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Musiktheater
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Kosmos Korngold

Der Ring des Polykrates

Heitere Oper in einem Akt
Libretto von Leo Feld und Julius Korngold nach dem gleichnamigen Schauspiel von Heinrich Teweles
Musik
von Erich Wolfgang Korngold

sowie weitere Kompositionen von Korngold:
Theme and Variations op. 42
Aus: Sechs einfache Lieder op. 9
Der Sturm (Text von Heinrich Heine)
Passover Psalm op. 30

in deutscher und teilweise englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus am 19. Januar 2020

 

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Theater Freiburg
(Homepage)

Korngold-Überraschungen

Von Christoph Wurzel / Fotos von Britt Schilling

"Korngold? - so, so..." Zu Beginn der Oper gibt es eine kleine humoristische Einlage. Einer der Darsteller schickt diese Bemerkung mit ironischem Unterton in Richtung Dirigentenpult. Dort steht Fabrice Ballon, der wohl tatsächlich ein Faible für den österreichisch-amerikanischen Komponisten hat. Seit 2010 brachte der Freiburger GMD nach Die tote Stadt und Das Wunder der Heliane mit Der Ring des Polykrates nun zum dritten Mal eine Oper von Korngold auf die Bühne. Auch in den Sinfonie- und Kammerkonzerten der laufenden Spielzeit finden sich mehrere Werke des Komponisten. In Freiburg hat Erich Wolfgang Korngold also wirklich einen Stellenwert.

Selbstverständlich ist das nicht, haftet doch Korngolds Musik immer noch der haut goût des Rückwärtsgewandten an. An der Wiener Staatsoper schon mit 13 Jahren (1910) als komponierendes Wunderkind mit einer Ballettmusik gestartet, von Mahler bewundert, in den zwanziger Jahren als einer der meist aufgeführten Komponisten  bereits zu ungeheurem Ruhm gekommen, ging seine Karriere ebenso rasch zur Neige, da er mit den aktuellen Trends seiner Zeit nicht Schritt hielt und ästhetisch der Spätromantik verhaftet blieb. Darüber war die aktuelle Wiener Moderne längst hinausgegangen. Bis ihn der Ruf nach Hollywood ereilte, dort Musik zu einem Film zu schreiben. Nach dem "Anschluss" seiner Heimat Österreich an Nazi-Deutschland wurde für den Juden Korngold aus diesem Arbeitsaufenthalt ein erzwungenes Exil - zugleich aber auch der Beginn einer zweiten höchst erfolgreichen Karriere als prägender Vertreter der amerikanischen Filmmusik, was ihm sogar mehrere Oscars eintrug. In Europa gelang Korngold nach dem Krieg kein Comeback mehr, seine Musik war dem vorherrschenden Intellektualismus der neuen Schulen völlig fremd und galt als anachronistisch. Erst seit etwa den 90ger Jahren setzte allmählich eine Renaissance seiner Werke ein. So eben auch am Freiburger Theater, das nun unter dem Titel "Kosmos Korngold" seinen Einakter Ring des Polykrates zusammen mit einigen Konzertstücken präsentierte.

Ein ganzer Kosmos wurde zwar an diesem Abend nicht eröffnet, aber doch einige Facetten im Schaffen Korngolds aufgefächert. Der erste Teil verband Konzertstücke des jugendlichen Komponisten mit ganz späten Werken  Korngolds, der während des Kriegs außer Filmmusik zum Broterwerb nichts anderes komponierte außer einem Auftragswerk für die jüdische Gemeinde von Los Angeles. Dieser Passover Psalm erklang ebenso wie Korngold letzte Komposition Theme and Variations von 1953. In diesen 7 Variationen über ein eigenes Thema im irischen Volksliedstil scheint noch einmal Korngolds Kunst zur filigraner Instrumentaion in reichen Klangfarben auf. In dem hymnischen Psalm auf Texte aus der Haggadah, in denen Gott als Beschützer und Befreier der jüdischen Volks gefeiert wird,  wuchert er dagegen mit üppigem Orchestersound. Auch in der Orchesterfantasie des Sechszehnjährigen Der Sturm auf einen Text aus Heines Buch der Lieder fahren Chor und Orchester zu dramatischer Hochform auf. Die aus dem Zyklus Sechs einfache Lieder ausgewählten vier Beispiele auf Texte u.a. von Eichendorff  zeigen Korngold als melancholisch lyrischen Komponisten, in Duktus und changierender Chromatik von Wagners Wesendonck-Liedern hörbar beeinflusst. Die Freiburger Sopranistin Irina Jae-Eun Park sang die Lieder ausdrucksvoll mit ausnehmend schöner Stimme und geschmeidigem Legato. Insgesamt spielte das Orchester unter Fabrice Ballon geschmacksicher auch in den zu überbordendem Pathos neigenden Passagen, ließ aber auch Korngolds Sentiment mit Distanz zu seinem Recht kommen.

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Ganz schrecklich glücklich: Laura und Wilhelm (Arminia Friebe und Jeff Gwaltney)

Nach der Pause wechselte das Orchester in den Graben und der Vorhang öffnete sich für den Geniestreich des jungen Korngold, seinen 1916 unter prominenter Beteiligung (Bruno Walter, Maria Ivogün und Karl Erb) uraufgeführten Einakter Der Ring des Polykrates, der Schillers gleichnamige Ballade ins Komödiantische wendet. Am Libretto wirkte Korngolds Vater mit, als Nachfolger des Wiener Kritikerpapstes Eduard Hanslick wohl weniger polemisch als dieser, stattdessen aber offenbar humorvoll. Denn der Text der kleinen Oper gibt einigen Witz her - und der ist in Freiburg auch glänzend herausgekommen.

Der gerade zum Hofkapellmeister beförderte Wilhelm Arndt wird gleichsam vom Glück verfolgt. Außer dem neuen Titel hat er reichlich geerbt und schwebt  mit seiner jungen Frau "in Jubilo und Gloria". So viel eitel Sonnenschein zieht natürlich den Neider an - in Gestalt von Wilhelms altem Freund Peter Vogel. Der nun wurde stets vom Pech verfolgt, am schlimmsten als Laura ihn einst nach kurzer Schwärmerei verschmähte. Das aber weiß natürlich Wilhelm nicht. Nun kommt die Ballade von Polykrates ins Spiel, der alles beherrscht und alles besitzt. Um angesichts solch großen Glücks das Schicksal nicht herauszufordern, rät ihm ein Freund dazu, die Götter mit einem Opfer gnädig zu stimmen. Polykrates wirft darauf seinen Ring ins Meer. Doch die Erinnyen verweigern das Opfer, der Ring taucht  wieder auf und der Gast wendet sich in der Gewissheit ab, dass die Götter Polykrates nicht länger günstig bleiben werden. Die Rolle dieses Gastes nimmt nun Vogel ein und fordert Wilhelm heuchlerisch zur Schicksalsprobe auf. Er solle seine Frau nach ihrem Vorleben fragen. Derartiges Misstrauen trübt zum ersten Mal das Eheglück, beide werden sich bewusst, dass ein Glücksgefühl auch Trug sein kann. Doch nimmt die Geschichte natürlich ein glückliches Ende: Lauras Schwärmerei für Peter wird verziehen, Wilhelms Misstrauen ebenfalls. Nicht nach hinten, sondern nach vorne zu schauen, sei die Basis des Glücks. Dem wird der intrigantische Freund Vogel zum Opfer gebracht und aus dem Haus gejagt. Im Dienerpaar Lieschen und Florian spiegelt sich die Handlung als verdoppelte Komödie.

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Sie haben das Eheglück noch vor sich: Zofe Lieschen (Irina Jae-Eun Park), Diener Florian (Roberto Gionfriddo).

Mit feinem Sinn für die Psychologie der Figuren hat Teresa Rotemberg diese Handlung mit leichter Hand inszeniert. Mit leiser Ironie stellt sie die falschen Rollenbilder der Protagonisten heraus, nimmt aber auch ernst, wenn sie unsanft aus ihren rosa Wolkenträumen fallen. Präzise sind die Figuren charakterisiert und spürbar mit Vergnügen spielen die Darsteller mit. Laura und Wilhelm in ihrer bürgerlichen Selbstbespiegelung und das Dienerpaar Lieschen und Florian in handfester Bodenständigkeit. Und wie Freund Peter sich vom tollpatschigen Pechvogel zum kleinen  Mephisto verwandelt, ist schon sehenswert. Auch als Sänger können alle fünf Darsteller überzeugen. Arminia Friebe als Laura lässt ihren jugendlichen Sopran herrlich strahlen, der Tenor Jeff Gwaltney gibt sich ganz dem lyrischen Schmelz seiner Partie hin. Beide geben ihr Debut am Freiburger Theater und empfehlen sich bestens für kommende Aufgaben. Die Rollen des Dienerpaares sind mit Irina Jae-Eun Park (Lieschen) und Roberto Gionfriddo (Florian) nicht minder geglückt besetzt. Michael Borth gibt dem heilsamen Störenfried Peter äußerst prägnat Statur. Das sparsam möblierte Ambiente, einige Notenpulte und ein paar Stühle wie bei einer Orchesterprobe, verstärkt noch die Konzentration auf die Personen und ihr Spiel.

Beeindruckend, wie stilsicher der 17jährige Komponist diesen Stoff bedient. Meist im leichten Parlando schnurren die Dialoge daher, dann wieder schwelgen die Liebenden in Wiener Walzerseligkeit. Düster verschattet Korngold die Musik, wenn es um problematische Fragen geht. Die zentralen Sentenzen bekommen ein schwärmerisches Arioso unterlegt. In Tonfall und melodischen Einfällen zeigt sich Korngolds Opernmusik bereits hier als ungemein unterhaltsam und tauglich für die Bühne. Unverständlich, dass dieses reizvolle Werk nicht häufiger zu sehen ist - vorausgesetzt es wird von seiner ursprünglichen Biederkeit entstaubt und so frisch und quicklebendig präsentiert wie hier. Fabrice Ballon hat mit seinem aufmerksamen Dirigat dem Werk ebenfalls den bestmöglichen Dienst geleistet.

FAZIT

Denkbar wäre statt der etwas ungewöhnlichen Kombination von Konzert und szenischer Oper an einem Abend auch die Koppelung dieses Einakters mit seinem tragischen Schwesterwerk der Münchner Uraufführung Violanta, auch aus Korngolds Feder, das es ebenfalls noch zu entdecken gilt. Der Ring des Polykrates ist jedenfalls am Premierenabend in Freiburg bestens angekommen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Fabrice Ballon

Inszenierung
Teresa Rotemberg

Licht
Dorothee Hoff

Dramaturgie
Annika Hertwig

Chor
Norbert Kleinschmidt

 

Philharmonisches
Orchester Freiburg

im konzertanten Teil:
Opern-, Extra- und Hochschulchor
des Theater Freiburg


Solisten

im konzertanten Teil:

Sopran
Irina Jae-Eun Park

in der Oper:

Wilhelm Arndt, Hofkapellmeister
Jeff Gwaltney

Laura
Arminia Friebe

Florian Döblinger
Roberto Gionfriddo

Lieschen
Irina Jae-Eun Park


Peter Vogel
Michael Borth

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Freiburg
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