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Musiktheater
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La gazzetta

Dramma per musica in zwei Akten
Text von Giuseppe Palomba nach Carlo Goldoni
Musik von Gioachino Rossini

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 55' (eine Pause)

Premiere im Bockenheimer Depot in Frankfurt am 2. Februar 2020



Oper Frankfurt
(Homepage)
Liebeswirrungen und Maskenball am Bahnhof

Von Thomas Molke / Fotos von Barbara Aumüller

Obwohl Gioachino Rossini momentan kein Jubiläum feiert, bildet er in dieser Spielzeit einen Schwerpunkt im Programm der Oper Frankfurt. Nachdem zu Beginn der Spielzeit mit Rossinis Otello eine Übernahmeproduktion des Theater an der Wien auf dem Spielplan stand (siehe auch unsere Rezension), gibt es nun im Bockenheimer Depot seine komische Oper La gazzetta, bevor dann im April noch Bianca e Falliero folgen wird. Auch wenn La gazzetta zu den unbekannten Werken des Schwans von Pesaro zählt, dürfte ein Teil der Musik dem Publikum gar nicht so fremd sein. Rossini verwendet darin beispielsweise ein großes Ensemble aus dem ersten Akt des im gleichen Jahr in Rom uraufgeführten Il barbiere di Siviglia und übernimmt die Ouvertüre, die auf einem Thema aus seiner früheren Oper Torvaldo e Dorliska basiert, ein Jahr später in La Cenerentola. Lange Zeit schlummerte das Werk in den Archiven, bis es Ende des 20. Jahrhunderts zu ersten zögerlichen Wiederentdeckungen kam und das Stück 2001 schließlich auch beim Rossini Opera Festival erstmals zu erleben war, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Partitur immer noch nicht komplett war und ein groß angelegtes Quintett im ersten Akt fehlte. Beim Belcanto Festival in Bad Wildbad 2007 wurde die Lücke kurzerhand durch das berühmte Sextett "Questo è un noddo avviluppato" aus dem zweiten Akt von La Cenerentola ersetzt. Erst im April 2012 ist das verschollene Quintett in einer Bibliothek in Palermo aufgetaucht und konnte von dem Rossini-Experten Philip Gossett eindeutig La gazzetta zugeordnet werden, so dass das Werk nun komplett vorliegt.

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Alberto (Matthew Swensen, rechts), Madama La Rose (Nina Tarandek, Mitte rechts mit einer Statistin Mitte links) und Monsù Traversen (Danylo Matviienko, links) studieren die Heiratsannoncen.

Die Handlung basiert auf der italienischen Komödie Il matrimonio per concorso von Carlo Goldoni und spielt in Paris. Don Pomponio, ein neureicher Händler aus Neapel, hat in der Tageszeitung "La Gazzetta" eine Annonce aufgegeben, um für seine Tochter Lisetta einen finanzkräftigen Ehemann zu finden. Zu diesem Zweck hat er sich mit seiner Tochter im Hotel Aquila einquartiert, ohne jedoch zu wissen, dass Lisetta bereits heimlich mit Filippo, dem Hotelinhaber, liiert ist. Als der junge Weltenbummler Alberto auf der Suche nach einer Frau im Hotel eintrifft und sein Interesse an Lisetta bekundet, kann Filippo Albertos Aufmerksamkeit mit viel Geschick auf Doralice lenken, die ebenfalls im Hotel logiert und von ihrem Vater Anselmo mit dem wohlhabenden Monsù Traversen verkuppelt werden soll. Pomponio hingegen wäre bereit, Alberto als Schwiegersohn zu akzeptieren, da er ihn für einen Nachfahren des berühmten Macedonen-Königs Philipp hält. Um in der Gunst um Lisetta mithalten zu können, gibt sich Filippo als reicher Quäker aus, der eine noch bessere Partie darstellen würde. Lisetta, die zwar in Filippos Plan eingeweiht ist, lehnt den Quäker als Gatten aber dennoch ab, da sie glaubt, von Filippo mit Madama La Rose betrogen worden zu sein. Nach einer Aussprache muss nun ein neuer Plan her. Filippo fordert Pomponio zum Duell heraus, weil er ihn für den finanziellen Verlust verantwortlich macht, den er durch die überstürzte Abreise des Quäkers erlitten habe. Auch Alberto gibt vor, sich mit Pomponio duellieren zu wollen, da er ihm seine Tochter zunächst zugesagt und dann sein Versprechen gebrochen habe. Pomponio möchte daraufhin am liebsten nur noch mit seiner Tochter die Stadt verlassen. Unterbrochen wird dieses Vorhaben von der angeblichen Ankunft einer türkischen Delegation, die zu einem Maskenball einlädt. Pomponio hofft, dort eine gute Partie für seine Tochter ausfindig machen zu können.  Bei diesem Maskenball "entführen" Filippo und Alberto kurzerhand Lisetta und Doralice und heiraten ihre beiden Angebeteten. Madama La Rose bringt die Väter zur Einsicht, so dass sie schließlich zähneknirschend die Liebesheirat ihrer Töchter akzeptieren müssen.

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Lisetta (Elizabeth Sutphen) soll gegen ihren Willen verheiratet werden (links: Alberto (Matthew Swensen), daneben: Filippo (Mikołaj Trąbka)).

Das Regie-Team um Caterina Panti Liberovici verlegt die Handlung in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts an einen Bahnhof. Hier kommt Don Pomponio zu Beginn der Oper mit seiner Tochter Lisetta an, um sie mithilfe einer Zeitungsannonce "unter die Haube zu bringen". Dabei tritt Lisetta zunächst mit schwarzen Korkenzieherlocken in einem braven weißen Kleid auf, was ihre Naivität und Unschuld unterstreicht. Parallel sieht man bis zur Pause an diesem Bahnhof immer wieder einen Vater mit einem kleinen Mädchen, das Lisetta optisch gleicht. So wie dieses Mädchen stets erfolglos gegen den Vater aufbegehrt, ist auch Lisettas Widerstand zunächst nicht von Erfolg gekrönt. Einen weiteren Vergleich stellt ein Vogel im goldenen Käfig dar, den Pomponio auf seiner Reise nach Paris mitgenommen hat. Im Verlauf des Stückes emanzipiert sich Lisetta, legt das weiße Kleid ab und tritt in der Mode der 20er Jahre auf. Am Ende befreit sie auch den kleinen Vogel aus seinem goldenen Käfig. Vor den Bahnhof werden von den Seiten immer wieder Bühnenelemente hereingeschoben, die den Raum in das Hotel verwandeln, in dem die Figuren abgestiegen sind. In diesem Ambiente spult das Regie-Team die leicht abstruse Handlung ab und setzt auf enormes Tempo. Für Slapstick-Einlagen sorgt Martin Georgi, der unter dem Namen Passepartout in unterschiedliche stumme Dienstbotenrollen schlüpft.

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Alberto (Matthew Swensen, links) und Filippo (Mikołaj Trąbka, 2. von rechts) wollen sich mit Pomponio (Sebastian Geyer, Mitte) duellieren (rechts: Passepartout (Martin Georgi)).

Weniger verständlich bleiben einzelne Einfälle von Panti Liberovici bezüglich der Personenregie. So wird beispielsweise zu Beginn der Oper gar nicht klar, dass Monsù Traversen ebenfalls auf Brautschau ist. Panti Liberovici hat ihm eine blonde Statistin zur Seite gestellt, mit der es aber wohl im ersten Akt wegen eines anderen Mannes zum Bruch kommt. Erst danach interessiert er sich sehr zum Leidwesen dieser jungen Frau für Doralice, wobei nicht ganz klar wird, ob sich die junge Frau nun mit Madama La Rose tröstet oder am Ende doch wieder zu Traversen zurückfindet. Unnötig sind auch die Mafiosi mit ihren Geigenkästen, die immer wieder am Bahnhof auftauchen und auch zu dem Duell zwischen Pomponio, Filippo und Alberto nicht wirklich etwas beitragen. Dass beim Maskenball auf orientalisches Flair verzichtet wird, sondern nur mit den Geschlechterrollen gespielt wird, Doralice in Hosen und Pomponio in einem weißen Tüllrock auftreten, macht ebenfalls nicht wirklich Sinn, da die Entführung der beiden Frauen in dieser Szene völlig untergeht und der Fortgang der Handlung somit eigentlich unlogisch bleibt. Im nächsten Bild liegen die Väter wie nach einer durchzechten Nacht am Bahnhof und treffen dort auf ihre Töchter, die mittlerweile verheiratet sind. Zum Abschluss sieht man in einer Projektion einen Zug einfahren, der über die Figuren hinwegzurollen scheint.

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Madama La Rose (Nina Tarandek, links) und Doralice (Angela Vallone, 2. von links) treiben beim Maskenball ihren Spaß mit Pomponio (Sebastian Geyer, Mitte).

Im Gegensatz zur Handlung kann die Oper musikalisch mit den beiden Meisterwerken Il barbiere di Siviglia und La Cenerentola, die kurz zuvor bzw. danach entstanden sind, mithalten. Neben den Stücken, die auch in den anderen beiden Opern zu finden sind, lässt vor allem das 2012 wiederentdeckte Quintett aufhorchen, in dem Pomponio, Lisetta, Doralice, Filippo und Alberto ihre Verwirrung über die Situation zum Ausdruck bringen. Lisetta glaubt hier, dass ihr Vater sie mit Filippo verheiraten will, da Pomponio Albertos Nachnamen falsch verstanden hat, und ist sichtlich irritiert, dass ihr anschließend Alberto als zukünftiger Bräutigam präsentiert wird. Dieser wiederum wundert sich nicht weniger, da er doch eigentlich geglaubt hat, Pomponios Tochter sei Doralice, die sich, genauso wie Filippo von Lisetta, von Alberto hintergangen fühlt. Dramaturgisch und rhythmisch ist das Quintett sicherlich mit dem berühmten Sextett aus La Cenerentola vergleichbar, mag auch für Rossini als Vorlage für seine spätere Komposition gedient haben. In den Akkorden unterscheidet es sich allerdings deutlich. Simone Di Felice führt das Frankfurter Opern- und Museumsorchester souverän durch die temporeiche Partitur und erntet zum Schluss verdienten Applaus.

Auch die Solisten lassen keine Wünsche offen. Mit großer Komik begeistert Sebastian Geyer in der Buffo-Partie des Don Pomponio und stolziert als arroganter neureicher Händler über die Bühne, mit dem man beim Maskenball kaum Mitleid hat, wenn sich die anderen über ihn lustig machen. Während er sich seiner Tochter Lisetta sehr hart und unnachgiebig zeigt, erweist er sich beim bevorstehenden Duell als absoluter Hasenfuß. Mit beweglichem Bariton gestaltet er die Figur auch musikalisch überzeugend. Mikołaj Trąbka begeistert als Filippo mit profundem Bariton, der eine enorme Durchschlagskraft besitzt und deutlich macht, dass er den Kampf um seine geliebte Lisetta gewinnen wird. Matthew Swensen verfügt als Alberto über einen höhensicheren Tenor, der auch in den Spitzentönen über große Strahlkraft verfügt.. Szenisch legt Swensen die Figur ein wenig tollpatschig an. Elizabeth Sutphen gestaltet die Partie der Lisetta mit strahlendem Sopran und glockenklaren Höhen. Bewegend gelingt ihr Duett mit Trąbka, in dem Lisetta und Filippo nach anfänglichen Differenzen wieder zueinander finden. Angela Vallone punktet als Doralice mit warmem Mezzosopran und keckem Spiel, auch wenn nicht ganz klar wird, was die erotischen Momente zwischen Doralice und Madama La Rose sollen. Nina Tarandek überzeugt als Madama La Rose mit einem satten Mezzosopran und einer enormen Bühnenpräsenz. Danylo Matviienko lässt als Monsù Traversen mit dunkel gefärbtem Bariton aufhorchen. Für die Partie des Anselmo kehrt das langjährige Ensemble-Mitglied Franz Mayer an die Oper Frankfurt zurück und überzeugt in der kleinen Partie mit kräftigem Bassbariton, so dass es für alle Beteiligten verdienten Beifall am Ende gibt.

FAZIT

Szenisch ist nicht jeder Regieeinfall nachvollziehbar. Musikalisch macht die Produktion deutlich, dass sich Rossinis La gazzetta nicht hinter den beiden Meisterwerken Il barbiere di Siviglia und La Cenerentola zu verstecken braucht.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung und Hammerklavier
Simone Di Felice

Inszenierung
Caterina Panti Liberovici

Bühnenbild
Sergio Mariotti

Kostüme
Raphaela Rose

Licht
Jan Hartmann

Choreographie
David Laera

Dramaturgie
Deborah Einspieler

 

Frankfurter Opern- und
Museumsorchester

Statisterie und Kinderstatisterie
der Oper Frankfurt


Solisten

Don Pomponio Storione
Sebastian Geyer

Lisetta
Elizabeth Sutphen

Filippo
Mikołaj Trąbka

Alberto
Matthew Swensen

Doralice
Angela Vallone

Madama La Rose
Nina Tarandek

Monsù Traversen
Danylo Matviienko

Anselmo
Franz Mayer

Passepartout
Martin Georgi

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







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