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Barkouf ou Un Chien au pouvoir
(oder Ein Hund an der Macht)

Opéra-comique in drei Akten
Libretto von Eugène Scribe und Henri Boisseaux
Musik von Jacques Offenbach


in französischer Sprache mit deutschen Dialogen und Übertiteln

Koproduktion mit der Opéra national du Rhin Strasbourg

Aufführungsdauer: ca. 2h 30'  (eine Pause)

Premiere im Staatenhaus Saal 2 in Köln am 12. Oktober 2019


 



Oper Köln
(Homepage)

Ein nicht ganz unsichtbarer Titelheld

Von Thomas Molke / Fotos von Paul Leclaire

Jacques Offenbachs am 24. Dezember 1860 an der Opéra Comique in Paris uraufgeführter Barkouf galt lange Zeit als verschollen. Ein großer Erfolg war Offenbach bei seinem Debüt mit diesem Werk an der Opéra Comique nicht beschert, was vor allem an den Widerständen der Sänger, der Zensur und der Presse lag. Das restliche Publikum soll das Stück zwar mit Begeisterung aufgenommen haben. Aber die Solisten, allen voran die ursprünglich für die Partie der Maïma vorgesehene Sopranistin Delphine Ugalde, intrigierten gegen den Komponisten, da sie in dem Werk eine "Entweihung" der ehrwürdigen Opéra Comique sahen, die sich immer mehr dem Stil der Grand opéra annäherte. Die Zensur war empört und forderte gravierende Änderungen, da sie in dem Stück eine fortwährende Verhöhnung der politischen Autorität sah, selbst wenn es "in Indien,  dem Land der Fabeln und der Phantasie" spiele. Außerdem musste Offenbach die Bezeichnung in Opera bouffe ändern, was wiederum die Kritiker unter Federführung von Hector Berlioz wettern ließ, was denn ein solches Werk an der Opéra Comique verloren habe. Stattdessen solle Offenbach doch lieber wieder zu seinen Wurzeln in sein eigenes Theater, die Bouffes-Parisiens, zurückkehren. So verschwand das Stück nach nur wenigen Aufführungen, ohne in Druck gegangen zu sein, und man glaubte zunächst, dass sämtliche Aufzeichnungen beim großen Brand 1887 in der Opéra Comique den Flammen zum Opfer gefallen seien. Erst vor wenigen Jahren wurde eine fast vollständige Orchesterpartitur in den Archiven der Familie Offenbach gefunden. Die darin fehlenden Seiten tauchten durch Zufall in einer amerikanischen Bibliothek wieder auf, so dass rechtzeitig zum Offenbach-Jubiläum das Stück auf den Spielplan gestellt werden konnte. Nachdem die Produktion am 7. Dezember 2018 in Strasbourg an der Opéra national du Rhin Strasbourg eine umjubelte Wiederentdeckung gefeiert hat, steht sie nun als deutsche Erstaufführung im Staatenhaus Saal 2 in Köln auf dem Programm.

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Bababeck (Matthias Klink, links) will seine Tochter Périzade (Kathrin Zukowski) mit Saëb (Patrick Kabongo, Mitte) verheiraten.

Die Geschichte spielt in einem fiktiven Lahore, in dem es ständig Aufstände der Bevölkerung gibt, denen wiederholt der jeweils vom Großmogul ernannte Gouverneur zum Opfer fällt. Zur Strafe beschließt der Großmogul, nun den Hund Barkouf zum neuen Gouverneur zu ernennen, sehr zum Ärger des Großwesirs Bababeck, der gehofft hatte, selbst diesen Posten einnehmen zu können. Barkouf mag Bababeck und dessen Gefolgschaft nicht, so dass es unmöglich für diesen ist, von Barkouf einen Pfotenabdruck unter irgendein zu unterzeichnendes Dokument zu erhalten. Nur das junge Blumenmädchen Maïma kann sich dem Tier unbeschadet nähern, war sie doch einst seine Besitzerin, bevor der Hund von einem Soldaten entführt wurde. So wird sie von Bababeck als Sekretärin und Übersetzerin des Gouverneurs eingestellt und soll seinen Anweisungen folgen. Zunächst lässt sie Barkouf eine Heiratsurkunde unterschreiben und erkennt zu spät, dass sie damit den von ihr geliebten Saëb für Bababecks unansehnliche Tochter Périzade freigegeben hat. Als das Volk im Anschluss bei einer Audienz seine Beschwerden vorträgt, übersetzt Maïma Barkoufs Gebell nach ihren eigenen Vorstellungen. Die Steuern werden um die Hälfte gesenkt, und die zum Tode verurteilten Aufständischen, darunter Xaïloum, der Geliebte ihrer Freundin Balkis, werden begnadigt. Bababeck schäumt vor Wut und plant mit einigen Verschwörern, Barkouf zu vergiften. Das Komplott fliegt auf, weil die Verschwörer von Xaïloum belauscht worden sind. Maïma teilt mit, dass Barkouf Bababecks Hinrichtung beschlossen habe und nur zu einer Begnadigung bereit sei, wenn die Ehe zwischen Périzade und Saëb annulliert werde. Bababeck und seine Tochter müssen einlenken. Mittlerweile haben die Tataren die Stadt angegriffen, und Barkouf hat sich ihnen wehrhaft entgegengestellt. Zwar gelingt es dem Hund, mit dem Volk die Feinde in die Flucht zu schlagen, aber er kommt auf dem Schlachtfeld um. Der Großmogul ernennt Saëb zum neuen Gouverneur. Nach lautem Wehklagen über den Verlust des "wohl besten Gouverneurs" jubelt das Volk Saëb und Maïma zu, die nun endlich ihren Geliebten heiraten kann.

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Die "andere Seite" des Großmoguls (Bjarni Thor Kristinsson, Mitte) (auf dem Podest von links: Killian Touboul, Chin-A Hwang, Amanda Cruz Portuondo und Roberto Junior) (ganz links: Kaliboul (Martin Koch), ganz rechts: Bababeck (Matthias Klink))

Das Regie-Team um Mariame Clément siedelt die Handlung in einem geographisch und historisch undefinierten Diktatur-Regime an. Für den ersten Akt hat Bühnenbildnerin Julia Hansen ein mit hellbraunem Holz getäfeltes Politbüro entworfen, in dem vor einem hohen Rednerpodest mit orangefarbenen Fähnchen und Luftballons die Ankunft des Großmoguls vorbereitet wird. Die Kostüme der Mitarbeiter sind farblich den Fähnchen und der Rückwand angepasst. In einem riesigen Kranz in der Mitte sieht man das Bild des Großmoguls, das an dem Podest befestigt wird. Hier bereiten das Blumenmädchen Maïma Sträuße und die Orangenhändlerin Balkis die Verpflegung für die bevorstehenden Feierlichkeiten vor. Auf einem vom Publikum abgewandten Bildschirm beobachten die Mitarbeiter den Sturz des momentanen Gouverneurs. Der Auftritt des Großmoguls wird zunächst sehr diktatorisch umgesetzt, dann aber in seinem Couplet gebrochen, wenn das hohe Podest gedreht wird und eine bunte Showtreppe sichtbar wird, die aus einer riesigen Orange herabführt. Mit glitzernden Tänzerinnen und Tänzern wird der gesungene Text von der grausamen Hinrichtung der Aufständischen ad absurdum geführt. Selbst die Medaillen des Großmoguls leuchten hier wie in einer harmlosen Revue-Nummer.

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Maïma (Susanne Elmark, Mitte) und Saëb (Patrick Kabongo, Mitte) bejubeln mit Balkis (Judith Thielsen, links daneben), Xaïloum (Sunnyboy Dladla, links daneben) und dem Volk (Opernchor) den Gouverneur Barkouf.

In einem solchen Überwachungsstaat werden natürlich auch Listen geführt und Akten über die Untertanen angelegt. Schon im ersten Akt sieht man auf der rechten und linken Bühnenseite ein mit Akten prall gefülltes Archiv, dem ein stummer Mitarbeiter immer weitere Dokumente zuführt. Für die Umbaupause zum zweiten Akt entwickelt sich daraus sogar eine regelrechte Slapsticknummer, die mit großartiger Komik umgesetzt wird. Die Regale setzen sich ab dem zweiten Akt über die ganze Bühne fort und zeigen, wie viele Informationen in diesem Staat über die Untertanen gesammelt worden sind. Bei der Fülle wird aber auch klar, dass diese ganzen Vorgänge unmöglich alle bearbeitet werden können. So wehen unter der moderaten Herrschaft des Hundes Barkouf immer mal wieder einzelne Blätter aus den Regalen herab, oder ganze Akten gehen einfach verloren. Der Titelfigur, die in der Oper eigentlich nicht auftritt, schenkt Clément auf der Bühne mehr Präsenz. Während Maïma ihren zum Gouverneur ernannten Hund im ersten Akt nur auf dem Bildschirm beobachtet, ist ihm im zweiten Akt eine niedliche Hundehütte auf der Bühne eingerichtet worden, die bedrohlich wackelt, wenn Barkouf zum Gebell anhebt. Der Eunuch Kaliboul verlässt die Hundehütte sehr ramponiert, nachdem er versucht hat, für Bababeck mit dem Hund in Verhandlung zu treten, und nur Maïma gelingt es, sich dem Tier unbeschadet zu nähern.

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Barkouf (Pudel Uschi) führt das Volk in den Kampf gegen die Tataren (im Hintergrund von links: Périzade (Kathrin Zukowski), Kalaboul (Martin Koch) und Bababeck (Matthias Klink) mit dem Opernchor).

Mit der Popularität des Hundes wächst auch die Hütte im dritten Akt gewaltig an. Als Aufschrift trägt sie nun die Schlagwörter "Liberté, Égalité, Leckerli", um die Absurdität der Geschichte weiter zu betonen. Ähnlich flach ist der Witz, die feindlichen Tataren als Düsseldorfer zu bezeichnen, die vor den Toren die Stadt bedrohen. Maïma hat ihr orangefarbenes Kostüm gegen ein wallendes weißes Kleid eingetauscht, das ihre neue gesellschaftliche Stellung als rechte Hand des Gouverneurs unterstreicht. Mit großem Spielwitz wird die Verschwörungsszene umgesetzt, in der Bababeck mit seinen Anhängern den Wein vergiftet, der Barkouf gereicht werden soll. Wenn Barkouf dann gegen die feindlichen Tataren zieht, lässt Clément wirklich einen kleinen schwarzen Hund mit rotem Königsmantel und goldenem Krönchen auftreten, der im Publikum für große Begeisterung sorgt, zumal das Tier sich wirklich als ein bisschen wehrig erweist und das aufgesetzte Krönchen abzustreifen versucht, bevor es die Bühne wieder verlässt. Wenn Saëb dann am Ende zum neuen Gouverneur ausgerufen wird, tritt er als Louis-Napoléon Bonaparte auf und läutet gemeinsam mit Maïma als Kaiserin Eugénie eine Wende in der Politik ein.

Musikalisch bewegt sich die Produktion auf hohem Niveau. Stefan Soltesz zaubert mit dem Gürzenich-Orchester Köln aus dem Graben einen frischen Offenbach-Sound, der die scheinbare Leichtigkeit der Musik wunderbar unterstreicht. Susanne Elmark punktet als Maïma mit frechem Spiel und glasklaren Koloraturen. Judith Thielsen hält als ihre Freundin Balkis mit sattem Mezzosopran dagegen, so dass die beiden sich stimmlich und darstellerisch hervorragend ergänzen. Kathrin Zukowski kommt die etwas undankbare Rolle der Périzade zu, die sie mit großartiger Komik gestaltet. Vielleicht hätte man ihr einen anderen optischen Makel als den dunklen Schnauzbart gewünscht, aber trotz allem macht sie auch darstellerisch deutlich, dass sie schwer für eine Ehe vermittelbar ist. Matthias Klink erinnert in seiner Rolle als intriganter Bababeck ein bisschen an Louis de Funez und punktet stimmlich mit kräftigem Tenor. Mit Martin Koch als Kaliboul spielt er sich trefflich die Bälle zu. Ein musikalischer Höhepunkt ist das Quartett mit Zukowski und Patrick Kabongo als Saëb, wenn Bababeck und Kaliboul Barkouf ohne Erfolg dazu bringen wollen, die Heiratsurkunde zwischen Périzade und Saëb mit einem Pfotenabdruck zu besiegeln. Kabongo begeistert mit strahlenden Höhen und großer Leidensfähigkeit, wenn er sich in sein Schicksal fügt, Périzade zu heiraten, um damit seinen Vater zu retten. Bewegend gelingt ihm auch das Duett mit Elmark im dritten Akt, wenn die beiden Liebenden erneut zueinander finden. Sunnyboy Dladla gibt den kämpferischen Xaïloum mit beweglichen Höhen. Bjarni Thor Kristinsson rundet das Solisten-Ensemble als Großmogul mit autoritärem, dunklem Bass ab. Der Chor der Oper Köln unter der Leitung von Rustam Samedov begeistert als Verschwörer und Volk mit homogenem Klang und großer Spielfreude, so dass es für alle Beteiligten am Ende großen und verdienten Jubel gibt.

FAZIT

Diese Oper hat es verdient, dem Vergessen entrissen zu werden. Es bleibt zu hoffen, dass sich weitere Bühnen mit diesem Werk auseinandersetzen werden. 


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Soltesz

Inszenierung
Mariame Clément

Bühne und Kostüme
Julia Hansen

Licht
Nicol Hungsberg

Choreographie
Mathieu Guilhaumon

Chor
Rustam Samedov

Dramaturgie
Georg Kehren
Jean-Luc Vincent

 

Gürzenich-Orchester Köln

Chor der Oper Köln

Statisterie der Oper Köln

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Bababeck
Matthias Klink

Der Großmogul
Bjarni Thor Kristinsson

Saëb, Offizier
Patrick Kabongo

Kaliboul, Eunuch
Martin Koch

Xaïloum, Geliebter der Balkis
Sunnyboy Dladla

Maïma, junges Blumenmädchen
*Susanne Elmark /
Sarah Aristidou

Balkis, Orangenhändlerin
Judith Thielsen

Périzade, Tochter von Bababeck
Kathrin Zukowski

Verschwörer
Martin Endrös-Winter
Andrew Penning
Yong Yin Kim
Kevin Moreno
Christoph Westerkamp
Avram Sturz

Tänzerinnen
Amanda Cruz Portuondo
Chin-A Hwang

Tänzer
Roberto Junior
Killian Touboul

 


Weitere
Informationen

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