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I puritani

Opera seria in drei Akten
Text von Carlo Pepoli nach dem Drama Têtes rondes et cavaliers von Jacques Ancelot und Saintine
Musik von Vincenzo Bellini

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln 

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Düsseldorf am 18. Dezember 2019


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Rheinoper
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Visionen einer Geisteskranken

Von Thomas Molke / Fotos von Hans Jörg Michel

Nachdem Rolando Villazón im April 2017 mit Donizettis Don Pasquale sein äußerst erfolgreiches Regie-Debüt an der Deutschen Oper am Rhein gegeben hat (siehe auch unsere Rezension), kehrt er nun als Regisseur nach Düsseldorf zurück und wagt sich an Bellinis letztes Meisterwerk I puritani. Auch wenn sich diese am 24. Januar 1835 am Théâtre-Italien uraufgeführte Oper schnell in ganz Europa verbreitete, hat sie heute nicht mehr den gleichen Bekanntheitsgrad wie beispielsweise Norma, La sonnambula oder I Capuleti e i Montecchi und steht eher selten auf den Spielplänen der Opernhäuser. Lange Zeit galt das Werk als letztes großes Monument der Epoche des Belcanto, bei dem die Messlatte für Sopran und Tenor relativ hoch angelegt ist, so dass es zahlreiche Möglichkeiten bot, vokal zu glänzen, aber ebenso die Gefahr des Scheiterns nicht zu unterschätzen war. Das berühmte Bass-Bariton-Duett von Riccardo und Giorgio am Ende des zweiten Aktes, "Suoni la tromba", hat seit der Risorgimento-Bewegung für die Italiener einen ähnlich patriotischen Charakter wie Verdis Gefangenenchor "Va, pensiero" aus Nabucco, kommt dabei allerdings wesentlich martialischer daher. Nur das Libretto wurde von Anfang an als problematisch erachtet, was schließlich dazu führte, dass die Oper später meistens auf einzelne Auszüge in diversen Galakonzerten reduziert wurde. Ein Grund dafür mag Bellinis Zerwürfnis mit seinem langjährigen Librettisten Felice Romani nach dem Misserfolg seiner Oper Beatrice di Tenda gewesen sein. Sein neuer Textdichter Graf Carlo Pepoli war bei weitem nicht so routiniert wie Romani, und so musste Bellini immer wieder selbst in den Text eingreifen. Entstanden ist ein Werk, das zwar wunderbare Melodienbögen aufweist, im dramaturgischen Ablauf allerdings sehr holprig daherkommt.

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Giorgio (Bogdan Taloş) teilt seiner Nichte Elvira (Adela Zaharia) mit, dass ihr Vater einer Hochzeit mit Arturo zugestimmt habe.

Die Handlung spielt um 1650 im englischen Bürgerkrieg. Der puritanische Gouverneur Lord Gualtiero Valton hat eingewilligt, seine Tochter Elvira mit dem königstreuen Lord Arturo Talbot zu verheiraten, was Sir Riccardo Forth sehr belastet, da dieser ebenfalls in Elvira verliebt ist und sie ihm einst von Valton als Braut versprochen worden ist. Elvira ist glücklich über die bevorstehende Hochzeit mit Arturo und will gerade ihren Brautschleier ausprobieren, als Arturo in einer Staatsgefangenen die Witwe des hingerichteten Stuart-Königs Karl I., Enrichetta, erkennt und sich verpflichtet fühlt, diese zu retten. Er verbirgt sie unter Elviras Brautschleier und ergreift gemeinsam mit ihr die Flucht. Als Elvira zugetragen wird, dass Arturo sie mit einer anderen Frau verlassen habe, verliert sie den Verstand. Arturo wird wegen Hochverrats vom Parlament zum Tode verurteilt. Riccardo triumphiert, aber Elviras Onkel Giorgio kann ihn überreden, Arturo aus Liebe zu Elvira retten, sollte dieser nicht auf Seiten der Royalisten kämpfen. Auf der Flucht gelangt Arturo schließlich zu Elvira und kann ihr die Beweggründe für sein Verschwinden erklären. Elvira gewinnt ihren Verstand zurück, doch droht, ihn erneut zu verlieren, als Arturo von den Puritanern gestellt und sein Todesurteil verkündet wird. Im allerletzten Moment taucht jedoch ein Bote mit der Nachricht auf, dass die Stuarts vernichtend geschlagen worden seien und alle politischen Gegner begnadigt werden sollen. So kann die Hochzeit zwischen Elvira und Arturo unter dem allgemeinen Jubel des Volkes stattfinden.

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Scheinbarer Betrug: Elvira (Adela Zaharia, links) sieht Arturo (Ioan Hotea) mit Enrichetta (Sarah Ferede, Mitte) unter dem Hochzeitsschleier.

Das Regie-Team um Rolando Villazón vertraut der kruden Handlung nicht und versucht eine eigene Lesart zu finden, die jedoch anders als bei Villazóns Inszenierung von Don Pasquale nicht aufgeht. Für Villazón ist Elvira von Anfang an verrückt und erlebt auch im Verlauf des Stückes keine Heilung. So liegt sie bei ihrem ersten Auftritt im ersten Akt mit nervösen Zuckungen im Bett, wenn ihr Onkel die eigentlich frohe Botschaft überbringt, dass ihr Vater einer Hochzeit mit dem von ihr geliebten Arturo zugestimmt habe. Fragwürdig wird auch das Verhältnis zwischen Elvira und ihrem Onkel inszeniert. So deuten die doch sehr aufdringlichen Berührungen Giorgios eine Form von Missbrauch an, dem Elvira wohl in ihrer Kindheit ausgesetzt war. Vielleicht soll damit ihr Wahn begründet werden. Die Figur des Giorgio gibt diesen Ansatz eigentlich nicht her. Immer wieder erscheinen auf den Seiten der Bühne schwarze Arme, die nach Elvira greifen und ihre Ängste manifestieren. Eine glückliche Wiedervereinigung mit Arturo gibt es auch im dritten Akt eigentlich nicht. Wenn Arturo das Missverständnis aufklärt, laufen die beiden ständig aneinander vorbei und können nicht zueinander finden. Als am Ende doch noch die Hochzeit gefeiert werden soll, taucht Enrichetta di Francia erneut unter Elviras Schleier auf und wird Arturo zugeführt. Das glückliche Ende ist also nur die Vision einer Geisteskranken.

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Riccardo (Jorge Espino, rechts) und Giorgio (Bogdan Taloş) wollen an Arturo Rache nehmen (im Hintergrund links: Lord Valton (Günes Gürle)).

Dieter Richter hat einen hohen historisch anmutenden Raum entworfen, der die strenge Welt der englischen Puritaner überzeugend einfängt. Im ersten Akt sieht man den Parlamentssaal, der von hohen Zinnen eingerahmt wird. Dabei werden diverse Stühle vom Chor und den Statisten teilweise etwas hölzern über die Bühne geschoben. Auch der Richtblock, an dem einzelne Staatsfeinde gezüchtigt werden, wirkt beinahe unfreiwillig komisch, wenn er ständig mit einem Gefangenen quer über die Bühne geschoben wird. Die Kostüme von Susanne Hubrich sind in schlichtem Schwarz sehr "puritanisch" gehalten. Den Royalisten wird optisch etwas mehr farbliche Opulenz zugestanden, die diese Figuren deutlich von den Puritanern abhebt. Auch Arturo ist in seinem in gesättigten Farben gehaltenen Kostüm eindeutig den Royalisten zuzuordnen. Auf die Hinrichtung Karls I. wird in einem riesigen Bild angespielt, das für die Schlafzimmerszene im ersten Akt als Trennwand aus dem Schnürboden herabgelassen wird. Interessant gestaltet wird das Lichtspiel hinter diesem Bild, in dem Elvira ihren Vater mit dem ihr ursprünglich zugedachten Bräutigam Riccardo sieht. Im zweiten Akt sind die Zinnen an den Wänden verschwunden und geben den Blick auf graues Mauerwerk frei. Im dritten Akt bricht dann ein riesiger Teil aus der Rückwand heraus, und man sieht einen kahlen Wald, der das Schloss umgibt.

In der Personenführung hat Villazón vor allem in den Massenszenen ein nicht ganz so glückliches Händchen. Die Ausgrenzung einzelner Personen durch den Chor als Puritanermasse wirkt ein wenig unkoordiniert. Unklar bleibt auch die schwarze Tafel mit dem weißen Kreidekreuz, die zu Beginn einer Frau umgehängt wird, die wohl gegen die moralischen Sitten verstoßen hat, und mit der dann auch Elvira im zweiten Akt stigmatisiert wird. Die ausladenden Gesten Arturos wirken für eine moderne Opernaufführung ebenso antiquiert wie die in die Luft gestemmten Fäuste der Soldaten, wenn Riccardo und Giorgio das berühmte Duett "Suoni la tromba" anstimmen. Aber das alles scheint das Publikum nicht zu stören, und so wird auch das Regie-Team mit großem Beifall bedacht.

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Ein trügerischer Moment des Glücks: Elvira (Adela Zaharia) und Arturo (Ioan Hotea)

Musikalisch ist der Jubel verdient. Eine großartige Sängerriege beschert mit wunderbaren Melodien den Zuschauern einen Glücksmoment nach dem nächsten und belegt, dass die Oper wirklich ein Belcanto-Meisterwerk ist. Da ist zunächst Adela Zaharia als Elvira zu nennen, die mit intensivem Spiel und strahlend leuchtenden Koloraturen die Labilität und innere Zerrissenheit der jungen Frau glaubhaft zeichnet. Ein musikalischer Höhepunkt ist ihre Cabaletta "Son vergin vezzosa", in der sie sich mit dem Schleier auf die bevorstehende Feier vorbereitet. Hier punktet Zaharia mit großer Beweglichkeit in den Läufen. Albern wirkt nur das kleine Tuch Arturos, das immer wieder stellvertretend als Schleier benutzt wird. Einen weiteren Glanzpunkt stellt ihre große Wahnsinnsszene im zweiten Akt, "O rentetemi la speme", dar, wenn sie sich von Arturo verraten glaubt. Ioan Hotea meistert die anspruchsvolle Partie des Arturo mit höhensicherem Tenor, auch wenn er in den extremen Spitzentönen ein wenig quetschen muss. Die Auftrittskavatine im ersten Akt, "A te, o cara", wenn er Elvira seine Brautgabe überreicht, und seine Verzweiflungsarie im dritten Akt, "Credeasi, misera", wenn er fürchtet, zum Tode verurteilt zu werden, nachdem er erneut einen kurzen Moment des Glücks mit Elvira erleben durfte, können mit Hoteas weicher Stimmführung als weitere musikalische Höhepunkte des Abends betrachtet werden. Auch stimmlich harmonieren Hotea und Zaharia wunderbar, selbst wenn Villazón szenisch den beiden fast jegliche Innigkeit verwehrt.

Bogdan Taloş begeistert als Elviras Onkel Giorgio mit dunklem, kräftigem Bass. Hervorzuheben ist seine große Arie im zweiten Akt, wenn es ihm gelingt, Riccardo von dessen Racheplänen abzubringen. Jorge Espino stattet den zurückgewiesenen Riccardo mit markantem Bariton auf, der auch in den Höhen eine enorme Durchschlagskraft besitzt. Mit großer Emotion spielt er die tiefen Gefühle für Elvira aus und macht das Handeln der Figur damit gut nachvollziehbar. Das große Duett "Suoni la tromba" wird von Taloş und Espino stimmlich sehr emotionsgeladen gestaltet, auch wenn die szenische Umsetzung etwas übertrieben wirkt. Sarah Ferede punktet als abgesetzte Königin Enrichetta mit sattem Mezzosopran. Günes Gürle und Andrés Sulbarán runden als Elviras Vater Lord Valton und Riccardos Freund Sir Bruno Roberton das Solisten-Ensemble überzeugend ab. Musikalisch überzeugt auch der von Patrick Francis Chestnut einstudierte Chor. Antonino Fogliani erweist sich am Pult der Duisburger Philharmoniker als Belcanto-Experte und zaubert aus dem Orchestergraben wunderbare Melodienbögen.

FAZIT

Musikalisch bietet dieser Abend Belcanto vom Feinsten. Szenisch gibt es einige Kritikpunkte, über die man jedoch bei der zauberhaften Musik hinwegsehen kann.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Antonino Fogliani

Inszenierung
Rolando Villazón

Bühne
Dieter Richter

Kostüme
Susanne Hubrich

Chor
Patrick Francis Chestnut

Licht
Volker Weinhart

Dramaturgie
Anna Melcher

 

Duisburger Philharmoniker

Chor der Deutschen Oper am Rhein

Statisterie der Deutschen Oper am Rhein

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Lord Gualtiero Valton
*Günes Gürle /
Thomas Faulkner 

Sir Giorgio
Bogdan Taloş

Lord Arturo Talbot
Ioan Hotea

Sir Riccardo Forth
Jorge Espino

Elvira
Adela Zaharia

Enrichetta di Francia
Sarah Ferede

Sir Bruno Roberton
Andrés Sulbarán

 

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutschen Oper am Rhein
(Homepage)



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