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Otello

Dramma per musica in drei Akten
Text von Francesco Maria Berio nach Jean François Ducis und Giovanni Carlo Cosenza
basierend auf William Shakespeare
Musik von Gioachino Rossini

in italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (eine Pause)

Übernahme einer Produktion des Theater an der Wien (Premiere: 19. Februar 2016)

Premiere im Opernhaus Frankfurt am 8. September 2019



Oper Frankfurt
(Homepage)
Der etwas andere Otello

Von Thomas Molke / Fotos von Barbara Aumüller

Shakespeares Tragödie Othello verbindet man im Bereich der Oper meistens mit Giuseppe Verdi. Dabei hat sich rund 70 Jahre vor Verdi Gioachino Rossini mit diesem Stoff beschäftigt und eine Vertonung geschaffen, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als musikalische Sensation galt und sich großer Beliebtheit erfreute. Dass das Werk heute trotz der Wiederentdeckung von Rossinis tragischen Opern relativ selten auf dem Spielplan steht, mag mehrere Gründe haben. Zum einen dürfte die Besetzung zahlreiche Opernhäuser vor schier unlösbare Probleme stellen. Das Werk erfordert nämlich insgesamt sechs Tenöre, von denen drei Partien, Otello, Rodrigo und Jago, äußerst anspruchsvoll sind. Zum anderen hat es mit Shakespeares Drama nicht mehr als die grobe Figurenkonstellation gemein. Lord Byron und der Rossini-Biograph Stendhal kritisierten vor allem die Dramaturgie der ersten beiden Akte. Die Oper Frankfurt, die in dieser Spielzeit  insgesamt drei Opern des Schwans von Pesaro auf den Spielplan stellt, übernimmt eine Produktion des Theater an der Wien, die dort in der Inszenierung von Damiano Michieletto 2016 Premiere feierte. Die Anzahl der Tenöre wird in dieser Produktion auf fünf reduziert, da der Gondoliere aus dem dritten Akt mit Otellos Freund Lucio zu einer Figur verbunden wird.

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Elmiro (Thomas Faulkner, links) will seine Tochter Desdemona (Nino Machaidze) gegen ihren Willen mit Rodrigo (Jack Swanson, 2. von rechts) verheiraten (ganz rechts: Jago (Theo Lebow)).

Rossinis Librettist Francesco Maria Berio orientiert sich an zwei zeitgenössischen Schauspielbearbeitungen des Stoffes, der ursprünglich als Novelle aus Giraldo Cinthios Sammlung Hecatommithi stammt. Eine zentrale Rolle nimmt hier Desdemonas Vater Elmiro Barbarigo ein, der seine Tochter mit dem Sohn des Dogen, Rodrigo, verheiraten möchte, ohne zu wissen, dass seine Tochter bereits heimlich mit Otello vermählt ist. Als er einen Brief seiner Tochter an ihren heimlichen Gatten abfängt, der neben zärtlichen Worten auch noch eine Locke Desdemonas enthält, behauptet Desdemona, dass dieser Brief an Rodrigo gerichtet sei. Dieser Brief fällt Jago in die Hände, der damit Otellos Eifersucht schürt. Hinzu kommt, dass Desdemona bei Otellos siegreicher Rückkehr aus der Schlacht gerade mit Rodrigo zusammengeführt werden soll. So kommt es zum Eklat, da Desdemona sich weigert, Rodrigo zu heiraten, Otello sie jedoch für untreu hält. Die eigentlichen Gegenspieler sind Otello und Rodrigo, die sich beide von Desdemona betrogen fühlen. Jago bleibt als Intrigant in dieser Fassung eher blass. Nur der dritte Akt weist mit Desdemonas gefühlvollem Lied von der Weide und dem anschließenden Gebet vor ihrem Tod eine Nähe zu Verdis Vertonung auf.

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Jago (Theo Lebow, hinten) schürt Otellos (Enea Scala, vorne) Eifersucht.

Das Regie-Team um Damiano Michieletto scheint den Ansatz zu verfolgen, die Unterschiede zu Verdi und Shakespeare noch deutlicher herauszuarbeiten, und geht bei den Abweichungen noch ein paar Schritte weiter als die Oper selbst. Die militärische Komponente interessiert Michieletto in seiner Inszenierung weniger. Stattdessen sieht er Otello als einen arabischen Geschäftsmann, der als Fremder in ein westliches System eindringt. Seine wirtschaftlichen Beziehungen und sein Geld sind hier sehr willkommen. Seine Kultur wird von der Gesellschaft allerdings eher abgelehnt. So löst es bei allen Beteiligten große Irritation aus, wenn er Desdemona ein schwarzes Kopftuch schenkt oder im zweiten Akt seinen Gebetsteppich ausbreitet. Emilia ist bei Michieletto nicht nur Desdemonas Vertraute sondern auch ihre jüngere Schwester, die allerdings ganz eigene Ziele verfolgt. So buhlt sie um die Gunst des Vaters und möchte selbst gerne mit Rodrigo vermählt werden. Sie ist es auch, die Jago den Brief Desdemonas zukommen lässt. Jago ist ein Cousin Rodrigos und zieht diabolisch die Fäden der Intrige. So scheint er, wie ein böser Geist die übrigen Figuren in ihrem Handeln zu manipulieren. Um die Angst der venezianischen Gesellschaft vor dem Fremden in der Person des Otello zu schüren, beschmiert er am Ende des ersten  Aktes zunächst Otello und schließlich die ganze Gesellschaft mit Dreck.

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Desdemona (Nino Machaidze) versucht vergeblich, zwischen Otello (Enea Scala, Mitte) und Rodrigo (Jack Swanson, links) zu vermitteln.

Während dieser Ansatz noch einigermaßen plausibel ist, bleiben andere Ideen des Regie-Teams doch eher unklar. Wenn Desdemona Rodrigo im Duett im zweiten Akt gesteht, dass sie bereits mit Otello vermählt ist, reden beide nicht miteinander sondern mit Emilia und Jago. Dabei sitzen Desdemona und Emilia auf der linken Seite, Rodrigo und Jago auf der rechten Seite der Bühne. Emilia bewegt die Lippen, wenn Rodrigo mit Desdemona spricht, und Jago zieht Rodrigos ganze Aufmerksamkeit auf sich, wenn Desdemona antwortet. Vor der abschließenden Arie Rodrigos zerrt Elmiro seine Tochter aus dem Raum. Rodrigos Vater, der Doge, wird in seinem Rollstuhl hereingeschoben, und Rodrigo äußert seine Rachsucht ihm gegenüber. Auch für den Schluss findet Michieletto eine andere Deutung. Kurz bevor Otello Desdemona tötet, taucht plötzlich Jago im Schlafgemach auf und schneidet sich die Kehle durch. Laut Libretto ist er eigentlich von Rodrigo im Zweikampf getötet worden. Otello bringt es nicht über sich, die todessehnsüchtige Desdemona zu ermorden. So greift Desdemona kurzerhand selbst zur Waffe und erschießt sich. Otello bricht über ihrer Leiche zusammen, während Elmiro im Hintergrund die Hochzeit seiner Tochter Emilia mit Rodrigo feiert.

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Emilia (Kelsey Lauritano, hinten rechts) und Lucio (Michael Petruccelli) sorgen sich um Desdemona (Nino Machaidze, vorne).

Eine zentrale Rolle im Bühnenbild von Paolo Fantin, das einen großen kalten Saal mit beigefarbenen Marmorwänden zeigt, der mit einer Zwischenwand aus dem Schnürboden verkleinert werden kann, spielt ein großes Gemälde, das Francesca da Rimini mit ihrem Geliebten Paolo Conti zeigt, die von Francescas Ehemann für ihren Ehebruch im Schlafgemach mit einem Schwert durchbohrt worden sind. Francesca und Paolo tauchen immer wieder als Statisten in Visionen Desdemonas auf, obwohl deren Geschichte inhaltlich eigentlich keinen Bezug zu Desdemonas Leid hat. Schließlich ist Desdemona ihrem Gatten nicht untreu geworden, sondern hat ihn aufrichtig geliebt. Michieletto bezieht sich damit wohl auf das Lied des Gondoliere, das in dieser Inszenierung von Lucio gesungen wird, der die Funktion eines Hausarztes übernimmt und dabei Desdemona ein Beruhigungsmittel zubereitet. Darin klingt die Geschichte der Francesca da Rimini an, die dazu führt, dass Desdemona sich vollends ihrem Schmerz hingibt. Trotzdem bleiben die Statisten, die auch das Schwert, mit dem sie auf dem Gemälde getötet worden sind, immer wieder mit auf die Bühne bringen, wie ein Fremdkörper in der Inszenierung, zumal Desdemona auch nicht mit diesem Schwert getötet wird.

Musikalisch bewegt sich der Abend auf hohem Niveau. Nino Machaidze, die die Partie der Desdemona bereits in Wien mit großem Erfolg verkörpert hat, ist kurzfristig für die erkrankte Karolina Makuła eingesprungen und begeistert mit sattem Sopran und strahlenden Höhen. Ein Höhepunkt stellt ihr gefühlvolles Lied von der Weide im dritten Akt dar, das mit dem betörenden Klang der Harfe unter die Haut geht. In den Duetten mit Otello und Rodrigo glänzt sie durch große Dramatik. Enea Scala meistert die anspruchsvolle Titelpartie mit kräftigem, leicht dunkel eingefärbtem Tenor, der in den Höhen eine enorme Durchschlagskraft besitzt. Die Eifersucht Otellos spielt er überzeugend aus. Jack Swanson verfügt als sein Gegenspieler Rodrigo über einen helle Stimmfärbung, gelangt bei den extremen Höhen allerdings an seine Grenzen. Ansonsten gestaltet er die Partie mit großartigem lyrischen Tenor. Zu einem Glanzpunkt avanciert musikalisch das Duett mit Machaidze im zweiten Akt mit der anschließenden Rachearie. Theo Lebow übertreibt als intriganter Jago szenisch ein wenig, was aber wohl eher der Personenregie als seinem Spiel anzulasten ist. Auch er verfügt über einen kräftigen Tenor, der in den extremen Höhen ein bisschen forcieren muss. Thomas Faulkner stattet Desdemonas Vater Elmiro mit einem profunden Bass aus. Kelsey Lauritano, Hans-Jürgen Lazar und Michael Petruccelli runden als Emilia, Doge und Lucio das Solisten-Ensemble überzeugend ab. Der von Tilman Michael einstudierte Chor präsentiert sich stimmgewaltig und spielfreudig. Sesto Quatrini lotet mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester die Feinheiten von Rossinis schnellen Läufen präzise aus und punktet durch farbenreichen Klang, so dass man sich schon auf die weiteren Rossini-Aufführungen in dieser Spielzeit in Frankfurt freuen darf. Am Ende gibt es folglich großen Beifall für alle Beteiligten.

FAZIT

Rossinis Otello verdient musikalisch einen festen Platz neben Verdis gleichnamiger Oper, auch wenn er inhaltlich ziemlich weit von Shakespeare entfernt und wahrscheinlich auch wesentlich schwerer zu besetzen ist.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Sesto Quatrini

Inszenierung
Damiano Michieletto

Szenische Einstudierung
Marcin Lakomicki

Bühnenbild
Paolo Fantin

Kostüme
Carla Teti

Licht
Alessandro Carletti

Chor
Tilman Michael

 

Frankfurter Opern- und
Museumsorchester

Chor der Oper Frankfurt

Statisterie der Oper Frankfurt


Solisten

*Premierenbesetzung

Otello
Enea Scala

Desdemona
Karolina Makuła /
*Nino Machaidze

Jago
Theo Lebow

Rodrigo
Jack Swanson

Elmiro Barbarigo
Thomas Faulkner

Emilia
Kelsey Lauritano

Doge
Hans-Jürgen Lazar

Lucio
Michael Petruccelli

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







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