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Ein Mittsommernachtstraum

Ballett von Alexander Ekman
Musik von Mikael Karlsson

Aufführungsdauer: ca. 2h 15' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 22. Februar 2020
(rezensierte Aufführung: 27.02.2020)



Theater Dortmund
(Homepage)

Vom Traum zum Alptraum

Von Thomas Molke / Fotos: © Leszek Januszewski

Den Titel Mittsommernachtstraum mögen viele in erster Linie mit William Shakespeares großartiger Komödie assoziieren, die bereits in zahlreichen Choreographien auch den Weg in den Tanz gefunden hat. Mit dem berühmten Dichter aus Stratford-upon-Avon hat der neue Ballettabend in Dortmund allerdings gar nichts zu tun, auch wenn sich der 1984 in Stockholm geborene Choreograph Alexander Ekman ähnlich wie Shakespeare von der heidnischen Volkskultur Nordeuropas zu diesem Abend hat inspirieren lassen. 2015 erlebte Ekmans A Midsummernight's Dream am Königlich Schwedischen Ballett in Stockholm eine umjubelte Uraufführung. Es folgte eine Neueinstudierung 2018 in Chicago. Nun präsentiert das Ballett Dortmund die deutsche Erstaufführung dieses Tanzabends. Den Dortmunder Ballettfreunden dürfte Ekman noch mit seiner Choreographie Cacti aus dem dreiteiligen Ballettabend Drei Farben Tanz in der Spielzeit 2013/14 in guter Erinnerung sein (siehe auch unsere Rezension). Im benachbarten Aalto Ballett Essen war vor drei Jahren auch ein kompletter Tanzabend mit Choreographien von Ekman zu erleben (siehe auch unsere Rezension zu 3 By Ekman).

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Ausgelassenes Toben im Heu (Ensemble)

Die Musik stammt von dem schwedischen Komponisten Mikael Karlsson, der schon mehrfach mit Ekman zusammengearbeitet hat und dessen Stil sich in den repetitiven Mitteln der Rhythmik an der Minimal Music orientiert. Dazu baut er aber auch Klänge ein, die an skandinavische Folklore angelehnt sind. Die Musik wird live auf der Bühne von einem Streicher-Quartett, einem Klavier und Schlagzeug begleitet, wobei die Instrumente im Hintergrund der Bühne positioniert und teilweise verstärkt sind. So entwickeln sie einen Klangteppich, der das Publikum wunderbar in den relativ abstrakt gehaltenen Abend eintauchen lässt. Weitere vier Streicher präsentieren dazu noch ein Pausenprogramm und spielen im Foyer ähnliche Kompositionen. Dabei ist es allerdings ein bisschen schade, dass zahlreiche Pausengespräche den musikalischen Genuss stören und das Spiel somit zu unbedeutender Hintergrundmusik degradieren. Im Saal hingegen lässt sich das Publikum von den teils mythisch anmutenden Klängen einwickeln und in eine Stimmung versetzen, die vielleicht bei einer traditionellen Mittsommernachtsfeier vorherrschen mag. Jie-Go Lee sorgt am Schlagzeug mit zahlreichen Perkussionsinstrumenten für eine gewisse Erdverbundenheit und reißt nicht nur die Tänzerinnen und Tänzer mit einem bewegenden Rhythmus mit.

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Das Fest zur Sommersonnenwende ist in vollem Gange (Ensemble).

Ausgangspunkt des Abends ist ein "Träumer", der zu Beginn der beiden Teile und am Ende des Abends in einem großen weißen Bett liegt, das im linken Bühnenvordergrund steht. Der Träumer (ausdrucksstark: Filip Kvacak) scheint zu schlafen, während man über der Bühne eine digitale Uhr und ein Datum sieht, das die Sommersonnenwende anzeigt, zu der im Norden das zweitgrößte Fest nach Weihnachten, "Midsommar", gefeiert wird. Nachdem ein unsichtbarer Wecker geklingelt hat, den der Träumer ausgestellt hat, erscheint eine junge Frau und fordert den Träumer auf, sie zur Feier zu begleiten. Aus ihren Manteltaschen ragen riesige Heubündel heraus, die einen Vorgeschmack auf das Fest geben. Wenn der Träumer sich angekleidet hat und der Vorhang sich hebt, sieht man die Tänzerinnen und Tänzer auf einer Bühne voller Heu und Strohballen, zwischen denen sie ausgelassen feiern. Voller Lebensfreude schleudern sie im Rhythmus der Musik das Heu durch die Luft und tauchen absolut synchron darin ein. Das Ensemble verbreitet hier totale Lebensfreude, so dass man am liebsten aufstehen und auf der Bühne mittoben möchte. Eindrucksvoll scheint von links oben ein riesiger Kreis aus Scheinwerfern auf die Tänzerinnen und Tänzer herab und stellt dabei wohl die aufgehende Sonne dar. Im weiteren Verlauf des Abends wandert dieser Scheinwerferkreis auf die rechte Bühnenseite und leitet so das allmähliche Ende des Tages ein. Dazwischen wird jedoch ausgelassen gefeiert. Die Tänzerinnen und Tänzer schmücken sich mit Blumenkränzen.

Einzelne Momente erinnern ein wenig an Pina Bausch. Wenn die Tänzerinnen und Tänzer mit Sektgläsern an die Rampe treten und allesamt erwartungsvoll ins Publikum blicken, denkt man vielleicht an das berühmte Wuppertaler Ensemble, das ebenfalls häufig mit derartigen Aktionen die Trennung vom Publikum aufgehoben hat. Kleine Aktionen unterbrechen die teilweise recht lang gehaltenen Momente der Stille. So schießt ein Tänzer eine kleine Rakete ab, oder ein anderer beginnt zu ploppen, was ihm die anderen dann begeistert nachmachen. Eine riesige Tafel wird auf die Bühne gefahren, an der die Tänzerinnen und Tänzer Platz nehmen und, was natürlich ebenfalls zu solchen Feierlichkeiten gehört, tief ins Glas schauen. Die Stimmung wird immer ausgelassener. Es bilden sich vereinzelte Paare, während sich der Träumer wieder in sein Bett begibt und der Vorhang langsam fällt. Die Feier ist vorbei, wie auch die Uhr über der Bühne anzeigt, und das Publikum begibt sich in die Pause.

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"Böses Erwachen" nach dem Fest: die kopflosen Männer (Leonardo Cheng und Márcio Barros Mota)

Nach der Pause gibt es, wie häufig nach zu starkem Alkoholgenuss, ein "böses Erwachen". Der Träumer scheint sich nun in einem Alptraum zu befinden. Kurz aufflackernde Lichter zeigen zu eher disharmonischen perkussiven Klängen Fetzen von surrealen Szenen. So sieht man zwei kopflose Gestalten, die miteinander kämpfen, dann wiederum orientierungslos einen Stuhl hinter sich herziehen. Die im ersten Teil recht anmutig wirkende Sängerin (Hannah Tolf mit engelsgleichen Tönen) hat sich in ein unheimliches Wesen verwandelt, wobei ihre Haare sich mit dem Heu zu einer langen wilden Mähne verbunden haben. Aus dem Schnürboden tauchen riesige Makrelen auf, wobei man nicht weiß, ob die Fische die Absicht haben, die Menschen zu fressen. Die lange Tafel wird an der linken Seite hoch in den Schnürboden gezogen, während sich einzelne Tänzerinnen und Tänzer verzweifelt daran festkrallen und nach und nach auf den Boden herabfallen. Dann bilden die Tänzerinnen und Tänzer mit mehreren Requisiten eine Art Schiff in der Mitte, das im Bühnenboden versinkt, während riesige Bäume kopfüber aus dem Schnürboden herabhängen und die Menschen regelrecht niederdrücken. Im Hintergrund sieht man auch das Bett des Träumers schief in der Luft hängen, was andeutet, dass das Weltbild des Träumers hier aus den Fugen gerät.

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Langsamer Versuch der Annäherung: Daria Suzi und Francesco Nigro, hinten links: die Sängerin (Hannah Tolf)

Nur ganz langsam kehrt in dieses Chaos auf der Bühne eine gewisse Ordnung zurück. In sehr abstrakten Bewegungen finden die Tänzerinnen und Tänzer wieder zu einer ruhigeren Masse zusammen, und wieder ist es die Musik, die ganz langsam diesen Wandel bewegt. Ein Paar findet in einem bewegend langsamen Pas de deux wieder zueinander. Nachdem dieser Alptraum überwunden ist, legt sich der Träumer erneut schlafen. Nun hat man in der Anzeige das Gefühl, dass er ein ganzes Jahr verschläft, bevor es erneut Sommersonnenwende ist und der Abend theoretisch von vorne beginnt, da die junge Frau ihn erneut hinter die Bühne führt. Das Publikum spendet den Dortmunder Tänzerinnen und Tänzern großen Applaus und zeigt sich von der abstrakten Kraft der Bilder überwältigt. Auch die Musiker werden gefeiert.

FAZIT

Auch wenn dieser Abend nichts mit Shakespeares gleichnamigem Klassiker zu tun hat, findet Ekman ausdrucksstarke Bilder, die von der Dortmunder Compagnie eindrucksvoll umgesetzt werden.


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Produktionsteam

Inszenierung, Choreographie und Bühne
Alexander Ekman

Musikalische Leitung
*Satomi Nishi /
*Sebastian Engel /
Petra Riesenweber

Kostüme
Bregje van Balen

Lichtdesign
Linus Felbom

 

Asasello Quartett / Arisva Quartett

1. Violine
Alexander Prushinskiy /
*Yang Li

2. Violine
*Oleguer Beltran-Palláres /
Svetlana Straub

Viola
Mingwan Kim /
*Albert Hametoff

Violoncello
Risto Rajakorpi /
Markus Beul /
*Tobias Sykora

Schlagzeug
Alexander Maczewski /
*Jie-Go Lee

Klavier
Petra Riesenweber /
*Ana-Maria Dafova

 

Tänzerinnen und Tänzer

*rezensierte Aufführung

Der Träumer
Filip Kvacak

Eine Hostess
Daria Suzi

Ein Fräulein
Amanda Vieira

Die Liebenden
Clara Carolina Sorzano Hernandez /
*Alisa Uzunova
Lúcio Kalbusch /
*Javier Cacheiro Alemán

Eine Freundin
Amélie Demont

Mr. Canon
Dann Wilkinson

A Bubbler
Duccio Tariello

Koch
Luca Bergamaschi

Fahnenträger
Francesco Nigro

Kopflose Männer
Leonardo Cheng
Márcio Barros Mota

Slow Pas de deux
Daria Suzi /
*Sae Tamura
Francesco Nigro /
*Javier Cacheiro Alemán

Sängerin
Hannah Tolf

Gäste
*Amélie Demont
Júlia Figueras Ramírez
*Clara Carolina Sorzano Hernandez
*Charlotte Amalie Kragh
*Rion Natori
Konami Omachi
*Martina Renau
*Stephanine Ricciardi
*Manuela Souza
*Daria Suzi
*Sae Tamura
*Alisa Uzunova
*Caroline Vandenberg
*Amanda Vieira
*Giuditta Vitiello
*Sayaka Wakita
*Yingyue Wang

*Javier Cacheiro Alemán
*Luca Bergamaschi
*Leonardo Cheng
*Luigi Cifone
*Guillem Rojo i Gallego
Simon Jones
*Lúcio Kalbusch
*Filip Kvacak
*Márcio Barros Mota
*Francesco Nigro
*Shai Ottolenghi
*Maksym Palamarchuk
*Duccio Tariello
*Matheus Vaz
Dann Wilkinson
*Aidos Zakan

 


Weitere
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Da capo al Fine

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