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Musiktheater
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Manon Lescaut

Dramma lirico in vier Akten
Text von Luigi Illica, Domenico Oliva, Giulio Ricordi und Marco Praga nach Abbé Prévost
Musik von Giacomo Puccini


In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: 2h 30' (eine Pause)

Premiere am 06. Oktober 2019 in der Oper Frankfurt

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Oper Frankfurt
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Kein Glück in der Fremde

Von Roberto Becker / Fotos von Barbara Aumüller

Manon Lescaut steht drauf und Asmik Grigorian ist drin. Also die ziemlich einhellig beim Jahresranking der Opernwelt auf Platz eins gelandete Litauerin, die spätestens seit ihrer Salome in der Salzburger Inszenierung von Romeo Castellucci allein schon ein Grund ist, um sich diesen Puccini anzuhören und anzusehen. Da der Frankfurter Opernintendant Bernd Loebe aber ein ausgewiesener Stimmenfachmann ist und schon oft ein glückliches Händchen nicht nur beim Aufbau und der Pflege seines Ensembles bewiesen hat, gibt es neben der mädchenhaften Manon mit der Riesenstimme auch einen Mann an ihrer Seite, über den man nur staunen kann. Der aus Las Vegas stammende Tenor Joshua Guerrero gibt in Frankfurt als Chevalier Renato des Grieux ein Rollen- und Deutschlanddebüt, das man getrost als Überraschungscoup bezeichnen kann. Eine gut sitzende, strahlende Stimme, mit dem Schuss Leidenschaft und Talent zum Schluchzen, die sich besonders bei (diesem) Puccini ganz gut machen.

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Tanzen an der Stange

Aber auch Ensemblemitglied Jurii Samoilov als Manons Bruder hinterlässt stimmlich und darstellerisch einen starken Eindruck. Donato Di Stefano wirft sich voll in die Rolle des hier ziemlich schmierig mafiosen Geronte - das ganze Ensemble und der Chor sind erstklassig. Im Graben verführt der junge Dirigent Lorenzo Viotti das Frankfurter Opern- und Museumsorchester zum Schwelgen mit Puccinis Herz-Schmerzmusik und vermag damit von Akt zu Akt in einem Crescendo der Emotionen zu packen.

Bühnenbildner Alfons Flores hat mit riesigen Lettern im Brutalobetonloock das Wort LOVE auf die Drehbühne gesetzt. Wobei das italienische AMORE sicher ähnlich allgemeinverständlich gewesen wäre wie der modische Anglizismus mitten in einer italienischen Oper. Die freilich in der Inszenierung des Katalanen Àlex Ollé und der Argentinierin Valentina Carrasco entschlossen in die Gegenwart verlegt wird. Carrasco hatte von sich reden gemacht, als sie 2012 quasi aus dem Stand den auf einen Abend komprimierten Nibelungen-Ring in Buenos Aires zu Ende inszenierte, nachdem Katharina Wagner ihr entsprechendes Vorhaben platzen ließ.

Vergrößerung in neuem Fenster Vor der Abschiebung im Käfig

Diese Gegenwart hat ihre eigenen Formen von geschäftsmäßiger, auch erzwungener Prostitution. Und von Abschiebung. Zwar nicht wie in der Oper nach Amerika, aber zurück übers Mittelmeer. Wenn es eine Filmeinblendung mit wogenden Wassermassen vor der Überfahrt gibt, stellt sich diese Assoziation von selbst ein. Aber abgesehen von einem anfangs eingespielten Video, das Manon als Migrantin, ihre Flucht und die Sorge ihrer Eltern zeigt, bleibt die Bildwelt der Inszenierung bei einer eher exemplarischen Vergegenwärtigung. Das erste Bild ist ein tristes Bahnhofsfoyer. Hier wird ein- und ausgecheckt. Hier kommen aber auch Busse mit Mädchen an, die von Typen wie dem geradewegs aus der Klischeekiste mit den grabschenden, beleibten Fieslingen entsprungenen Geronte begutachtet werden. Aus der Rubrik der jungenhaften Zuhälter kommt der Bruder Manons, obwohl der in dieser Inszenierung Manon im Auftrag der besorgten Eltern eigentlich zurück nach Hause holen soll. Samoilov bewältigt den Balanceakt, einerseits den Lebenswandel seiner Schwester zu decken und auch für sich auszunutzen, und sie andererseits zu beschützen oder sich wenigstens um sie zu sorgen. In diesem Milieu und bei der eingeführten Vorgeschichte kollidiert der Text, in dem vom Kloster für Manon die Rede ist, freilich ebenso mit dem, was man sieht, wie die plötzlich aufflammende Liebe von Renato zu dem flippigen Mädchen. Man nimmt es hin, weil sie ihre Parallelgeschichte in sich stimmig erzählen.

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Das Paar am Ende ...

Effektvoll ist die Verwandlung der Bühne auf offener Szene zum Rotlicht Tabel-Dance-Tingeltangel. Dazu senkt sich die beklemmend tief hängende Betondecke ab, gibt den LOVE-Schriftzug in voller Höhe preis und verwandelt den Raum in eine Riesenfreitreppe mit Plateaus für den Tanz an der Stange und die Drinks für die Gäste. Das ist im Ganzen eher illustrierend. Hier taucht dann Geronte mit diversen "Gästen" auf, Marke Banker vom Land oder aus dem Ausland, die mal was erleben und die Puppen tanzen lassen wollen. Es gibt wohl nur wenige Sopranistinnen der Spitzenklasse, die hier ganz nebenbei auch an der Stange locker jede Statistin ausstechen, wie es Asmik Grigorian mühelos gelingt.

Vergrößerung in neuem Fenster Dieses Wort war immer Utopie

Die zur Verbannung bzw. Abschiebung vorgesehenen Frauen finden sich nach der Pause in ziemlich deprimierenden Käfigen wieder - quer über die gesamte Bühnenbreite. Im letzten Bild dreht sich nur noch der Schriftzug auf der leeren Bühne. Langsam und kalt beleuchtet. Ein Monument des Scheiterns und ein Ort des Todes. Hier mangelt es nicht nur an überlebensnotwendigem Wasser. Hier fehlt es an allem. In dieser Einsamkeit und Kälte erreicht die Inszenierung denn auch ihre größte Wirkung. Die migrantische Behauptung vom Anfang ist dabei zwar irgendwie abhanden gekommen, aber der Puccini aus dem Jahre 1893 ganz bei sich und irgendwie auch bei uns.


FAZIT

An der Oper Frankfurt glänzt nicht nur Asmik Grigorian. Die Neuinszenierung von Puccinis Manon Lescaut ist ein musikalisches Fest mit vokalen Glanzleistungen. Die Inszenierung verlegt die Geschichte alles in allem überzeugend in die Gegenwart.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Lorenzo Viotti

Regie
Àlex Ollé

Bühne
Alfons Flores

Kostüme
Lluc Castells

Licht
Joachim Klein

Video
Emmanuel Carlier

Chor
Tilman Michael

Dramaturgie
Stephanie Schulze



Chor und Statisterie
der Oper Frankfurt Frankfurter Opern-
und Museumsorchester


Solisten

Manon Lescaut
Asmik Grigorian

Lescaut
Iurii Samoilov

Chevalier Renato Des Grieux
Joshua Guerrero

Geronte de Ravoir
Donato Di Stefano Edmondo
Michael Porter

Der Wirt
Magnús Baldvinsson

Ein Musiker
Bianca Andrew

Ein Tanzmeister
Jaeil Kim

Der Laternenanzünder
Santiago Sánchez

Der Sergeant
Božidar Smiljanic?

Der Kapitän
Pilgoo Kang



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







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