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Musiktheater
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Orlando paladino

Oper in drei Akten
Libretto von Nunziato Porta nach einem Libretto von Carlo Francesco Badini

Musik Joseph Haydn

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Übernahme vom Opernhaus Zürich

Premiere im Großen Haus im MiR am 19. Januar 2020
(rezensierte Aufführung: 26.01.2020)

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Musiktheater im Revier
(Homepage)

Spiel mit Doppelgängern

Von Thomas Molke / Fotos:© Karl und Monika Forster

Joseph Haydn ist zwar mit seinen zahlreichen Orchesterwerken sowie den beiden Oratorien Die Schöpfung und Die Jahreszeiten im Konzertrepertoire kein Unbekannter. Sein Opernschaffen fristet jedoch auf den Bühnen ein Schattendasein und wird von Wolfgang Amadeus Mozart überstrahlt. Dabei bewies Haydn auch in diesem Bereich große Experimentierfreude, indem er Gattungsgrenzen überschritt und heitere Themen mit ernsten, heroische Elemente mit pastoralen kombinierte, so dass der berühmte österreichische Dirigent und Musikschriftsteller Nikolaus Harnoncourt ihn einmal als den "witzigsten Komponisten der Wiener Klassik" bezeichnete. Dafür boten Haydn die kompositorischen Möglichkeiten auf Schloss Esterháza aber auch hervorragende Möglichkeiten, da er dort relativ frei experimentieren und sich als fest angestellter Operndirektor des Wohlwollens seines Mäzens, des Fürsten Esterházy, relativ sicher sein konnte. Zu seinen erfolgreichsten Opern zählt das Dramma eroicomico Orlando paladino, das ursprünglich für den Besuch eines russischen Großfürsten gedacht war und eine umjubelte Uraufführung am Namenstag des Fürsten Esterházy erlebte. Vor zwei Spielzeiten war das Stück innerhalb weniger Monate nicht nur als zweite Premiere im Rahmen der Münchner Opernfestspiele (siehe auch unsere Rezension), sondern auch am Theater Bielefeld (siehe auch unsere Rezension) und in einer deutschen Übersetzung am Theater Hagen unter dem Titel Ritter Roland zu erleben (siehe auch unsere Rezension). Das Musiktheater im Revier hat nun eine Produktion aus Zürich übernommen, die im Mai 2016 am Theater Winterthur herausgekommen ist.

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Angelica (Penny Sofroniadou, rechts) sucht Schutz bei der Zauberin Alcina (Lina Hoffmann, Mitte).

Die Handlung geht zurück auf das berühmte Versepos Orlando furioso von Ludovico Ariosto aus dem 16. Jahrhundert, das mit seinen insgesamt 46 Gesängen als Vorlage für zahlreiche Opern diente, unter anderem auch für Händels Orlando, der in einer konzertanten Aufführung in der Philharmonie Essen zeitgleich mit der Premiere in Gelsenkirchen aufgeführt wurde. Erzählt wird die Geschichte des Kreuzritters Orlando (Roland), der sich in die schöne Königin von Katai (China), Angelica, verliebt hat. Diese ist jedoch mit Medoro liiert, was Orlando in die Raserei treibt und zum "Orlando furioso" (rasenden Roland) macht. Auf der Flucht vor ihm bitten Angelica und Medoro die Zauberin Alcina um Hilfe. Unterstützung scheint zunächst in Gestalt des Barbarenkönigs Rodomonte zu kommen, der sich mit Orlando duellieren will und dabei wohl selbst ein Interesse an der schönen Prinzessin hat. Alcina versucht, Orlando immer wieder zu bändigen, indem sie ihn zunächst in einen Käfig sperrt und später in einen Stein verwandelt. Doch Orlandos Wahnsinn ist nicht zu bremsen, und so lässt er Angelica keine Ruhe. Schließlich führt Alcina Orlando zum Eingang der Unterwelt, wo der Fährmann Caronte ihn mit dem Wasser aus dem Fluss des Vergessens von seinem Wahnsinn heilt. Orlando kann sich erneut seinen Aufgaben als Kreuzritter widmen. Angelica ist nun glücklich mit Medoro vereint, und Orlandos Knappe Pasquale gewinnt das Herz der Schäferin Eurilla.

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Pasquale (Tobias Glagau) flirtet mit Eurilla (Dongmin Lee).

Das Regie-Team um Jetske Mijnssen interessiert sich weder für die überirdischen Elemente der Oper noch für etwaige Kreuzritterromantik, sondern siedelt das Stück in der Gegenwart in einer Kneipe an, oder besser gesagt in einem englischen Pub. Über der Tür des in dunklem Holz gehaltenen Raumes (Bühnenbild: Ben Baur) prangt ein Schild mit dem Spruch "Tonight's Folly is Tomorrow's Regret", was mit leichtem Augenzwinkern unter anderem vor den Folgen übermäßigen Alkoholkonsums warnt. In der Mitte der Bühne befindet sich ein kleines Podest, das von vier hohen braunen Säulen eingerahmt wird und eine Kleinkunstbühne mit erhöhter Decke darstellt. Wieso Orlando hier als ein Rockstar auftreten soll, versteht man genauso wenig wie Alcinas esoterisches Gehabe, mit dem sie Angelica auf diesem Podest im ersten Akt die Karten legt. Eurilla und ihr Vater Licone betreiben diese Kneipe, wobei man nicht weiß, was Angelica als prämierte Schönheitskönigin und ihr Medoro, mit dem sie immer wieder in Streit gerät, hier eigentlich wollen. Da passt Rodomonte als ständig herumpöbelnder Gast schon besser in dieses Ambiente.

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Orlando (Martin Homrich) verfällt dem Wahnsinn.

Noch unverständlicher ist das Spiel mit den Doppelgängern, die Mijnssen in ihre Inszenierung einbaut. So hat jede Figur mit Ausnahme des Fährmanns Caronte, ein Double, das laut Programmheft eine Konfrontation mit "den eigenen Sehnsüchten" darstellen soll. Inwiefern sich Angelica allerdings als viel beschäftigte Mutter sieht, die ihrem Mann Medoro die Betreuung des Nachwuchses überlässt, bleibt dabei genauso unverständlich, wie die Tatsache, dass im zweiten Akt nach der Pause die Seiten des Bühnenbildes gespiegelt sind und die Figuren im gleichen Kostüm in einer anderen Farbe auftreten. Dass dann auch noch zum dritten Akt auf offener Bühne die Seiten erneut gewechselt werden und die Figuren wieder in den Kostümen des Anfangs auftreten, um einen gewissen Kreislauf anzudeuten, macht nicht wirklich Sinn. Die drei Doubles Eurillas scheinen auch eher der machohaften Sehnsucht des sie begehrenden Pasquale entsprungen zu sein, wenn er sich genüsslich von ihnen verführen lässt. Während die Double in der gleichen Farbe auftreten und zumindest eine gewisse Ähnlichkeit zur Figur erkennen lassen, ist es bei der Titelfigur weniger der Fall. Zwar hat Orlandos Double ebenfalls feuerrote Haare, aber die unterschiedlichen Farben des Anzugs lassen ihn als Doppelgänger nur erahnen. Caronte kommt zwar aus dem Bühnenboden, hat als Putzmann mit dem Fährmann der Unterwelt allerdings wenig gemein. Unklar bleibt auch das Ende, wenn Angelica plötzlich mit Orlando anbandelt. Das Liebeskarussell dreht sich weiter, aber wieso? Das sieht Haydns Orlando paladino gar nicht vor.

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Stillstand: Was soll man tun? von links: Angelica (Penny Sofroniadou), Medoro (Khanyiso Gwenxane), Orlando (Martin Homrich), Licone (Benjamin Hoffmann), Pasquale (Tobias Glagau), Rodomonte (Petro Ostapenko), Alcina (Lina Hoffmann) und Eurilla (Dongmin Lee)

Immerhin bietet die musikalische Umsetzung Entschädigung für das eine oder andere Ärgernis oder die Langeweile, die die Inszenierung hervorruft. Für komische Momente sorgt vor allem Tobias Glagau als Orlandos Knappe Pasquale, dessen großartige Buffo-Arien ihn wie einen Vorläufer von Mozarts Leporello erscheinen lassen. Seine Arie "Ho viaggiato", in der Pasquale aufzählt, welche Orte er mit seinem Herrn schon alles bereist hat, mag für die berühmte Register-Arie aus Mozarts Don Giovanni Pate gestanden haben. Auch die "Orchester-Arie" "Ecco spiano", in der er Eurilla verführt und auf ihr wie auf diversen Instrumenten spielt, stellt musikalisch einen Höhepunkt der Oper dar. Leider verpufft die Arie szenisch, da Glagau sich dabei mit seinem Double beschäftigen muss. Dongmin Lee gestaltet die Partie der Eurilla mit lieblichem Sopran und setzt die hohen Töne sehr zart an. Petro Ostapenko punktet als Orlandos Gegenspieler Rodomonte mit kräftigem Bariton und zeichnet den etwas einfach gestrickten Kämpfer recht grobschlächtig. Lina Hoffmann legt die Zauberin Alcina mit sattem Mezzo und sehr esoterischem Spiel an. Als Zauberin scheint sie in dieser Inszenierung überhaupt keinen Einfluss zu haben, auch wenn sie zu Beginn mit ihren Karten einen Donner mit Lichtwechsel auslösen darf. Khanyiso Gwenxane verfügt als Medoro über einen weichen Tenor, der die Angst des jungen Mannes vor dem Rivalen und dem Verlust der Geliebten überzeugend zum Ausdruck bringt. Penny Sofroniadou stattet die Angelica mit einem runden Sopran und leuchtenden Höhen aus. Die halsbrecherischen Koloraturen gelingen ihr sehr sauber und bringen ihre ständige Sorge um ihren Geliebten Medoro glaubhaft zum Ausdruck. Bewegend gelingt auch ihr Selbstmordversuch im zweiten Akt, den Medoro zu verhindern weiß.

Die Titelpartie ist mit Martin Homrich stimmgewaltig besetzt. Mit kräftigem Tenor und sauber ausgesungenen Höhen durchlebt er die unterschiedlichen Stadien von Orlandos Wahnsinn. Wieso er allerdings in der Kneipe als Rockstar angekündigt wird, bleibt ein Rätsel. Soll das der Grund sein, wieso sich Angelica ihm doch schließlich zuwendet und ihren Medoro verlässt? Werner Erhardt arbeitet mit der Neuen Philharmonie Westfalen den frischen Klang von Haydns Partitur sauber heraus. Dass der Applaus am Ende der Aufführung dennoch nicht gerade frenetisch ausfällt, ist weniger dem Ensemble auf der Bühne als vielmehr der fragwürdigen Regie anzulasten, die das Stück einer gewissen Langatmigkeit aussetzt.

FAZIT

Die Inszenierung wirft einige Fragen auf und wirkt ein wenig langatmig. Leider kann die gute musikalische Umsetzung darüber nur bedingt hinwegtrösten.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Werner Ehrhardt

Inszenierung
Jetske Mijnssen

Szenische Einstudierung
Claudia Isabel Martin

Bühne
Ben Baur

Kostüme
Joki Tewes
Jana Findeklee

Lichtdesign
Hans-Rudolf Kunz

Lichteinrichtung
Stefan Meik

Dramaturgie
Fabio Dietsche
Olaf Roth

 

Neue Philharmonie Westfalen

Hammerklavier
Martín Sotelo

Statisterie des MiR

 

Solisten

*rezensierte Aufführung

Angelica
Penny Sofroniadou

Rodomonte
Petro Ostapenko

Orlando
Martin Homrich

Medoro
Khanyiso Gwenxane

Pasquale
Tobias Glagau

Eurilla
Dongmin Lee

Licone
Benjamin Hoffmann

Alcina
*Lina Hoffmann /
Anke Sieloff

Caronte
Gerard Farreras

Statisterie-Doubles

Angelica
Theodora Hondromatidis

Alcina
Kathrin Wöste

Eurilla
Clara Schönberner
Katrin Bewer
Kathrin Wöste

Pasquale
Gianluca Bruno

Medoro
Peter Ekemba

Orlando
Dirk Turon

Rodomonte
Thomas Wöste


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Da capo al Fine

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