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Lohengrins Geheimnis bleibt für das Publikum unentdecktVon Stefan Schmöe / Fotos vom Theater DortmundWas für ein Geheimnis trägt dieser Lohengrin mit sich? Gralsritterschaft ist der Jugend von heute offenbar nicht mehr zu vermitteln (warum eigentlich? Der Erfolg von Harry Potter und die boomende Fantasy-Literaturszene besagen doch anderes). Aber was dann? In dieser Fassung für Jugendliche muss es etwas mit dem Altern zu tun haben, denn der Titel Neverland verweist auf Peter Pans Insel ewiger Jugend. Und Lohengrin erscheint zunächst als alter Mann mit Krückstock, bevor er zum edel gewandeten Ritter mutiert. Dazu befinden wir uns möglicherweise an einem Grab, jedenfalls ist eine viereckige, von Rasen umgebene Gruppe in die Bühne eingelassen (ein Teil der Musiker und die Dirigentin sitzen unten, ab und zu steigt einer der Sänger hinab - ist dann aber für weite Teile des Publikums fast unsichtbar). Vom König wird zwar gelegentlich gesungen, den gibt's aber gar nicht. Unten im Grab (?) sitzt der bereits altersschwache Lohengrin, oben beraten sich Ortrud (links) und Elsa
Francesco Damiani und Alvaro Schoeck (der auch die Inszenierung verantwortet) haben Wagners Lohengrin für Jugendliche ab 12 Jahren, so die Angabe des Theaters, bearbeitet, zu spielen in der "Jungen Oper Dortmund" - das ist ein Wellblechschuppen neben dem Schauspielhaus, der mit seinem gewölbten Dach die Architektur des Opernhauses aufgreifen möchte, aber ziemlich unromantischen Hinterhofcharme versprüht. (Die Stadt Dortmund wäre nicht schlecht beraten, den innen ganz ansehnlichen Bau samt Vorplatz ein wenig aufzuhübschen.) Platz für ein Orchester gibt es hier nicht, stattdessen musiziert ein Kammerensemble aus acht Musikern: Zwei Hörner, Oboe (mitunter zum Englischhorn wechselnd) und Fagott als Bläser, dazu ein Streichquartett. Von den Sängern sind König und Heerrufer gestrichen, der Chor sowieso, wodurch ein Kammerspiel für vier Charaktere entsteht: Lohengrin, Elsa, Ortrud und Friedrich (Telramund). Es gelingt aber recht gut, die Atmosphäre des Originals einzufangen, was nicht zuletzt am sensiblen Spiel der Musiker (Leitung: Satomi Nishi) liegt. Handfeste Auseinandersetzung: Lohengrin und Friedrich (Telramund)
Damiano und Schoeck haben in ihrer auf 75 Minuten reduzierten Fassung die dreiaktige Struktur der Oper beibehalten und folgen im zweiten und dritten einigermaßen der Vorlage, weichen im ersten allerdings stark ab, in dem sie in einem collagenartigen Zusammenschnitt Themenkomplexe aus dem ersten und dritten Akt nebeneinander setzen, einmal sogar überlagern. In der Distanz zum Original hinterlässt dieser Teil die stärkste, weil eigenständigste Wirkung; trotzdem ist es auch im Weiteren recht gut gelungen, den Eindruck eines "Best-of" zu vermeiden und trotzdem alle wichtigen Themen anklingen zu lassen. In dieser Form könnte Neverland (das in Dortmund im Vorfeld der "richtigen" Lohengrin-Produktion läuft) durchaus an anderen Theatern nachgespielt werden und ist auch für Wagner-erfahrene Hörer spannend, weil es den intimen Charakter des Werks jenseits der pompösen Choraufmärsche hervorhebt. Elsa, ratlos
Die Probleme der Aufführung liegen also nicht in der Musik, sondern in der Handlung und Regie. Wagners Text ist, wenn auch oft umgestellt, weitestgehend beibehalten, aber bekanntlich in seinem Sprachduktus nicht nur für Jugendliche problematisch - wenn man ihn denn in gesungener Form überhaupt versteht, was oft nicht der Fall ist. So ist man auf die Bilder angewiesen: Elsa im Brautkleid, aus einem nicht näher bekannten Grund darf sie Bräutigam Lohengrin nicht nach seiner Herkunft befragen, Ortrud und Telramund sind offenbar warnende Freunde Elsas. Da bleibt vieles unverständlich. So ist Neverland nichts Halbes und nichts Ganzes: Weder eine irgendwie nachvollziehbare Umdeutung des Stoffes noch eine verständliche Nacherzählung. Vielleicht ist das der Grund, warum in der hier besprochenen Vorstellung am Sonntagvormittag nur knapp die Hälfte der rund 90 Plätze besetzt waren, übrigens fast gänzlich ohne das avisierte jugendliche Zielpublikum (und die jüngeren Kinder wirkten nur mäßig fasziniert). Den größten Gewinn ziehen wohl, siehe oben, die Erwachsenen, die ihren Lohengrin kennen und hier in einer durchaus spannenden Paraphrase über die Oper neu entdecken können. Das weiße Brautkleid des Beginns hat Elsa inzwischen gegen das knappe Rote getauscht, und Lohengrin trägt vom zweiten Aufzug an ritterliche Eleganz statt Krückstock und Unterhemd
Ob Fritz Steinbacher als Lohengrin an diesem Sonntagmorgen indisponiert war? Die Partie ist auch in dieser Fassung für den versierten Spieltenor allzu heldentenoral schwer, erstaunlicherweise auch zu hoch (er mogelt sich ganz geschickt durch, am Ende wurde es mit der letztendlich im Falsett gesäuselten Gralserzählung ein Zitterspiel). Großartig sind dagegen die anderen Partien besetzt. Mit der jungen, mädchenhaften Irina Simmes als durchaus dramatischer, trompetenhaft hell timbrierter Elsa (da darf man gespannt auf die weitere Entwicklung der Sängerin sein) und Hyona Kim als ähnlich hell timbrierter, kraftvoller Ortrud sowie Mandla Mndebele als fulminantem Telramund wird auch in der kleinen Form großformatiges Wagner-Theater geboten. FAZITEine durchaus gelungene Kammerspielfassung des Lohengrin, die aber inhaltlich reichlich unverständlich bleibt und daher am jugendlichen Publikum vorbeigehen dürfte. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne und Kostüme
Dramaturgie
Dortmunder Philharmoniker Solisten
Lohengrin
Elsa
Ortrud
Friedrich
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