Chance
Wie Wotan ist dieser Gott also ziemlich menschlich gestrickt. Es genügt ihm aber nicht, das Volk aufzustacheln, um gegen die herrschende Ordnung zur rebellieren, er treibt die Mutter des Königs Agaue so weit in einen Rausch, dass sie im Exzess den eigenen Sohn zerfleischt, weil sie ihn für einen jungen Löwen hält. Dass der Palast niedergebrannt wird, ist gegen diesen mit jeder Zivilisation brechenden Kindermord fast noch harmlos. Kosky fasziniert immer wieder mit eindrucksvollen Chorszenen
Ein Problem des Abends ist aber überraschenderweise auch die Regie. Es ist ein Carsen von der Stange Wichtige Neuinterpretationen der letzten Jahre haben sich dabei mehr oder weniger deutlich auf die Seite der erzählten Geschichte geschlagen. Etwa Peter Stein in Amsterdam 2005, oder die zupackende Aktualisierung, mit der Tilman Knabe 2008 in Hannover schockierte. Andere konzentrierten sich hingegen eher auf den grundsätzlichen Diskurs des Pentheus mit dem Widerpart Dionysos bzw. eine Auseinandersetzung mit dem Dionysischen, wie es etwa Frank Hilbrich in Mannheim vor allem aber Christoph Loy in München 2008 durchbuchstabiert haben. Im vorigen Jahr fokussierte auch Krzysztof Warlikowski in Salzburg seinen Blick eher auf die psychologische Komponente, projiziert die gleichwohl nicht explizit in eine gesellschaftliche, politisch klar identifizierbare Dimension. Verzweiflung pur ...
Bei Kosky bleibt der Zuschauerraum erleuchtet. Die eigentliche Bühne ist mit einer Treppe zugebaut, die an ein griechisches Theater erinnert. Der Gott kommt über den Rang. Sean Panikkar verkörpert ihn mit seinem exotischen Charme in Berlin ebenso selbstverständlich, wie schon im Letzten Jahr in Salzburg. Auch die Agaue Tanja Ariane Baumgartner war da schon mit von der Partie. Beide überzeugen auch in Berlin. Günter Papendell ist der Gegenpart des einen und der Sohn der anderen. Er wird zum Opfer von beiden. Die Vernunft hat in dem entfesselten und eskalierenden Klangrausch schlechte Karten. Das wird allemal klar. Aus dem hervorragenden Ensemble ragen Jens Larsen der alte Cadmus und Ivan Turši? als blinder Seher Tiresias heraus. Die Tänzer und der Chor sind wie fast immer an der Komischen Oper von Otto Pichler präzise durchchoreographiert, spielen hier sogar eine Hauptrolle. Wenn auch eher reagierend. Vladimir Jurowski hält vom Pult aus das nicht nur Graben platzierte Orchester mit Übersicht zusammen und hat keinen geringen Anteil am Überwältigungspotenzial, dass diese Produktion entfaltet.
Barrie Koksy ist an der Komischen Oper eine überzeugende Variante von Hans-Werner Henzes Bassariden gelungen. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Choreographie
Licht
Chöre
Dramaturgie
Solisten
Dionysus
Penthaus, König von Theben
Cadmus, sein Großvater
Agave
Autonoe, ihre Schwester
Tiresias, ein blinder Seher
Captain of the Royal Guard
Berge, Amme
Tänzerinnen und Tänzer
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