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Les Contes d'Hoffmann
(Hoffmanns Erzählungen)


Fantastische Oper in fünf Akten
Libretto von Jules Barbier nach Motiven von E.T.A. Hoffmann
Musik von Jacques Offenbach


in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Premiere im Anhaltinischen Theater Dessau am 25. Oktober 2019


Theater-Logo

Anhaltisches Theater Dessau
(Homepage)

Der doppelte Hoffmann

Von Joachim Lange / Fotos von Claudia Heysel

Der 200. Geburtstag von Jacques Offenbach hat 2019 seine Spuren in den Spielplänen vieler Theater hinterlassen. Im Falle des Anhaltischen Theaters Dessau ist jetzt ein musikalischer Coups zu einer packenden Inszenierung von Les Contes d'Hoffmann gelungen! Wie bei dem deutsch-französischen Operetten-Meister beim Cancan in der Unterwelt die Beine an der Rampe fliegen, konnte man im Sommer beispielhaft bei den Salzburger Festspielen erleben. In Offenbachs letzter und ziemlich ernst gemeinten Oper geht es in dieser Hinsicht etwas ruhiger zu. Ist ja auch eine Oper. Aber die Melange aus deutscher Romantik und französischem Charme hat ihren besonderen Reiz. Offenbach hat sich sogar selbst zitiert und einen Hit aus seinen frühen Rheinnixen übernommen, der dann als Barcarolle berühmt wurde und auf dem Canale Grande in Venedig im Giulietta-Akt die Gondeln schunkeln lässt. Ganz fertig geworden ist er mit den Erzählungen nicht mehr. Er starb am 5. Oktober 1880 während einer Probe.


Fotos gibt's später Olympia außer Rand und Band

Erst ein Jahr später wurde das Werk uraufgeführt. Die überlieferten Fassungen und der Streit darum sind Legion. Was eine gewisse Freiheit beim Umgang mit dem nur fast fertigen Erbstück erlaubt. Es geht der Nachwelt damit so ähnlich wie mit Wagners Tannhäuser. Aber in welcher Version auch immer - die Nummernrevue scheint durch. Da es eine autorisierte Fassung von letzter Hand nicht gibt, bleibt jede Menge Spielraum für Entdecker- und Interpretenehrgeiz. In Dessau kommt das Ganze auf der Bühne und im Graben dennoch wie aus einem Guss daher. Die 1. Kapellmeisterin der Anhaltischen Philharmonie Elisa Gogou und der Regisseur Roman Hovenbitzer (für des es nach Esclarmonde, La Bohème und Otello bereits die vierte Inszenierung in Dessau ist) haben sich für eine Langfassung entschieden.

Fotos gibt's später

Hoffmann und Olympia

Sie haben dem Titelhelden mit Tino Kühn ein originale E.T.A Hoffman-Texte einfügendes Alter Ego an die Seite gestellt. Und das funktioniert im Wechselspiel mit dem Sänger hervorragend (ähnlich wie kurz zuvor auch in der Weimarer Neuinszenierung.) Insgesamt kommen die Dessauer so auf fast dreieinhalb Bruttostunden für die Geschichten um die reale Diva Stella, die vom Dichter und Erzähler im Stück in drei Frauen aufgespalten wird: die Puppe Olympia, die Sängerin Antonia und der Kurtisane Giulietta. Netta Or fühlt sich in alle vier Rollen fabelhaft ein. An ihrer Seite ist Tenor Jason Kim ein grandioser und sicherer Hoffmann. Natürlich ist der Hausstar Ulf Paulsen eine sichere Bank als Lindorf und höchst wandelbar in allen anderen Bösewichter-Partien. Rita Kapfhammer als Antonias Mutter ist der pure Luxus.


Fotos gibt's später Antonia, Hoffmann und Niklausse

Ein echte Sensation (aus der Kategorie "den Namen muss man sich merken und die weitere Entwicklung der Sängerin im Blick behalten") ist aber die franko-kanadische Mezzosopranistin Mireille Lebel als Muse bzw. Niklausse an Hoffmanns Seite. Auch alle anderen und der Chor machen ihre Sache hervorragend. Und die Dirigentin spielt mit Leidenschaft und Sinn fürs Timing die meisterlichen Qualitäten dieser Musik voll aus, zieht in den Bann. Was man zu hören bekommt, ist einer der besten Produktionen von Hoffmanns Erzählungen der letzten Zeit.

Fotos gibt's später

Hoffmann und seine Muse

Was man auf der Bühne sieht, bleibt nah am Stück, ist um klare Erzählkontur bemüht und durchweg spannend umgesetzt. Im Prinzip verlegen Hermann Feuchter (Bühne) und Judith Fischer (Kostüme) alles in den Backstage Bereich einer Oper. Hier verdingt sich Niklausse denn auch am Anfang und am Ende in einem Nebenjob als Reinigungskraft. Weit hinten sieht man eine Logentheater-Kulisse, in der gerade zunächst auch hörbar und dann nur noch sichtbar Mozarts Don Giovanni gegeben wird. An der Rampe befindet sich ein kleines Bühnenmodell, in dem die Spielmacher im Stück jeden Aktwechsel vorbereiten. Was im Modell im verkleinerten Format angedeutet ist, nimmt dann auf der Bühne, dank der beweglichen Versatzstücke, Gestalt an. Die etwas zudringliche programmierte Olympia hat ihren Auftritt in einem Ballettprobensaal. Für Antonia gibt es etwa eine Riesenkiste, die ihr besorgter Vater (vergeblich) mit Klebeband verschließt, um seine Tochter zu schützen. Doch der Bösewicht hat ein Messer dabei, um das wieder zu durchtrennen. Die Mutter kommt nicht nur als Stimme aus dem Off - Rita Kapfhammer hat einen kurzen, aber eindrucksvollen Auftritt im roten Gewand.

Die Kurve in den Giulietta-Akt vom Canale Grande - bzw. der Oper als Ort des Geschehens - hin zu einem imaginären City Center des Projektentwicklers bzw. Baumoguls Lindorf ist zwar etwas steil geraten. Aber aus der Bahn fliegt der Abend dennoch nicht. Dafür hatte er bis dahin viel zu sicher seine Fahrt aufgenommen.


FAZIT

Dem Anhaltischen Theater Dessau ist mit dieser Produktion ein Volltreffer gelungen!




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Elisa Gogou

Inszenierung
Roman Hovenbitzer

Bühne
Hermann Feuchter

Kostüme
Judith Fischer

Choreographische Mitarbeit
Anna-Maria Tasarz

Video
Sabine Graichen

Dramaturgie
Felix Losert



Statisterie und Opernchor
des Anhaltischen Theaters

Anhaltische Philharmonie Dessau


Solisten

Hoffmann
Jason Kim

Hoffmanns Alter Ego
Tino Kühn

Die Muse/Niklausse
Mireille Lebel

Lindorf/Coppelius/Mirakel/Dapertutto
Ulf Paulsen

Andres/Spalanzani/Pitichinaccio
David Ameln

Olympia/Antonia/Giuletta/Stella
Netta Or

Die Stimme von Antonias Mutter
Rita Kapfhammer

Luther/Crespel
Don Lee

Nathanel/Cochenille
Alexander Dubnov

Herrmann
Kostadin Argirov


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Anhaltischen Theater Dessau
(Homepage)




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