Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Ein Fest für Mackie

Kneipen-Kantate für Bettler, Bergleute und Betrunkene
Text von Martin Becker
Musik und Liedtexte von Moritz Eggert

Koproduktion vom Schauspielhaus Bochum und den Bochumer Symphonikern

Aufführungsdauer: ca. 1h 35' (keine Pause)

Uraufführung im Großen Saal des Anneliese Brost Musikforums Ruhr am 10. Oktober 2019



Bochumer Symphoniker
(Homepage)

Haifisch ohne Zähne

Von Thomas Molke / Fotos: © Jörg Brüggemann / Ostkreuz

In diesem Jahr blicken die Bochumer Symphoniker und das Bochumer Schauspielhaus beide auf ihr 100-jähriges Bestehen zurück. Aus diesem Grund haben sich der Intendant des Schauspielhauses, Johan Simons, und der Generalmusikdirektor der Bochumer Symphoniker, Steven Sloane, zusammengeschlossen, um dieses Jubiläum auch mit einem gemeinsamen Projekt im 2016 eröffneten Anneliese Brost Musikforum zu feiern. So hat man den Komponisten Moritz Eggert und den Textdichter Martin Becker für ein Auftragswerk engagiert, das als "Kneipen-Kantate für Bettler, Bergleute und Betrunkene" unter dem Titel Ein Fest für Mackie am 10. Oktober 2019 seine Uraufführung erlebte.

Bild zum Vergrößern

Polly (Romy Vreden, vorne) will ihre Kneipe "Zur Ewigkeit" retten (im Hintergrund links: Jonathan (Martin Horn), Mitte: Celia (Veronika Nickl), rechts: Braun (Martin Lippold)).

Die Anspielung auf  Die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und Kurt Weill ist dabei bewusst gewählt worden, da die Figuren aus diesem Stück auftreten. Allerdings hat man ihnen eine etwas andere Vorgeschichte gegeben. So waren Mackie Messer und sein Gegenspieler Jonathan Peachum einst Bergleute, die sich als Kleinkriminelle verdingt haben. Mackie holte als "größter Gangster der Stadt" erst die Kohle aus der Erde und später die nicht abbezahlten Fernseher auf den Reihenhaussiedlungen. Geblieben vom ehemaligen Bergbau ist nur die Firma "Bergmanns Freund", die von Mackies Frau Polly betrieben wird, und die Kneipe "Zur Ewigkeit", in der Pollys Mutter Celia hinter dem Tresen steht. Hier verkehren allerdings nur noch wenige Übriggebliebene von damals wie Pollys frustrierter Vater Jonathan, der ehemalige Polizist Braun, der mittlerweile dem Alkohol verfallen ist, und Jenny, ehemals Seeräuber-Jenny. Die Geschäfte laufen schlecht, und Polly plant ein großes "Fest für Mackie", um die Kneipe und die Firma wieder aus den roten Zahlen zu holen. Das ist die Ausgangssituation des Stückes, die zunächst recht vielversprechend klingt.

Bild zum Vergrößern

Traum von der guten alten Zeit: von links: Jonathan (Martin Horn), Hauer-Hendrik (Dominik Dos-Reis), Jenny (Friederike Becht), Celia (Veronika Nickl), Polly (Romy Vreden) und Braun (Martin Lippold)

Johann Simons und Oliver Kroll haben für die kleine Bühne im Anneliese Brost Musikforum vor dem Orchester ein optisch ansprechendes Bühnenbild entworfen mit einem an alte Zeiten erinnernden Tresen und vier Barhockern in der Mitte und einer einsamen Laterne auf der linken Bühnenseite. Auf der rechten Seite sieht man eine Art Schlot, der wie aus Kohle zusammengesetzt wirkt. Hier hat sich Mackie von der Außenwelt abgeschottet und pflegt seine Psychosen. Komponist Moritz Eggert begleitet nicht nur einzelne Songs am Klavier, sondern übernimmt im Stück auch noch die Rolle des für die Feier extra engagierten Klavier-Karl. Die Musik erinnert ebenfalls an Weills Stil aus der Dreigroschenoper, ohne ihn dabei zu kopieren. Leider sind die gesungenen Texte trotz Verstärkung der Solisten bei den Ensembles nicht immer vollständig verständlich. Aber eigentlich haben die Figuren auch nicht allzu viel zu sagen. Stattdessen schwadronieren sie eine gefühlte Ewigkeit von der Vergangenheit, die nun leider vorbei ist. Da können auch die durchaus beeindruckenden akrobatischen Turnübungen auf den Barhockern von Michael Lippold als Braun nichts retten.

Bild zum Vergrößern

Langeweile und Verzweiflung: von vorne nach hinten: Jenny (Friederike Becht), Jonathan (Martin Horn), Celia (Veronika Nickl), Braun (Martin Lippold) und Mackie (Guy Clemens)

Das Stück tritt über eine Stunde auf der Stelle, was nicht den schauspielerischen Leistungen anzulasten ist. Veronika Nickl bearbeitet mit bemerkenswerter Akribie den Mettigel, und Romy Vreden macht Pollys verzweifelten Kampf gegen die Insolvenz durchaus glaubhaft. Guy Clemens zeichnet den in seiner eigenen Welt lebenden Mackie, nunmehr ohne Messer, der wie der Haifisch jeglichen Biss verloren hat, als recht traurige Figur. Dominik Dos-Reis müht sich als junger Hauer-Hendrik mit bemerkenswerten Slapstick-Einlagen ab, wenn er in der Firma in die Fußstapfen seines verstorbenen Vaters tritt, um sich auf diese Weise sein Studium zu finanzieren. An seinem Beispiel die Ausbeutung der heutigen jungen Generation anzuprangern, reicht für einen interessanten Abend genauso wenig, wie Klavier-Karl als ehemaligen Geliebten Jennys zu entlarven, der ihr nun erneut den Hof macht, aber von ihr zurückgewiesen wird.

Ebenso unmotiviert kommt das plötzliche Happy End. Nachdem Polly sich von Mackie losgesagt hat und dieser sich in seinem Turm mit einem Lampion erhängt hat, wagt er plötzlich ohne jedweden nachvollziehbaren Grund doch den Schritt zurück ins Leben und aus dem Turm zu seiner Jenny. Dann erhebt sich auch noch der Ruhrkohle-Chor, der als Chor "Bergmanns Freund" in seiner traditionellen Kluft im Publikum verteilt sitzt, und stimmt das berühmte "Steigerlied" an. Einen kleinen Moment mag es dem einen oder anderen Besucher etwas warm ums Herz werden. Doch diese Nostalgie wird sofort wieder im Keim erstickt, wenn dann im Schlusslied das Ensemble "Halt doch einfach mal die Fresse" singt. Dann ist es mit der Feierlaune direkt wieder vorbei. Der Applaus ist höflich, wobei sich in den Beifall für das Regie-Team auch einzelne Unmutsbekundungen mischen.

FAZIT

An diesem Abend gerät man leider nicht in Feierlaune. Da hätte man sich vielleicht doch als Kooperation lieber die "richtige" Dreigroschenoper gewünscht.



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Steven Sloane

Regie und Bühne
Johan Simons

Bühne
Oliver Kroll

Kostüme
Sofia Dorazio Brockhausen

Lichtdesign
Bernd Felder

Dramaturgie
Dorothea Neweling

 

Bochumer Symphoniker


Solisten

Mackie ohne Messer
Guy Clemens

Polly
Romy Vreden

Jonathan
Martin Horn

Celia
Veronika Nickl

Braun
Michael Lippold

Jenny
Friederike Becht

Hauer-Hendrik
Dominik Dos-Reis

Klavierspieler-Karl
Moritz Eggert

Chor "Bergmanns Freund"
Ruhrkohle-Chor

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von den

Bochumer Symphonikern
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2019 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -