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Frau Luna

Operette in zwei Akten
Libretto von Heinz Bolten-Baeckers, Textneufassung von Thomas Weber-Schallauer

Musik von Paul Lincke

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Premiere im Kleinen Haus im MiR am 5. Oktober 2019
(rezensierte Aufführung: 11.10.2019)

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Musiktheater im Revier
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Virtuelles intergalaktisches Abenteuer

Von Thomas Molke / Fotos:© Björn Hickmann

Paul Lincke gilt als Begründer der Berliner Operette, die Ende des 19. Jahrhunderts mit ihrer Mischung aus Posse, Burleske und Show-Revue einen Gegenentwurf zu dem süffisant-ironischen oder schwelgerisch-walzerseligen Stil ihrer Vorgänger in Paris und Wien bildete. Von seinen mehr als 20 Bühnenwerken kann Frau Luna als das Meisterstück bezeichnet werden, dessen berühmter Marsch "Das macht die Berliner Luft, Luft, Luft" zur inoffiziellen Hymne der Stadt Berlin avancierte und heute traditionell jeweils am Ende des Saisonabschlusskonzertes der Berliner Philharmoniker erklingt. Dabei war das Lied, das heute untrennbar mit diesem Werk verbunden ist, in der ersten Fassung noch gar nicht enthalten. Bei der Uraufführung am 1. Mai 1899 im Apollo-Theater Berlin bestand das Werk nur aus einem einzigen Akt mit vier Bildern. Erst der große Erfolg mit über 600 ausverkauften Vorstellungen führte dazu, dass die Operette in den folgenden Jahren durch zahlreiche Ergänzungen auf zwei Akte und elf Bilder ausgedehnt wurde. Neben der "Berliner Luft" kamen auch das "Glühwürmchen-Idyll" aus Linckes Operette Lysistrata (1902) und das Duett "Schenk mir doch ein kleines bisschen Liebe" erst später hinzu. Letzteres stammte wie die "Berliner Luft" aus der Ausstattungsburleske Berliner Luft, die auf ein Libretto von Benno Jacobson 1904 ihre Uraufführung erlebte, danach aber schnell wieder vom Spielplan verschwand. In Gelsenkirchen will man natürlich nicht auf die genannten Ohrwürmer verzichten und orientiert sich folglich an der Fassung, die 1922 im Apollo-Theater Berlin herauskam.

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Fritz Steppke (Sebastian Schiller, rechts) plant mit seinen Freunden Lämmermeier (Patricia Pallmer, links) und Pannecke (Joachim G. Maaß, Mitte) einen virtuellen Flug zum Mond.

Das Regie-Team um Thomas Weber-Schallauer überträgt die recht dünne Story um den Mechaniker Fritz Steppke, der in einem selbstgebauten Ballon mit seinen Freunden Lämmermeier und Pannecke zum Mond fliegt und dort ein intergalaktisches Abenteuer erlebt, bis ihn seine Verlobte Marie Pusebach wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt, in die Gegenwart, ohne dabei das Stück stark zu verbiegen. Steppke ist bei ihm ein Computerfreak, der, nachdem er einen kleinen Betrag geerbt hat, seinen Job als Programmierer hingeschmissen hat und in seinem Loft an einem virtuellen Flug durch das Weltall arbeitet. So sitzt er mit seinen beiden Freunden Lämmermeier und Pannecke mit VR-Brillen bei Dosenbier und Pizza auf seinem Sofa und verfolgt zur Ouvertüre eine beeindruckende Videoprojektion von Volker Köster, die das Publikum zu einer fantastischen Reise durch das Weltall einlädt. Da die bühnentechnischen Möglichkeiten im Kleinen Haus verhältnismäßig gering sind, bilden die Projektionen auch im weiteren Verlauf des Abends einen Großteil des Bühnenbildes und lassen den Zuschauer so in fantastische Welten eintauchen. Auch für das Orchester ist im Kleinen Haus nicht viel Platz, und so haben Henning Hagedorn und Matthias Grimminger, die sich seit mehreren Jahren mit einer authentischen Aufführungspraxis der Berliner Operette beschäftigen, ein spezielles Arrangement für 14 Instrumente entwickelt. Die kleinere Besetzung ermöglicht es, die Solisten ohne Verstärkung singen zu lassen und dabei eine recht hohe Textverständlichkeit zu erreichen.

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Frau Luna (Anke Sieloff, Mitte) lädt zur großen Mond-Party ein (von links: Prinz Sternschnuppe (Martin Homrich), Stella (Dongmin Lee), Theophil (Joachim G. Maaß), Lämmermeier (Patricia Pallmer), Frau Pusebach (Christa Platzer), Steppke (Sebastian Schiller), Mondgroom (Lina Hoffmann), Venus (Alfia Kamalova) und Mars (Vivien Lacomme) mit dem Chor und den Space-Cops).

Marie, die die Träumereien ihres Geliebten Fritz ähnlich skeptisch betrachtet wie ihre Tante Frau Pusebach, wird in einem dunkelblauen Anzug als Karrierefrau gezeichnet, die nicht wirklich zu dem leger gekleideten Steppke mit langen Haaren und Wollmütze passt. So verwundert es nicht, dass Steppke sich nach dem Absturz seines Computers in einen Traum verliert, in dem er mit seinen Freunden und Frau Pusebach im Schlepptau auf seinem Sofa ins All fliegt. Köster setzt dies auf dem Vorhang mit einer beeindruckenden Projektion um. Die Mondbewohner und ihre Gäste aus der Galaxie treten in fantasievollen hellen Kostümen auf, über die die Kostümbildnerin Yvonne Forster Gestelle gesetzt hat, die an Teile eines Reifrockes erinnern. Auch auf die Vermüllung des Weltraums wird angespielt. So tragen die Besucherinnen einen aus Pet-Flaschen gestalteten Kopfschmuck, und Venus tritt mit einem aus diversem Plastikmüll zusammengesetzten fantasievollen Hut. Frau Luna kommt in wechselnden Kostümen absolut "mondän" daher und bezaubert durch zahlreiche leuchtende Lämpchen auf ihren Kleidern. Wenn Prinz Sternschnuppe in seiner Sphärenblase anreist, bewegt er sich hinter einer riesigen bunten Projektion und scheint durch den Raum zu fliegen. Aus dieser fantastischen Welt wird Steppke schließlich von der von Sternschnuppe herbeigebrachten Marie herausgerissen, die ihn in die graue Realität zurückholt. Der intergalaktische Traum zerplatzt in einer Art Zerstörung des Kosmos, bevor Steppke in den Armen Maries wieder auf seinem Sofa in Pusebachs Loft erwacht und seinen Träumen abschwört. Ob man ihm das wirklich glaubt, bleibt offen.

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Prinz Sternschnuppe (Martin Homrich, rechts) will mit Theophils (Joachim G. Maaß, links) Hilfe Frau Lunas Herz erobern.

Während es Weber-Schallauer in der von ihm erstellten Textfassung gut gelingt, die Handlung in die Gegenwart zu übertragen, werfen einige kleinere Regie-Entscheidungen Fragen auf. Die Partien des Pannecke und Theophil sind mit Joachim G. Maaß doppelt besetzt. Zwar ist Maaß ein großartiger Sängerdarsteller, der sicherlich für beide Rollen prädestiniert ist, aber diese Doppelbesetzung führt dann bei der Ankunft auf dem Mond zu einigen szenischen Ungereimtheiten. Wenn Theophil die Erdbewohner auf dem Mond begrüßt, können natürlich nicht alle vier anwesend sein, auch wenn es im Text gesungen wird. Pannecke fliegt als entmaterialisiert in zwei Teilen in einer Videoprojektion im Hintergrund über die Bühne. In einer anderen Szene tritt er jedoch plötzlich wieder auf, um dann erneut in einer Videoprojektion zu verschwinden. Vielleicht soll damit betont werden, dass Frau Pusebachs Sehnen nach Theophil eigentlich nur ihr Traum vom Hausmeister Pannecke ist, aber schlüssig ist das alles nicht. Vielleicht hätte man hier doch einen weiteren Solisten einsetzen sollen. Unklar bleibt auch, wieso die Partie des Lämmermeier mit einer Sängerin aus dem Opernchor besetzt ist, auch wenn Patricia Pallmer den Schneidermeister mit sehr dunkler Stimme und gelungenem Berliner Dialekt spricht und mit großer Komik Stella und Venus sehr berührungsintensive Ratschläge in Sachen Kleidung gibt.

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Frau Luna (Anke Sieloff, Mitte) schenkt ihr Herz Steppke (Sebastian Schiller, Mitte) (im Hintergrund: Marie (Ava Gesell), auf der linken Seite von links: Prinz Sternschnuppe (Martin Homrich), Stella (Dongmin Lee), Theophil (Joachim G. Maaß), Lämmermeier (Patricia Pallmer), Frau Pusebach (Christa Platzer) und Chor, auf der rechten Seite von links: Mars (Vivien Lacomme), Venus (Alfia Kamalova) und Chor).

Auch das übrige Ensemble zeigt sich absolut spielfreudig und setzt die Geschichte mit großem Witz um. Da ist zunächst einmal Christa Platzer als Frau Pusebach zu nennen, die mit dieser Rolle zum Ende der Spielzeit ihren Abschied aus dem Ensemble des MiR feiert. Mit frecher Berliner Schnauze setzt sie die resolute Frau um und punktet bei ihrem sehnsuchtsvollen Lied "O Theophil, o Theophil", wenn sie von ihrem verflossenen Geliebten träumt. Mit großer Komik watschelt sie dann mit Taucherflossen und Brillen über den Mond, bevor sie von Theophil zunächst ein doch sehr gewagtes Outfit erhält und anschließend als "Jungfrau" in weitem durchsichtigem Rock auftritt. Maaß begeistert sowohl als Theophil als auch als Pannecke mit kräftigem Bass und komödiantischem Spiel. Dongmin Lee gibt eine sehr kühle Stella, die beim Sprechen verstärkt wird, was ihrer Stimme einen außerirdisch klingenden Hall verleiht. Lina Hoffmann glänzt als Mondgroom, der vor allem vom mitgebrachten Alkohol der Erdbewohner angetan ist, beim berühmten "Glühwürmchen"-Lied, bei dem Hoffmann von den gut disponierten Frauen des Gelsenkirchener Opernchors unter der Leitung von Alexander Eberle unterstützt wird. Anke Sieloff punktet als verführerische Frau Luna mit leuchtendem Sopran und großem Volumen in der Mittellage. Sebastian Schiller gibt einen leicht verträumten Fritz Steppke, der sich so recht nicht zwischen Frau Luna und seiner Geliebten Marie entscheiden kann, die von Ava Gesell mit hellem Sopran angelegt wird. Martin Homrich setzt als Prinz Sternschnuppe mit strahlendem Tenor Akzente. Alfia Kamalova und Vivien Lacomme runden das Ensemble als Venus und Mars überzeugend ab, so dass es für alle Beteiligten großen und verdienten Beifall gibt.

FAZIT

Diese Inszenierung dürfte sich zu einem Kassenschlager entwickeln. Schade ist, dass sie "nur" in Kleinen Haus gespielt wird, das ja eine viel geringere Platzkapazität als das Große Haus besitzt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Bernhard Stengel

Arrangements
Matthias Grimminger
Henning Hagedorn

Inszenierung
Thomas Weber-Schallauer

Choreographie
Bridget Petzold

Bühne
Christiane Rolland

Kostüme
Yvonne Forster

Licht
Stefan Meik

Video
Volker Köster

Chor
Alexander Eberle

Dramaturgie
Anna Chernomordik

 

Neue Philharmonie Westfalen

Opernchor des MiR

 

Solisten

Fritz Steppke
Sebastian Schiller

Pannecke / Theophil
Joachim G. Maaß

Lämmermeier
Patricia Pallmer

Frau Pusebach
Christa Platzer

Marie, ihre Nichte
Ava Gesell

Frau Luna
Anke Sieloff

Stella, Lunas Zofe
Dongmin Lee

Prinz Sternschnuppe
Martin Homrich

Mondgroom
Lina Hoffmann

Venus
Alfia Kamalova

Mars
Vivien Lacomme

Space-Cops
Pauline Dorra
Nele Koschany
Chiara Patronaggio
Connor Rittgen
Pia Rühland
Lara Schulte
Louisa Skowron

 

 


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