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Pénélope

Poème lyrique in drei Akten
Text von René Fauchois nach Homers Odyssee
Musik von Gabriel Fauré

in französischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Frankfurt am 1. Dezember 2019



Oper Frankfurt
(Homepage)
Warten und Erwartung

Von Thomas Molke / Fotos von Barbara Aumüller

Lange hat Gabriel Fauré gebraucht, bis er der Öffentlichkeit seine erste und einzige Oper präsentierte. Als Komponist von Liedern, Klavier- und Kammermusik wurde er bereits viele Jahre in Frankreich verehrt, hatte auch schon Schauspielmusiken, unter anderem zu Pelléas et Mélisande, komponiert, bis er schließlich 1907 ein geeignetes Sujet für eine Oper fand. Es war die gefeierte Wagner-Sopranistin Lucienne Bréval, die Fauré mit dem jungen, noch unerfahrenen Autoren René Fauchois und dem Intendanten Raoul Gunsbourg zusammenbrachte, die gemeinsam mit Fauré in Monte Carlo eine Vertonung von Odysseus' Rückkehr zu seiner Frau Penelope herausbringen wollten. Bréval, die die Rolle der Penelope interpretieren sollte, setzte durch, dass die Oper Pénélope genannt und damit die Gattin in den Mittelpunkt der Handlung gerückt wurde. Da Fauré aufgrund anderer Verpflichtungen nur in den Sommermonaten komponieren konnte und viele Änderungen am Textbuch vornahm - so bestand er darauf, dass das ursprünglich fünf Akte umfassende Libretto auf drei Akte verdichtet wurde -, sollte es bis zum 4. März 1913 dauern, bis die Oper in Monte Carlo zur Uraufführung gelangte, die zwar als Erfolg gewertet wurde, Faurés Erwartungen allerdings nicht erfüllte. Gunsbourg interessierte sich zu diesem Zeitpunkt vielmehr für seine eigene Oper Venise, die kurz nach Pénélope Premiere feierte und vom Intendanten nicht ohne Eigennutz engagierter beworben wurde. Einen Triumph mit der Oper erlebte Fauré dann zwei Monate später in Paris im brandneuen Théâtre Astruc. Doch mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs schwand das Interesse an Faurés Oper. 1919 und 1943 wurde sie noch einmal in Paris auf den Spielplan gestellt und führt seitdem ein Schattendasein, vor allem außerhalb Frankreichs. 2002 war in Chemnitz die deutsche Erstaufführung zu erleben, und auch das auf Raritäten spezialisierte Wexford Festival Opera entdeckte das Werk 2005 für sich. Nun unternimmt das Opernhaus Frankfurt einen weiteren Versuch, das Werk dem Vergessen zu entreißen.

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Die Freier (von links: Eurymaque (Sebastian Geyer), Ctésippe (Dietrich Volle), Léodès (Ralf Simon), Pisandre (Danylo Matviienko) und Antinous (Peter Marsh)) bemerken Pénélopes (Paula Murrihy) Betrug (im Hintergrund sitzend: Ulisse (Eric Laporte)).

Die Handlung basiert auf den letzten Kapiteln von Homers Odyssee. Der listenreiche Odysseus (Ulysse), König von Ithaka, ist auch zehn Jahre nach Ende des Trojanischen Krieges noch nicht zu seiner Frau Penelope (Pénélope) zurückgekehrt, so dass bei ihr Zweifel aufkommen, dass ihr Mann überhaupt noch lebt. Mittlerweile haben sich zahlreiche Freier im Palast von Ithaka eingefunden - bei Fauré sind es im Gegensatz zu Homers Epos nur fünf -, die um Penelopes Hand und damit auch die Königsherrschaft von Ithaka buhlen. Penelope vertröstet sie unter dem Vorwand, dass sie erst das Leichentuch für Odysseus' verstorbenen Vater Laertes fertigstellen müsse, bevor sie eine neue Ehe eingehen könne. Während sie tagsüber an dem Leichentuch webt, trennt sie des Nachts die Fäden wieder auf, um Zeit zu gewinnen. Als der Betrug auffliegt, fordern die Freier sie auf, am nächsten Tag endgültig einen Ehemann zu wählen. In dieser Situation kehrt Odysseus verkleidet als Bettler zurück, gibt sich allerdings nicht zu erkennen. Penelope rät er, den Freier zu wählen, der in der Lage sei, den Bogen des Odysseus zu spannen. Als dies keinem gelingt, spannt er selbst den Bogen, tötet die Freier und offenbart sich seiner Frau als der lange verschollene Gatte. Auf Odysseus' Sohn Telemachos und das Eingreifen der Götter wird in Faurés Version verzichtet.

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Pénélope (Paula Murrihy) und Ulisse (Eric Laporte) erkennen einander nach 20 Jahren nicht wieder (links im Hintergrund: Euryclée (Joanna Motulewicz)).

Das Regie-Team um Corinna Tetzel interessiert sich vor allem für die Frage, was jahrelanges Warten auf einen geliebten Menschen mit einer Frau in der heutigen Zeit macht. So sieht Tetzel Pénélope als durchaus emanzipierte Frau, die sich in den 20 Jahren von Ulysses Abwesenheit von ihm merklich entfremdet hat. Als "starke" Frau trägt Pénélope einen schwarzen Hosenanzug, der sie mit der sie umgebenden Männerwelt in Form der fünf Freier auf eine gleichberechtigte Stufe stellt. Das Leichentuch, das sie für Ulisses Vater webt, trägt sie unter diesem Hosenanzug am eigenen Leib. Durch eine Hochzeit mit einem der Freier würde sie sich folglich gewissermaßen selbst begraben. Doch so weit will sie es nicht kommen lassen. Deshalb löst sie die ineinander verschlungenen Bänder des weißen Gewandes immer wieder auf. Wenn die Freier den Bogen von Ulisse spannen sollen, werden sie vorher von den Dienerinnen mit weißen Tüchern, die als Fäden des Leichentuchs interpretiert werden können, "umsponnen", was andeuten mag, dass sie nun selbst dem Tod geweiht sind. Der zu spannende Bogen existiert nur in der Fantasie. Stattdessen hält Pénélope einen Dolch in der Hand, den Ulisse in Richtung der Freier führt. So ist es scheinbar sie selbst, die sich mit Ulisses Hilfe der Freier entledigt. Der Beziehung zwischen Pénélope und Ulisse vertraut Tetzel am Ende nicht. So lässt sie das Ehepaar beim Schlussjubel der Musik in einiger Entfernung voneinander stehen.

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Ulisse (Eric Laporte, oben Mitte) will mit Eumée (Božidar Smiljanić) und den Hirten (Opernchor) Rache nehmen (vorne: Pénélope (Paula Murrihy)).

Das Bühnenbild von Rifail Ajdarpasic besteht aus mehreren Ebenen und ermöglicht eine räumliche Trennung zwischen den einzelnen Figuren. Die Bühne wird von einem riesigen Podest beherrscht, auf das aus dem Inneren zwei Treppen führen. Dieses Podest soll wohl den Palast darstellen, der mittlerweile durch die lange Anwesenheit der Freier ein wenig heruntergekommen wirkt. So befinden sich fünf alte rote Stühle und eine rostige Parabol-Antenne auf dem Podest, wobei nicht klar wird, welchen Sinn diese Antenne hat. Dahinter sieht man vereinzelte Bäume vor einer Leinwand, die mal ein Bild vom Podest projiziert, auf dem Pénélope einsam wartet, dann Pénélope und Ulisse in einer Umarmung zeigt, die nicht gerade von Zärtlichkeit zeugt. Vor dem Podest scheint der Strand zu liegen, den Pénélope immer wieder auf die Rückkehr ihres Gatten hoffend aufsucht. Wieso im zweiten Akt hier Flaschen aufgestellt sind, die mit weißen Rosen geschmückt sind, erschließt sich genauso wenig wie der Hirte, der die Rosen mit Pfeilen austauscht. Eindrucksvoll gelingt Pénélopes Auftritt am Strand im zweiten Akt, wenn ihr der als Bettler verkleidete Ulisse Gesellschaft leistet. Ulisse bleibt dabei auf dem Podest hinter einem Gaze-Vorhang stehen, wobei eine Projektion auf diesen Vorhang Pénélope vielleicht erahnen lässt, dass es sich bei dem Bettler um ihren Gatten handelt. Wenn es zur Prüfung mit dem Bogen kommt, wird das Podest in der Mitte geteilt und trennt die Freier von Pénélope und Ulisse. Die Freier werden zwar auf der linken Seite gemeuchelt, verschwinden aber noch relativ lebendig über die Treppe aus dem Palast.

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Pénélope (Paula Murrihy) und Ulisse (Eric Laporte, rechts) haben sich wiedergefunden (links: Eumée (Božidar Smiljanović)).

Musikalisch weist das Werk wunderbare Passagen auf, die bedauern lassen, dass die Oper so selten zu sehen ist. Faurés Musik hat einerseits leitmotivischen Charakter, was sie in die Nähe von Richard Wagner rückt, begeistert andererseits durch spätromantische Klangfülle und pendelt zwischen impressionistischer Farbigkeit und klassizistischer Schönheit. Dabei wird deutlich, dass Fauré ein erfahrener Liedkomponist ist, da er stets die Stimme in den Mittelpunkt stellt und niemals vom Orchester überdecken lässt. Joana Mallwitz lotet mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester diese Nuancen detailliert aus und lässt das Publikum in einen bewegenden Klangrausch eintauchen. Die Solisten lassen ebenfalls keine Wünsche offen. Paula Murrihy kehrt für die Titelpartie an ihre langjährige Wirkungsstätte nach Frankfurt zurück und setzt mit warmem Mezzosopran und intensivem Spiel Akzente. Murrihy gestaltet Pénélope als moderne Frau, die es durchaus mit den Freiern aufnehmen kann und für die der zurückgekehrte Ulisse ein Fremdkörper bleibt. Eric Laporte begeistert in der Partie des Ulisse mit leuchtendem Heldentenor und sauber ausgesungenen Höhen, die eine bewegende Leichtigkeit besitzen und zu keinem Zeitpunkt angestrengt klingen. Mit Murrihy gelingen ihm vor allem im zweiten Akt musikalisch großartige Momente. Darstellerisch macht auch er deutlich, dass er nicht weiß, wie er mit der Rückkehr nach 20 Jahren umgehen soll. Joanna Motulewicz stattet die Amme Euryclée mit dunkel gefärbtem Mezzosopran aus. Auch sie lässt sich von den Freiern nicht einschüchtern. Peter Marsh, Sebastian Geyer, Ralf Simon, Dietrich Volle und Danylo Matviienko überzeugen stimmlich und darstellerisch als unsympathische Freier mit aufdringlichem Spiel. Božidar Smiljanić punktet als alter Hirte Eumée mit dunklem Bass. Die Dienerinnen (Nina Tarandek, Angela Vallone, Bianca Andrew, Julia Moorman und Monika Buczkowska) und der gut disponierte Opernchor unter der Leitung von Markus Ehrmann runden den musikalischen Genuss überzeugend ab, so dass es am Ende verdienten Applaus für alle Beteiligten gibt, in den sich auch das Regie-Team einreiht.

FAZIT

Musikalisch hätte Faurés einzige Oper Pénélope einen festen Platz im Repertoire verdient. Es bleibt zu hoffen, dass weitere Bühnen der Oper Frankfurt folgen werden.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Joana Mallwitz

Inszenierung
Corinna Tetzel

Bühnenbild
Rifail Ajdarpasic

Kostüme
Raphaela Rose

Licht
Jan Hartmann

Video
Bibi Abel

Chor
Markus Ehmann

Dramaturgie
Stephanie Schulze

 

Frankfurter Opern- und
Museumsorchester

Chor der Oper Frankfurt


Solisten

*Premierenbesetzung

Pénélope
Paula Murrihy

Ulysse
Eric Laporte

Euryclée
Joanna Motulewicz

Eumée
Božidar Smiljanić

Antinous
Peter Marsh

Eurymaque
Sebastian Geyer

Léodès
Ralf Simon

Ctésippe
Dietrich Volle

Pisandre
Danylo Matviienko

Cléone
Nina Tarandek

Mélantho
Angela Vallone

Alkandre
Bianca Andrew

Phylo
Julia Moorman

Lydie
Monika Buczkowska

Eurynome
Julia Katharina Heße

Ein Hirte
Anna Sophia Beller /
*Luise Rahe

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







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