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Der Graf von Luxemburg

Operette in drei Akten
Libretto von Alfred Maria Willner, Robert Bodanzky und Leo Stein
Musik von Franz Lehár

in deutscher Sprache mit Übertiteln (Gesangstexte)

Aufführungsdauer: ca. 2h 15' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 26. Oktober 2019


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Operettenseligkeit in Hochgeschwindigkeit

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Nachdem Franz Lehár mit seiner Operette Die lustige Witwe 1905 der Durchbruch gelungen war, festigte er vier Jahre später mit dem Grafen von Luxemburg nicht nur endgültig seine Position im Wiener Operettenleben und wurde zum meistgespielten Komponisten seiner Zeit, sondern läutete auch die Geburtsstunde der so genannten Salonoperette ein, in der dem eigentlichen Hauptpaar ein Buffo-Paar als Tanzpaar mit durchweg modernen Musiknummern gegenübergestellt wird. Damit löste auch die Ära der "silbernen Operette" die Zeit der "goldenen Operette" ab, deren berühmte Vertreter Johann Strauß, Carl Millöcker und Franz von Suppé Ende des 19. Jahrhunderts verstorben waren. Innerhalb von nur drei Monaten brachte Lehár in der Saison 1909/10 drei Operetten an unterschiedlichen Wiener Theatern zur Uraufführung. Der Graf von Luxemburg für das Theater an der Wien soll dabei innerhalb von nur drei Wochen entstanden sein. Grundlage war das letzte Bühnenwerk von Johann Strauß, Göttin der Vernunft, das nach nur wenigen Vorstellungen 1897 sang- und klanglos vom Spielplan verschwunden war. Das Libretto wurde komplett umgearbeitet, so dass nur wenige Grundzüge der Handlung wie beispielsweise der Schauplatz Paris übrig blieben. Das Werk wurde ein riesiger Erfolg und schon bald an zahlreichen europäischen Theatern nachgespielt. 1912 kam Der Graf von Luxemburg sogar in einer englischen Übersetzung am Broadway heraus. 1937 schuf Lehár eine zweite Fassung, in der er auch ein Couplet für die Gräfin Kokozowa einfügte, das sich schnell zu einem weiteren musikalischen Höhepunkt des Werkes entwickelte.

Erzählt wird die Geschichte des Grafen René, der zwar mittellos aber voller Freude mit seinen Künstlerfreunden in Paris in den Tag hineinlebt. Von dem wohlhabenden Fürsten Basil Basilowitsch bekommt er ein verlockendes Angebot. Der Fürst ist nämlich unsterblich in die berühmte Operndiva Angèle Didier verliebt, kann sie allerdings aus Standesgründen nicht heiraten, da sie eine Bürgerliche ist. Durch eine Scheinhochzeit mit René soll sie nun einen Adelstitel erhalten, um nach einer Scheidung nach drei Monaten den Fürsten heiraten zu können. Basil bietet René dafür 500.000 Francs, stellt allerdings einige Bedingungen. René darf seine zukünftige Braut nicht sehen und auch nicht ihren Namen erfahren. Bis zur Scheidung darf er sich auch nicht unter seinem Namen in Paris aufhalten oder zeigen. Am Abend vor der Scheidung lernt René als Baron Reval Angèle bei ihrer Abschiedsvorstellung an der Pariser Oper kennen und verliebt sich sofort unsterblich in sie. Auch Angèle fühlt sich zu ihm hingezogen. Basil führt einen Eklat herbei, indem er den Baron als Grafen von Luxemburg enttarnt. Nach gegenseitigen Vorwürfen finden Angèle und René aber schließlich doch noch zusammen, zumal Basil seine Heiratsabsichten wegen der plötzlich auftauchenden Gräfin Stasa Kokozowa, der er bereits vor vielen Jahren ein Eheversprechen gegeben hat, nicht einhalten kann.

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"Was ist das für 'ne Zeit, liebe Leute?" Gräfin Stasa Kokozowa (Marilyn Bennett mit dem Ballett Hagen)

Bedenkt man, dass das Stück normalerweise eine Länge von knapp drei Stunden inklusive Pause hat, ist man überrascht, dass das Programmheft nur von einer Dauer von zweieinviertel Stunden spricht. In der Tat hat das Regie-Team um Roland Hüve die Handlung ein wenig gestrafft und die Dialoge nicht nur umgeschrieben, sondern auch gekürzt. Aber das ist es nicht allein. Musikalisch will man das Stück wohl von dem Lehár häufig vorgeworfenen "triefenden Kitsch" befreien und gibt den Melodien mit enormer Geschwindigkeit einen modernen Anstrich, an den man sich erst einmal gewöhnen muss. Schlecht klingt es nicht und entspricht auch vielleicht dem, was man sich unter einer "Salonoperette" vorstellt. Trotzdem hat man bei einigen Nummern den Eindruck, man würde in einem Intercity-Express an den Melodien vorbeirasen. Das "Bummeln durchs Leben" wird dann eher ein "Rennen", was unserer heutigen doch recht hektischen und schnelllebigen Zeit durchaus entspricht und vielleicht auch gerade jüngere Menschen für Lehárs Musik begeistern könnte. Bei einem Lied geht dieser Ansatz allerdings definitiv nicht auf: Stasa Kokozowas Couplet "Alles mit Ruhe genießen" funktioniert nur mit getragener Langsamkeit. Kammersängerin Marilyn Bennett ist mit ihrer überbordenden Bühnenpräsenz zwar eine herrlich exaltierte alte russische Gräfin, die mit einer kleinen Anekdote auch ihren nicht zu verleugnenden amerikanischen Dialekt im Stück rechtfertigt und betont, dass ihr alles auf der Bühne zu schnell gehe. Aber eigentlich ist sie für die gesetzte Gräfin dann doch ein bisschen zu quirlig, so dass man ihr den gesungenen Text nicht wirklich abnimmt. Dennoch begeistert sie in ihrem leider recht kurzen Auftritt im dritten Akt mit wunderbar komödiantischem Spiel.

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Rendezvous im Mond: René (Kenneth Mattice) und Angèle (Angela Davis)

Siegfried E. Mayer hat für die drei Akte ansprechende Bühnenbilder entworfen und fängt auch mit den Kostümen das Paris des beginnenden 20. Jahrhunderts überzeugend ein. Nicht ganz klar wird, wieso der Graf zum Beginn des ersten Aktes als "Mann im Mond" gezeigt wird, der vom karnevalesken Treiben in den Pariser Gassen aus seiner Melancholie geholt wird. Ein Bild des Eiffelturms bei Nacht verwandelt sich blitzschnell in eine Staffelei in Armand Brissards Künstlermansarde, für die aus dem Schnürboden ein schräges Dach herabgelassen wird, so dass man wirklich den Eindruck hat, der Maler lebe in einer Dachwohnung im Pariser Künstlerviertel. Den zweiten Akt lässt Hüve auf der Bühne der Pariser Oper spielen. Angela Davis singt als Angèle Didier noch die letzten Takte der Tosca, bevor im Bühnenhintergrund der Vorhang fällt. Der Mond aus dem ersten Akt wird wieder aufgegriffen, nun allerdings im vollen Rund. Wenn Angèle und René beschließen, die letzte Nacht vor ihrer Scheidung gemeinsam zu verbringen, nehmen sie in der kreisrunden Mondscheibe Platz und werden in den "Himmel der Liebe" emporgezogen. Das Hotel im dritten Akt wird dann durch einige Türen auf der rechten Seite und eine Portier-Loge auf der linken Seite angedeutet.

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"Sie geht links, er geht rechts": Hochzeit hinter der Staffelei: Angèle (Angela Davis) und der Graf von Luxemburg (Kenneth Mattice)

Die Partie der Operndiva Angèle Didier ist mit Angela Davis großartig besetzt. Davis begeistert mit kraftvollem Sopran, der in den Höhen große Durchschlagskraft besitzt, was sie auch in den Schlusstönen aus Puccinis Tosca unter Beweis stellen kann. Ein musikalischer Glanzpunkt ist ihre Auftrittsarie "Unbekannt, deshalb nicht minder interessant ist mir der heil'ge Ehestand", in der sie ihre Motivation für die geplante Hochzeit mit Basil erklärt. Wieso Hüve hier René auf die Bühne laufen und ihrem Gesang lauschen lässt, wird jedoch nicht ganz klar. So wird es schwer nachvollziehbar, dass die beiden sich nicht schon vor der Trauung sehen sollen. Gut hingegen ist der Einfall, Angèles Arie im zweiten Akt zu unterbrechen und erst die Gäste zum Büffet gehen zu lassen, bevor sich Angèle ihrer Faszination für den in der Loge erblickten Unbekannten mit "Soll ich, soll ich nicht" hingibt. Auch in den Duetten mit dem Grafen glänzt Davis mit leuchtendem Sopran. Dass die Partie des Grafen nicht mit einem Tenor sondern mit einem Bariton besetzt ist, hat man nicht zuletzt auch an der Deutschen Oper am Rhein erlebt, wo Bo Skovhus die Partie des Grafen in der letzten Spielzeit interpretierte. Kenneth Mattice verfügt in der Mittellage über kräftiges Volumen, stößt aber in den Höhen stellenweise an seine Grenzen. Optisch und darstellerisch mimt er einen überzeugend lebenslustigen Bonvivant, dem man das "Liri, liri, lari" genauso abnimmt wie seine Verzweiflung im zweiten Akt, wenn er erkennt, dass er sich in die schöne Unbekannte verliebt hat, von der er sich am nächsten Tag scheiden lassen muss, um sein Ehrenwort einzuhalten. In den Duetten verströmen Davis und Mattice betörend schöne Operettenseligkeit, wenn sie auf unterschiedlichen Seiten eines Paravents vermählt werden und dabei "Sie geht links, er geht rechts" als Credo ihrer zukünftigen Ehe manifestieren oder in dem verträumten "Bist du's lachendes Glück" erstmals zueinander finden, nur eben musikalisch ein bisschen schneller, als man es sonst gewohnt ist.

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Basil Basilowitsch (Oliver Weidinger, links) mit Juliette (Cristina Piccardi) und Armand (Richard van Gemert)

Ein weiterer Star des Abends ist Oliver Weidinger als Fürst Basil Basilowitsch. Mit großem Spielwitz zeigt er sich als ältlicher Verehrer der viel jüngeren Angèle, wenn er seine Auftrittsarie "Ich bin verliebt" präsentiert. Seine angesetzten Monologe auf der Opernbühne im zweiten Akt zeugen ebenfalls von großem komischem Talent. Wenn er das Tanzbein mit Angèle und im dritten Akt mit Armand und Juliette schwingt, zeigt er sich darstellerisch sehr beweglich. Auch als "Polkatänzer" und beim "Knöps-chen" im zweiten Akt erntet Weidinger für seine komödiantische Darbietung verdienten Zwischenapplaus. Cristina Piccardi legt die Partie der Juliette recht charmant an, für eine echte Soubrette fehlt ihr allerdings ein bisschen die Leichtigkeit im Spiel. Warum sie mit einem Mikroport verstärkt ist, bleibt unklar, weil ihr leuchtender Sopran problemlos über das Orchester kommt. Richard van Gemert scheint als Armand ein wenig erkältet zu sein, was sich in einer leichten Heiserkeit äußert. In der Personenregie hat man das Buffo-Paar schon frischer erlebt. Hüve scheint im Gegensatz zu den anderen Figuren zu Juliette und Armand nicht allzu viel einzufallen. So plätschert ihre Beziehung eher belanglos neben der eigentlich Operettenhandlung her. Der von Wolfgang Müller-Salow einstudierte Chor überzeugt durch große Spielfreude auch in kleineren solistischen Partien. So kann beispielsweise Dirk Achille sein komödiantisches Talent als sehr gesprächiger Standesbeamter Pélégrin wunderbar ausspielen. Rodrigo Tomillo gibt mit dem Philharmonischen Orchester Hagen Lehárs Partitur einen sehr frischen Anstrich, der dem Stück nicht schlecht bekommt. So gibt es verdienten Beifall für alle Beteiligten. Völlig unverständlich bleibt nur, wieso bei einem Kassenschlager wie dieser Operette in der Premiere so viele Plätze frei bleiben. Liegt es am Ende der Herbstferien oder dem spätsommerlichen Wetter? Es bleibt zu hoffen, dass die Folgeaufführungen besser besucht sind.

FAZIT

Musikalisch kommt die Produktion sehr flott und frisch daher, auch wenn man sich an das Tempo bei einigen bekannten Nummern erst gewöhnen muss. Szenisch bietet der Aufführung gute Unterhaltung, die die Erwartungen an einen schwungvollen Operettenabend erfüllt.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rodrigo Tomillo

Inszenierung
Roland Hüve

Bühne und Kostüme
Siegfried E. Mayer

Choreographie
Eric Rentmeister

Licht
Martin Gehrke

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Rebecca Graitl

 

Chor und Extrachor des Theaters Hagen

Ballett Hagen

Philharmonisches Orchester Hagen


Solisten

*Premierenbesetzung

René, Graf von Luxemburg
Kenneth Mattice

Fürst Basil Basilowitsch
*Oliver Weidinger /
Olaf Haye

Armand Brissard
Richard van Gemert

Angèle Didier
Angela Davis

Juliette Vermont
Cristina Piccardi

Gräfin Stasa Kokozowa
Marilyn Bennett

Mentschikoff
Wolfgang Niggel

Pawlowitsch
Bernd Stahlschmidt-Drescher

Pélégrin / Portier
Dirk Achille

Coralie
Anja Frank-Engelhaupt

Mimi
Andrea Kleinmann

Sidonie
Sophia Leimbach

Boulanger
Sebastian Joest /
*Tae-Hoon Jung

Marchand
Johan de Bruin

Saville
Matthew Overmeyer

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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