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Atemberaubendvon Bernd Stopka / Fotos: T.Behind-PhotographicsIn der
verlängerten Sommerpause wurde das Hildesheimer
Theater umgebaut und modernisiert und auch eine neue
Bestuhlung wurde eingebaut, was dringend nötig war,
denn die bisherige hinterließ neben dem
Bühnengeschehen doch auch ihrerseits zuweilen
eigensinnige tiefe Eindrücke. Die neuen Sitze zieren
den Zuschauerraum nun in verschiedenen rötlichen
Tönen ebenso farblich-freundlich wie bequem,
angenehm gepolstert, mit je zwei Armlehnen, aber es
sind keine Sessel, in denen man versinkt, sondern
man sitzt angenehm gerade und das fördert
letztendlich auch die Aufmerksamkeit.
Die wird sogar noch verkleinert und lässt die Handlung
wie in einem erhöhten Guckkasten spielen (was
zusätzlich auch freie Sicht für das Publikum
bedeutet). Ausladende Gefühlswelten in kleinen Räumen
haben ihren besonderen Reiz, zeigen sie doch die
Intimität als Quelle des Überbordenden. Regisseur
Tobias Heyder und Ausstatter Pascal Seibicke siedeln
die Handlung im Seefahrer-Milieu an. Im ersten Akt
befinden wir uns in einem nur mit einem Bett
ausgestatteten spartanischen Raum, tief in einem
Schiffsrumpf, der am Ende weit geöffnet wird. Das
Schiff mit dem Tristan Isolde zu König Marke bringt,
ist so klein, dass sie den Raum nicht für sich allein
hat. Seeleute gehen ein und aus, werden auch mal von
den Frauen verjagt und auch Tristan und Kurwenal
halten sich zuweilen dort auf. Am Ende des Vorspiels,
sieht man Tristan und Isolde in inniger, zärtlicher
Umarmung. Ein Wunschbild, eine Erinnerung, eine
Vision? Höchst aggressiv singt der ebenso auftretende
junge Seemann sein Spottlied, sehr bewusst vertauscht
Brangäne die Tränke und leidenschaftlich fallen sich
die Liebenden in die Arme, nachdem sie durch den
Glauben, gleich sterben zu müssen, enthemmt sind.
Endlich mal wieder ein Tristan „mit Anfassen“.
Zum Ende des Aktes wird der Schiffsrumpf geöffnet,
Marke tritt auf, wehrt freundlich die Ehrerbietungen
der Seeleute ab, die er zuerst begrüßt und Tristan
umarmt, bevor er sich von Isolde ein Küsschen auf die
Wange abholt, die aber gleich wieder zu Tristan
schaut. Die große Stärke der Inszenierung ist die Personenregie, die die Figuren intensiv charakterisiert und klug analysiert. Ein Glücksfall, dafür so wunderbare Sängerdarsteller zur Verfügung zu haben wie hier. Allen voran Julia Borchert, die – wie alle Beteiligten dieser Produktion – ihr Rollendebüt gibt und eine Isolde spielt und singt, wie man sie selten erlebt. Diese Isolde ist keine Heroine, sondern eine höchst menschliche, junge, im Positiven wie Negativen leidenschaftliche Frau mit allen Widersprüchlichkeiten, aller Ungeduld und allen Wirrungen und zuweilen auch Irrungen ihrer Gefühle, von denen sie sich treiben lässt. Das spielt sie ebenso überzeugend wie sie die Partie mit ungehörter Vielfalt und hoher Stimmkultur singt: mädchenhaft zart, zickig, giftig, sanft, schmeichelnd, vorwurfsvoll, grob, kindlich albern kichernd, wütend, wie eine wilde Furie. „Grüß mir die Welt“ klingt kindisch trotzig, „Tristan will ich erwarten“ wie eine furchtbare Drohung, „Für böse Gifte Gegengift“ geheimnisvoll. Bei „Herr Tristan trete nah“ wird sie zum Vamp und „warum ich dich da nicht schlug?“ klingt unendlich zärtlich. Eine Charakterstudie mit tausend Facetten bis zum nicht theatralisch, sondern realistisch wirkenden verzweifelten Weinen am Schluss. Diese feinen und feinsten Nuancierungen laufen in einem großen Haus Gefahr unterzugehen. Hier können die Solisten sehr viel differenzierter gestalten, können außergewöhnlich textverständlich singen (und tun dies auch) und müssen nicht so viel Kraft einsetzen, um auch in einem 4. Rang noch gehört zu werden. Auch wenn sie es können, wie Julia Borchert im Liebesduett beweist. Und gerade das macht einen ganz besonderen Reiz der „Tristan“-Produktion in Hildesheim aus. Hugo Mallet ist kein hochgepeitschter Bariton, sondern ein echter Heldentenor mit strahlend hellen Spitzentönen und viel Glanz in der Stimme. Er teilt seine Kräfte klug ein, kann im Liebesduett begeistern und im dritten Akt zu Tränen rühren, dabei versteht man jedes Wort der „Fieberfantasien“, womit er der Beweisführung dient, dass Tristans Worte zwar ungeordnet wirr erscheinen mögen, jedoch allesamt Sinn und Verstand haben und nachzuvollziehen sind. Auch er gibt ein großartiges Rollendebüt. Neele Kramer wirft sich mit
viel
Engagement in
die Partie der
Brangäne und
verströmt mit
ihrem
Mezzosopran
farbenreiche
Töne, die sich
näher am
klangvollen
Sopran als am
warmen Alt
bewegen, was
einen
besonderen
Reiz ausmacht.
Herrlich
vollstimmig,
mit runden und
satten
Baritontönen
kann Levente
György als
Kurwenal
begeistern.
Seine
freundschaftlich-liebevollen
Töne für
Tristan und
die
hart-spöttischen
für Isolde
beeindrucken
gleichfalls
und in seinem
Timbre
schwingt immer
etwas tief
Ehrliches mit.
Dieser Sänger
ist einfach
ein
Ausnahmetalent
und begeistert
in jeder
Rolle. Uwe
Tobias
Hieronimi
spielt den
König Marke
als
gebrochenen
Mann, singt
ihn ebenso und
kann trotz
einiger satter
Basstöne und
einem
bewegenden „Da
kinderlos
einst schwand
sein Weib“ an
diesem Abend
am wenigsten
überzeugen.
Roman
Tsotsalas
verströmt als
Melot auch
stimmlich die
angemessene
Aggressivität
des
Intriganten,
Chung Ding
singt den
jungen Seemann
regiegemäß
giftig
spottend,
Julian Rohde
ist auch
stimmlich ein
jugendlicher
und
leidenschaftlicher
Hirt.
Wundervoll,
wie er das „Öd
und leer das
Meer!“ nahtlos
aus dem
Orchesterklang
heraus zu
singen
beginnt. Die
Partie des
Steuermanns
könnte gern
größer sein,
wenn Jesper
Mikkelsen sie
so stimmschön
singt. Auch
der
Herrenchor,
klein aber
fein, macht
seine Sache
blendend. Der
Umstand, dass
alle
Mitwirkenden
dieser
Produktion ihr
Rollendebüt
geben,
bedeutet nicht
nur eine
Herausforderung,
sondern auch
die Chance auf
höchste
Konzentration
und die ist
hier von der
ersten bis zur
letzten Minute
spürbar.
FAZITEbenso wie seinerzeit bei den Meistersingern ist der Orchestergraben mit Schalldeckeln verdeckt – bis auf eine freie Stelle in der Mitte für den Dirigenten – was einen vollen, samtigen Mischklang erzeugt, der aber nicht verwaschen oder gedämpft klingt, sondern trotzdem präsent und transparent – so war es zumindest in der ersten Reihe zu hören. Zu den 30 festen Orchestermusikern kommen für diese Produktion 23 Aushilfen dazu, was ebenso zu einem volleren Klangerlebnis wie Orchestergraben führt – aber das sah man ja nicht, denn die Deckel fokussieren den Blick nebenbei automatisch auf die Bühne. Bayreuth lässt grüßen. Soweit das Technische. Das Grandiose schafft das hochkonzentriert und ausgesprochen exakt spielende Orchester unter GDM Florian Ziemen, der mit seinem leidenschaftlichen Dirigat geradezu atemberaubend und beklemmend den leidenschaftlichen Sog der Musik heraufbeschwört, ungeheure Spannungen aufbaut, die zuweilen kaum aushaltbar erscheinen und eine so dichte Atmosphäre schafft, dass einem der Atem stockt. Dabei beginnt er mit dem Vorspiel eher geradlinig, fast schon kühl und ausgesprochen flott im Tempo. Doch das ist nur der Anfang einer musikalischen Entwicklung, eines Bogens, den er über die ganze Oper spannt unter dem er die Vielfalt der Leidenschaften Klang werden lässt, von zärtlich bis wild. Welch eine Leidenschaft beim Liebesduett und welch eine beklemmende Intensität im dritten Akt.
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ProduktionsteamMusikalische Leitung Inszenierung Ausstattung Chor Susanne von Tobien Herrenchor des TfN Orchester des TfN Solisten*Besetzung der hier Isolde Tristan König Marke Kurwenal Melot Steuermann Ein junger
Seemann
Weitere Informationen
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- Fine -