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La forza del destino
(Die Macht des Schicksals)


Oper in vier Akten
Text von Francesco Maria Piave und Antonio Ghislanzoni
Musik von Giuseppe Verdi



in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Musiktheater im Revier am 22. Februar 2020
(rezensierte Aufführung: 27.2.2020)


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Musiktheater im Revier
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Vor unsachgemäßem Schusswaffengebrauch wird gewarnt

Von Stefan Schmöe / Fotos von Monika und Karl Forster

Dumm gelaufen: Als Don Alvaro, auf der Flucht mit seiner angebeteten Leonora von deren Vater überrascht, zum Zeichen seiner Friedfertigkeit die Pistole ablegen will, löst sich ein Schuss und trifft den ehrwürdigen Marchese di Calatrava tödlich. Der verflucht im Sterben noch schnell Tochter und Liebhaber und ruft damit seinen Sohn Don Carlo di Varga auf den Plan, der fortan sein Lebensziel in der Rache an den beiden sieht. Dass sich die drei Hauptfiguren fortan wiederholt begegnen, ohne einander zu erkennen; dass Don Alvaro und Don Carlo sich sogar anfreunden, zuletzt das entscheidende Duell ausgerechnet vor der Eremitenklause stattfindet, in die sich Leonora zurückgezogen hat, gehört zu den absurden Zufällen, für die man eben eine "Macht des Schicksals" als Erklärung benötigt. Nun lag für Giuseppe Verdi die Wahrheit in den Emotionen und nicht in der äußeren Handlung, die vor allem die erforderlichen emotional zugespitzten Situationen zu liefern hatte. Dennoch macht es La forza del destino mit den absurd verworrenen Erzählsträngen Regisseuren wie Zuschauern im 20. Und 21. Jahrhundert schwer.

Szenenfoto kommt später

Klerikaler Kitsch zum Beginn der Oper: Leonora di vargas wird zur Madonna verklärt, dazu ertönt Musik von Monteverdi (!)

Regie führt Intendant Michael Schulz, und dem ist an einem historischen Bilderbogen nichts gelegen. Im Bühnenbild von Dirk Becker sitzt der Chor in weiten Teilen auf eigens errichteten Zuschauerrängen auf der Hinterbühne und begutachtet das Geschehen, teils aktiv eingreifend, teils wie der Chor der antiken Tragödie. Deshalb davon zu sprechen, Verdi habe hier Brechts "Episches Theater" vorweggenommen (so ungefähr steht's im Programmheft), scheint freilich reichlich vermessen, denn Verdis Ansatz war ganz sicher keiner der gezielten Desillusionierung - das ist dann doch eher ein Schulz-Effekt. Wenn er denn funktionieren würde. Schulz lässt im ansonsten leeren Bühnenraum mit schlichten Tischen schnell Anordnungen stellen, die auf die Unterschiedlichen Handlungsorte hindeuten, was durchaus zu einer Abstraktion führen könnte, die das Werk vom Ballast der Erzählung befreit. Aber mit den unsäglichen, im Wesentlichen heutigen Kostümen (Renée Listerdal) wird der Realismus sofort wieder hineingeholt.

Szenenfoto kommt später

Der Marchese di Calatrava (links) kam durch eine Verknüpfung unglücklicher Umstände zu Tode, sein Sohn Don Carlo (rechts) sieht in Scxhwester Leonora eine Mittäterin.

Teile der Oper spielen im Krieg, und da passt es natürlich irgendwie, einen ja immer richtigen Anti-Kriegs-Gestus einzubauen. Leider sieht es auch hier ziemlich albern (und gar nicht gefährlich) aus, wenn Soldaten die Bühne stürmen - einer von vielen Momenten, an denen die Inszenierung unfreiwillig zur Parodie wird, ja: manches könnte von der britischen Komiker-Gruppe Monty Python gestaltet sein, so verunglückt wirkt die durchaus ernst gemeinte Regie. Da wird der schwer verletzte Don Alvaro auf offener Bühne ziemlich realistisch operiert, von Soldaten in schmutzigen Uniformen, die immerhin noch schnell Handschuhe und Mundschutz überstreifen - kaum zu glauben, dass das alles ernst gemeint ist. Die Schauplätze seien "kaum realistisch, sondern sind ganz im romantischen Sinn Abbilder der Seele", schreibt Dramaturg Stefan Steinmetz im Programmheftchen. Um das zu zeigen, müsste das Regieteam aber eine passende (was auch bedeutet: weniger realistische) szenische Form finden, und das gelingt nur ganz selten - am besten wohl im Finale, wenn Leonora (eigentlich in ihrer Einsiedlerzelle) sich unter dem Tisch versteckt, auf dem sich Alvaro und Carlo duellieren wollen. Aber auch hier zerfasert die Regie sofort wieder, weil Schulz die Szene mit der Pistole, die sich versehentlich entlädt (mit erneut tödlichen Folgen), hier zitathaft wiederholt. Nur war sie bereits am Beginn der Oper unfreiwillig komisch. Jetzt wird sie zum "running gag" einer Opernparodie.

Szenenfoto kommt später

Großes apokalyptisches Kriegstheater ohne näheren Bezug zur Handlung

Ach ja, diese Pistole. Es hat ja beinahe etwas Anrührendes, wie Schulz an diesem Handlungsmoment festhält, sich der damit verbundenen Glaubwürdigkeitsproblematik stellt und diese ganz offensiv angeht: Er überhöht sie zum Leitmotiv für das Schicksal, und selbiges lässt er ganz real auftreten. Die junge Wahrsagerin Preziosilla wird zur Schicksalsgöttin, was optisch leider auch daneben geht, und es ist das szenisch wie musikalisch couragierte Auftreten von Sopranistin Almuth Herbst, die mit vokaler Attacke und Präsenz die verunglückte Szene irgendwie rettet. Das Regieteam verliert sich in den Bildwelten der 1920er-Jahre, man denkt an Otto Dix und George Grosz, an das Ballett Der grüne Tisch von Kurt Jooss. Nur geht es in La forza del destino gar nicht wirklich um den Krieg, der wird nur für die gängigen Opernstereotypen benötigt (Treue auf dem Schlachtfeld, Rettung aus Gefahr, Verwundung, Todesahnung usw.). So geht auch dieser Regieeinfall letztendlich ins Leere.

Dann ist da noch die Frage der "richtigen" Fassung, denn Verdi hat die Oper mehrfach umgearbeitet. Schulz baut sich daraus seine eigene Fassung, stellt Szenen um, wobei letztendlich der Eindruck einer ziemlich beliebigen, jedenfalls mehr der szenischen als der musikalischen Dramaturgie förderlichen Aneinanderreihung entsteht. Um den Kriegsszenen mehr Gewicht zu verleihen, baut er das Dies irae aus Verdis Requiem ein, was fulminant gesungen und gespielt wird, aber stilistisch ein Fremdkörper bleibt - auch weil Dirigent Giuliano Betta die Oper im wesentlichen lyrisch angeht (und die Neue Philharmonie Westfalen spielt auch sehr schön), dabei aber vieles an Dramatik und Spannung schuldig bleibt. Und Neben Verdi kann man auch Monteverdi hören, den durch Verkürzungen ziemlich verunstalteten Beginn der Marienvesper und später die Psalmvertonung Nisi dominus aus demselben Werk. Der bei Verdi gute Chor des Musiktheater im Revier singt Monteverdi zwar mit barockem Stilwillen und Leichtigkeit, aber allzu großem Vibrato. Aber unabhängig davon wirken diese Einlagen bemüht konstruiert nach höherer Regisseurenwillkür ohne tatsächliche Notwendigkeit. Halt noch so ein Einfall, der nach tieferer Bedeutung aussehen soll, aber nicht wirklich zündet.

Szenenfoto kommt später

Das Duell: Don Carlo und Don Alvaro werden allerdings nicht aktiv aufeinander schießen, denn gefährlich werden Schusswaffen in dieser Inszenierung nur bei unsachgemäßem Gebrauch.

Gesungen wird recht ordentlich. Der Stimme von Petra Schmidt hat für die Leonora sicher ihre Grenzen, ein Pianissimo in hoher Lage spricht nicht mehr richtig an, manches bleibt matt, aber trotzdem gelingt mit dem in vielen Momenten intensiv leuchtenden Sopran und einer klugen Ausgestaltung ein eindrucksvolles Rollenportrait. Timothy Richards gibt dem Don Alvaro tenorale Standfestigkeit, sicher und unangestrengt in der Höhe. In der hier besprochenen zweiten Aufführung sprang kurzfristig Brian Davis als Don Carlo di Vargas für den erkrankten Bastiaan Everink ein, durch und durch souverän. Michael Heine singt sehr ordentlich den Marchese di Calatrava und später den Klostervorsteher Padre Guardiano (der zum Ersatzvater für Leonora wird). Piotr Prochera ist ein recht ordentlicher Frau Melitone, wobei die Figur szenisch kaumm Profil erhält.


FAZIT

Gut gemeint ist hier das berüchtigte Gegenteil von gut gemacht: Michael Schulz möchte La forza del destino für das 21. Jahrhundert retten, aber das wirre Kostümspektakel gerät unfreiwillig zur comedynahen Opernparodie. Den recht ordentlichen Sängern (und dem Publikum) täte ein feurigeres Dirigat gut.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Giuliano Betta

Inszenierung
Michael Schulz

Bühne
Dirk Becker

Kostüme
Renée Listerdal

Licht
Patrick Fuchs

Chor
Alexander Eberle

Dramaturgie
Stefan Steinmetz



Chor des Musiktheater im Revier

Neue Philharmonie Westfalen


Solisten

Il Marchese di Calatrava /
Padre Guardiano
Luciano Batinic /
* Michael Heine

Leonora di Vargas
Petra Schmidt

Don Carlo di Varga
Bastiann Everink /
* Brian Davis a.G.

Don Alvaro
Timothy Richards

Preziosilla
Almuth Herbst

Fra Melitone
Urban Malmberg /
*Piotr Prochera

Curra
Rina Hirayama

Mastro Trabuco
Khanyiso Gwenxane

Un alcade / Un chirurgo
John Lim



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