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Ein Geheimnis der Liebe gibt es hier nicht
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Barbara Aumüller Nur ein Kahn, ein kleines Holzboot, ist übrig geblieben von den Räumen und Landschaften, in denen sich die Handlung von Tristan und Isolde gemäß dem Libretto abspielt. Wobei der Kahn streng genommen nur in den Erzählungen der beiden Protagonisten erwähnt wird; darin ist der schwerverletzte Tristan einst zu Isolde gekommen, um sich gesundpflegen zu lassen. Man darf diesen Kahn, der in allen drei Akten als eines von nur wenigen konkreten Elementen im ansonsten abstrakten Bühnenbild wohl als Metapher für den Weg in den Tod auffassen. Seelen- statt Seelandschaften: Regisseurin Katharina Thoma löst die "Handlung" (als solche hat Wagner Tristan und Isolde bezeichnet) aus einem realistischen Rahmen und stellt sie in einen abgeschlossenen weißen Raum (Türen lassen sich öffnen und zeigen die Existenz einer Außenwelt an), der in einigen Metern Höhe sehr schick von einem Band aus vertikal ausgerichteten Leuchtstoffröhren umlaufen wird (Bühne: Johannes Leiacker). Lampe und Licht als Metapher greifen den Tag-Nacht-Antagonismus auf, werden aber überwiegend dekorativ genutzt (Lichtgestaltung: Olaf Winter). Dem weißen Raum steht als Farbkontrast eine schwarze Scheibe gegenüber, die im ersten Aufzug von der Decke hängt und als schwankende Spielfläche für Isolde dient (man erahnt die Seefahrt wie den auch im übertragenen Sinn schwankenden Boden), im zweiten Akt als mächtige (und drehbare) Wand auf der Bühne steht, die immerhin die Möglichkeit des Versteckens ebenso andeutet wie sie Nähe und Trennung verdeutlicht; im dritten Aufzug ist sie in viele Stücke zerbrochen, die sich wie Eisschollen auftürmen und Caspar David Friedrichs Gemälde Das Eismeer zitieren. Da schleicht sich ein bisschen Romantik durch die Hintertür ein. Aber nur ganz wenig. Überfahrt nach Kornwall (1. Akt): Isolde (rechts) und Brangäne mit allerlei Zaubertränken
Nun müsste man die unterkühlte Nüchternheit des Konzepts (das an sich weitaus überzeugender ist als diverse Luxusjachten und Frachtschiffe, auf denen man Isolde schon gesehen hat) durch eine ambitionierte und genaue Personenregie ausgleichen - die aber bleibt allzu pauschal und unverbindlich und kann nie die Dramatik der inneren Handlung szenisch umsetzen. Auch die Kostüme (Irina Bartels) stimmen nicht recht glücklich: Brangäne im langweiligen Business-Kostüm mit Rollköfferchen zeigt, dass es sich hier um moderne Menschen handelt, König Marke mit Fliege und Melone ist ein eleganter Geschäftsmann; Isolde zunächst im Königsmantel, im dritten Aufzug dann im weißen Hosenanzug - alles nicht falsch, aber beinahe schon wieder zu konkret. Tristan dagegen ist arg hemdsärmelig gezeichnet. Das alles lässt den Figuren weder Zauber noch Geheimnis. Soll es wohl auch nicht; Brangänes Koffer mit Todes-, Liebes- und weiteren Zaubertränken wird zur veritablen Hausbar mit vermutlich erlesenen irischen Whiskey-Sorten, und die tödliche Wunde erhält Tristan bei einer schnöden Messerstecherei. Zur Todessicherheit rammt er sich das Messer im dritten Aufzug vor Isoldes Ankunft noch einmal in den Bauch, damit ja niemand auf den Gedanken käme, man könne aus Liebe sterben. Das Psychogramm zweier depressiven Zeitgenossen ist letztlich aber nicht genau und nicht spannend genug, um über vier Stunden zu tragen: Dieser Tristan sieht immer irgendwie interessant aus, berührt aber fast nie. Warten auf das Verlöschen des Lichtes (2. Akt): Isolde (rechts) und Brangäne
Akustische Rauschzustände will auch Sebastian Weigele am Pult des insgesamt sehr guten, leider an einigen wenigen, aber prominenten Stellen unkonzentrierten Frankfurter Opern- und Museumsorchesters (etwa der allererste Akkord, der berühmte Tristan-Akkord, sollte weniger "klappern") nicht erzeugen. Die Interpretation ist schlank und stets kontrolliert, die Tempi meist zügig. Weigele hält die Musik immer im Fluss, etwa in Markes (bei Weigele stark vom Orchester her gedachten) Monolog, entwickelt die Musik mit großem Atem auch über Bruchstellen hinweg, so etwa bei Tristans Tod - nicht, dass die Zäsur unterschlagen wird, aber die Spannungsbögen reißen nie ab. Der Klang ist sehr genau durchgestaltet. Weigele lässt gerne die tiefen Streicher gesanglich aufblühen, formt die Details plastisch nach. Und er dirigiert ungemein sängerfreundlich, nimmt das Orchester fast immer zurück, und auch im Fortissimo bleibt der Klang kultiviert. Orchestral ergibt das einen symphonisch geprägten und eher "intellektuellen", gleichwohl nicht unromantischen Tristan, der recht gut mit der Szene korrespondiert. Die ausgedehnten Englischhorn-Soli, die "alte Weise", spielt Oboist Romain Curt bravourös auf der Bühne wie auch Matthias Kowalczyk das Trompetensignal, dieses auf einer (ventillosen) Holztrompete mit ganz eigenem Klang. Die "alte Weise": Tristan (links) lauscht dem Englischhorn. Oben hält Kurwenal Ausschau.
Wo die Szene viel Leerlauf zeigt und das Orchester eher reflektiert als entfesselt aufspielt, da läge es letztendlich an den Sängerdarstellern, die Leerstellen zu füllen - was in den beiden Hauptrollen aber nur in Teilen gelingt. Vincent Wolfsteiners Tenor hat für den Tristan die Höhe, das Durchhaltevermögen und kann mächtig aufdrehen (zwei-, dreimal muss man sich bei Spitzentönen trotzdem sorgen), wobei die recht hell timbrierte Stimme nicht allzu viele Farben besitzt und daher recht eindimensional klingt. Allzu oft setzt er auf Lautstärke, durchaus imposant, aber auf Kosten der Feinzeichnung. Dazu kommt die Angewohnheit, in manchen Phrasen jede Note zu akzentuieren, was den musikalischen Fluss empfindlich stört. Rachel Nicholls in der Partie der Isolde besitzt einen nicht zu großen, jugendlichen Sopran, für den die Partie vielleicht noch etwas früh kommt. Die Attacken des ersten Aufzugs bewältigt sie gleichwohl eindrucksvoll; im Liebestod (mit ein paar wackligen Tönen) forciert sie, und dann stört der vom Vokal abhängige wechselnde Klang. Anders als in der hier besprochenen zweiten Aufführung soll sie dem Vernehmen nach in der Premiere von Teilen des Publikums ausgebuht worden sein - an diesem Abend nicht recht nachvollziehbar, denn wenn sie auch (noch) keine wirklich große Isolde ist, so doch immerhin eine achtbare. Isoldes Liebestod
Tadellos sind die Nebenrollen besetzt: Claudia Mahnke ist eine klar fokussierte, präsente Brangäne, Christoph Pohl ein souveräner, stimmlich kultivierter Kurwenal. Mit leicht brüchigem, nicht zu kleinem und nie altväterlichem Bass singt Andreas Bauer Kanabas einen differenziert gestalteten, berührenden Marke. Sehr ordentlich sind Tianji Lin als Hirt und Michael Porter als junger Seemann, unauffällig Iain MacNeil als Melot.
Die Regie sieht eindrucksvoll aus, bleibt aber allzu unbestimmt; musikalisch ganz ordentlich - kein schlechter, allerdings auch kein wirklich guter Tristan. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne
Kostüme
Licht
Einstudierung Chor
Dramaturgie
Solisten
Tristan
Isolde
König Marke
Brangäne
Kurwenal
Melot
Ein Hirte
Ein junger Seemann
Ein Steuermann
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