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Gestrandet an der Grenze zu Klamaukistan
Von Roberto Becker / Fotos von Pawel Sosnowski Das Schild zur Show
Einen Jacques Offenbach als Lockerungsübung für einen Richard Wagner, also eine Operette, um sich auf den Ring vorzubereiten, dieses Abfolge hat Charme. Die Banditen des Wahlparisers Offenbach und die Tetralogie des deutschen Großkomponisten Wagner liegen allerdings praktischerweise so weit auseinander, dass man nicht vom Ge- oder Misslingen des einen auf das des Anderen schließen kann. Den bislang noch wenig bekannten, jungen österreischen Regisseur und Gewinner des Grazer Ring-Award Valentin Schwarz hatte Festspielchefin Katharina Wagner im letzten Sommer überraschend als nächsten Ring-Regisseur für den Grünen Hügel präsentiert. Dadurch gerieten seine Turandot-Inszenierung am Staatstheater Darmstadt ebenso ins Visier des überregionalen Feuilletons, wie jetzt die Dresdner Banditen. Banditen „spielen“, wenns sein muss, Köche
An der Staatsoperette in Dresden entfesseln Schwarz, Andrea Cozzi (Bühne) und Otto Krause (Kostüme) jetzt mit der eher selten gespielten Opéra-bouffe Offenbachs eine ziemlich turbulente Show. Das Geschehen der Rahmenhandlung sieht überdeutlich nach Wildwest aus und führt eine Theatertruppe in finanziellen Schwierigkeiten vor. Die kündigt auf einem Schild eine "megageile Banditenshow" an und versucht dann, dieses Versprechen mit größtmöglicher Bewegungsenergie einzulösen. Dabei wird die Drehbühne reichlich genutzt, auf die Andrea Cozzi erst einen Palisadenwald wie in einem Indianerfilm und dann eine Wellnessoase gebaut hat. Mit einer Überdosis von Spiel-im-Spiel-Klamauk, der freilich nur im Ausnahmefall zu den wohl erwarteten Lachern führt. Schwarz hat in die eigene Übersetzung des Textes ein paar launig gegenwärtige Textzutaten eingeschmuggelt. Die Frage ans Publikum, ob es die "totale Operette" wolle, gehört eher nicht dazu. Dennoch kommt nur Fragesteller Tom Pauls als perfekt singschauspielernder Finanzminister auch bei diesem eher geschmacklosen abgewandelten Goebbelszitat ohne Blessuren davon. Er macht überhaupt - obwohl kein Sänger - alles in allem die beste Operettenfigur an diesem Abend. Den anderen gelingt das nur, wenn sie ihre Text rappen. Die letzten Worte von Jesus am Kreuz zu Bach-Musik ans Ende dieser Show zu setzen, ist vor allem schräg. Behauptet einen doppelten Boden, der so nicht vorbereitet war. Retten kann diese aparte Pointe allerdings nichts. Banditen mit ungebrochenem Selbstbewusstsein
Was Schwarz hier abfackelt, ist ein solches Feuerwerk an eher kleineren Einfällen und Gags, dass man das Ganze (sprich die eh verwickelte Handlung) nur erahnen kann. Wer sich vorher über die Winkelzüge der Handlung informiert, ist jedenfalls klug beraten. Von der in der wirklichen Welt gar nicht vorhandenen spanisch-italienischen Grenze wird das räuberische Geschehen unter Hauptmann Falsacappa (Hauke Möller) und die Kungelei zwischen dem Königreich Spanien (mit einem tollen Auftritt von Ingeborg Schöpf als Alt-Prinzessin von Grenada) und dem Herzogtum Mantua (Marcus Günzel gibt den smarten Herzog von Mantua) in ein beliebiges Irgendwo zwischen den Zeiten und Welten verfrachtet. In dem, mit Blick aufs Publikum, auch Dresden und die Gegenwart von heute vorkommt. Was aber nicht wirklich zu Schenkelklopfern führt. Tom Pauls als treffsicherer Finanzminister und Investor…
Da helfen auch das smarte (von Radek Stopka mit Schmiss choreografierte) Polizisten-Ballett, ein paar aufgesetzt wirkenden schwule Grabschereien oder das Einschreiten der Baupolizei und die Verlagerung der Handlung auf die Vorderbühne nicht wirklich etwas. Immerhin wird bei der Gelegenheit das Orchester der Staatsoperette mit Andreas Schüller am Pult aus dem Graben nach oben gefahren. Was dann auch optisch - und nicht nur musikalisch - ihrem herausragenden Anteil an diesem Abend entspricht. Neben Tom Pauls in der Doppelrolle als Finanzminister (im Stück) und Investor (in der Rahmenhandlung) vermag vor allem Andreas Sauerzapf auch in seinen mit stark österreichischem Akzent gesprochenen Passagen zu überzeugen. Den wenigen Lachern im Verlauf des Abends entsprachen die deutlichen Buhs für die Regie am Ende. Wie gesagt: Der Abstand zwischen diesem eher missglückten Offenbach und dem anstehenden Wagner-Großprojekt ist gewaltig. Und abgerechnet wird erst nach dem Finale der Götterdämmerung im Sommer.
Wenn diese Banditen eine verpatzte szenische Generalprobe und somit gutes Omen für den sommerlichen Festspiel-Ring in Bayreuth gewesen sein sollen, dann stehen die Zeichen für den Sommer nicht schlecht. Bei den Banditen hat sich Schwarz mit einer Überdosis Klamauk übernommen. Musikalisch in Dresden vor allem das Orchester auf der Höhe. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Choreographie
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der Premiere
Ernesto Falsacappa, Chef der Räuber
Fiorella, Falsacappas Tochter
Pietro Pomponazzi, Vertrauter von Falsacappa
Fragoletto
Willy Barbavano
Joe Carmagnola
Jack Domino
Falsacappas Assistent
Fiametta
Zerlina
Bianca
Ci-Ci
Die Prinzessin von Granada
Adolf von Valladolid
Herzog von Mantua
Antonio Rüdiger, Finanzminister
Camp, der Baron von Torquato Tasso
Horst Bramarbasso, Polizeipräsident
Zwei Pagen
Die Herzogin
Die Markise
Hauptmann Lischke
Pipo, Gastwirt
Pipa, seine Frau
Pipetta, deren Tochter
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